KBV-„Praxis-Check“

Lauterbach will Dispensierrecht für Ärzte im Notdienst prüfen

Berlin - 04.03.2022, 09:45 Uhr

Kommt das Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte im Notdienst? (Foto: IMAGO / photothek)

Kommt das Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte im Notdienst? (Foto: IMAGO / photothek)


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will prüfen, ob es sich anbietet, dass Ärztinnen und Ärzte im Notdienst selbst Medikamente abgeben dürfen. Das sagte er gestern im Gespräch mit KBV-Chef Andreas Gassen. Das E-Rezept hingegen steht nicht ganz oben auf seiner Prioritätenliste – zur Verbesserung der Versorgung von Patienten seien andere Applikationen wichtiger.

Am gestrigen Donnerstagabend stellte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im „Praxis-Check“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) den Fragen der Ärztinnen und Ärzte. Wie er im Gespräch mit KBV-Chef Andreas Gassen, das live übertragen wurde, erklärte, stehen aktuell für ihn zwei Themen im Gesundheitswesen im Vordergrund: Die medizinische Versorgung von Menschen in der Ukraine und nach Deutschland Geflüchteten sowie die Bekämpfung der Pandemie. Kurzfristig angehen will er aber auch eine weitere Baustelle: die Reform der Notfallversorgung. Dieser werde er sich „noch in diesem Jahr“ widmen, kündigte der Minister an.

Auch für die Apotheker:innen ist das nicht unwichtig – im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Partner etwa darauf geeinigt, dass die Offizinen auch im Notdienst Botenlieferungen anbieten sollen. Zudem soll der Nacht- und Notdienstfonds zu einem sogenannten Sicherstellungsfonds weiterentwickelt werden.

Darüber hinaus informierte Lauterbach gestern im „Praxis-Check“, er wolle das Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte im Notdienst prüfen. Bisher nutzten die ärztlichen Interessenvertreter dies eher als Drohgebärde, etwa im Zusammenhang mit Impfungen, die nun auch Apotheken anbieten. Wörtlich sagte Lauterbach gestern:


Das ist auf jeden Fall etwas, das wir prüfen müssen, das ist ganz klar. Das ist etwas, das im Notdienst eine Rolle spielt und etwas, das auch eine Humanisierung der Versorgung zur Folge hätte. Weil zum Teil sind das ja erhebliche Qualitätsverluste in der Versorgung der Patienten, die damit einhergehen, wenn der Arzt nicht abgeben kann.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im KBV-„Praxis-Check“ am 3. März 2022


Sie finden das Statement zum Nachhören hier (ab 1:29:30).

E-Rezept-Start zweitrangig

Ein großes Thema war auch die Digitalisierung – bekanntermaßen sind nicht nur viele Ärztinnen und Ärzte unzufrieden mit dem aktuellen Stand der Dinge. Nach dem Aufschub für das das E-Rezept hatte Lauterbach kürzlich auch den der Start der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verschoben. Beides begründete er gegenüber KBV-Vorstandsmitglied Thomas Kriedel damit, dass die Technik noch nicht so weit sei. „Was noch nicht zu 100 Prozent ausgereift ist, kann man nicht in die Fläche bringen“, stellte der Minister klar.

Auch wenn er in vielen Belangen mit seinem Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) einer Meinung gewesen sei: Bei der Digitalisierung unterscheide sich seine Herangehensweise in diesem Bereich von der des Unionskollegen. „Wir brauchen zuerst Applikationen, die einen spürbaren Nutzen für Ärzte und Patienten bringen.“ Das E-Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zählt Lauterbach nicht dazu.

Stattdessen setzt der Minister auf die elektronische Patientenakte. Diese könne die Versorgung der Menschen deutlich verbessern, allein schon dadurch, dass jeder Arzt auf vorherige Befunde seiner Kollegen schnell und unkompliziert zugreifen könne. Daran hapere es aktuell in der Praxis, mit oftmals massiven Nachteilen für die Patienten. 

Die ePA als Chance für die Apotheken

Der Digitalisierungsexperte und ehemalige Leiter des Health Innovation Hub, Jörg Debatin, hatte im Dezember im DAZ-Interview darauf hingewiesen, wie wichtig die ePA auch für die Apotheken werden könnte. „Der Apotheker wird mit den Informationen, die er auf diesem Wege bekommt, in die Lage versetzt, wirklich medizinisch zu handeln – etwas, das er immer schon versucht hat, aber wofür ihm oftmals schlicht die Instrumente gefehlt haben“, erläuterte er im Gespräch mit der Redaktion. „Wie gut sie mit dem digitalen Wandel umgehen können, haben sie ja bei den Impfzertifikaten durchblicken lassen. Darauf sollte der Berufsstand aufbauen. Für die Apotheker ist richtig viel drin. Sie können aus meiner Sicht zu den großen Gewinnern der Digitalisierung gehören.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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10 Kommentare

das Finanzamt?

von Kleiner Apotheker am 05.03.2022 um 17:37 Uhr

Ärztliche Tätigkeiten sind ja von der Umsatzsteuer befreit.
Dispensierung fällt vermutlich unter die Umsatzsteuer?

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Dispensirerecht für Ärzte, konsequent und logisch.

von Kerckhoff Markus am 05.03.2022 um 17:29 Uhr

Wer geglaubt hat, das „Impfen“ für Apotheker eine gut Idee ist erlebt nun die Konsequenz seines Irrtums.
Die Politik hat die Apothekerverbände gebeten pharmazeutische Dienstleistungen zu definieren, die dann analog zum Nacht und Notdienst honoriert werden sollen. Anstatt dies zu tun, und es liegt auf der Hand das dies schwierig ist im Umfeld der pharmazeutischen Kernaufgaben herstellen, prüfen und abgeben von Arzneimitteln, kam man auf die Idee „Impfen“ als weitere pharmazeutische Tätigkeit zu definieren. Diese Idee war von Anfang an ein echter Trojaner.
Nicht nur wegen dem unnötigen Konflikt mit der Ärzteschaft die reflektorisch das Dispensierrecht politisch thematisieren sondern auch perspektivisch, da das Argument des Nacht und Notdienstes, als exclusive Leistung der Apothekerschaft im Rahmen des Versorgungsauftrages, nachhaltig geschmälert wird.

Im Ergebnis hat die Apothekerschaft dem holländischen Versandhandel einen rechten Gefallen getan.

Schade.

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Dispensierrecht

von Stephan Garrecht am 05.03.2022 um 8:49 Uhr

Was ist mit Secur pharm (gleich abschreiben?)

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Gleich lange Spieße

von Andreas Grünebaum am 04.03.2022 um 20:58 Uhr

Also sollen die Ärzte die gleichen Bedingungen gemäß Apothekenbetriebsordnung und Überwachung für die ordnungsgemäße Lagerung von Arzneimitteln inklusive Temperaturgeführter Kühlung ohne wenn und aber gewährleisten? Darüber hinaus auch die Einhaltung der Bestimmungen gemäß SGB V, Lieferverträge, Rabattverträge, Btm, etc. Dafür stellen wir unseren Notdienst bedingungslos aus. Deal? Ich glaube nicht, dass dies eine für alle Seiten befriedigende Lösung wäre.

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Dekadent

von Thomas Kerlag am 04.03.2022 um 20:21 Uhr

Und wer soll nachts durch die Gegend jokeln?
Und wer zahlt dafür einen reellen Preis?

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Dispensierrecht

von Birgitt Mäntele am 04.03.2022 um 19:16 Uhr

Wenn die Ärzte dispensieren werde ich nicht mehr alle 12 Tage Notdienst machen!
Das ist dann überflüssig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Dispensierrecht

von Nadine Schmidt am 04.03.2022 um 15:09 Uhr

Warten wir mal ab, welches Steatment Frau Oberdingsbums in zwei Monaten dazu abgibt. Ps: gibt es eigentlich Herrn Kern noch ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Dispensierrecht

von Nadine Schmidt am 04.03.2022 um 15:14 Uhr

Wie blöd : Statement

Dispensierrecht für Ärzte … echt jetzt ?

von Joachim Wiegmann am 04.03.2022 um 11:06 Uhr

Ich denke, die Ärzte werden schnell die Lust daran verlieren, wenn sie bemerken, wie aufwändig die Haltung eines sinnvoll gefüllten Arzneimittellagers ist.
Das können wir deutlich besser !
Vielleicht ist mal ein Dialog mit der KV ganz sinnvoll, wenn wir damit erreichen, dass im Notdienst keine „Exoten“ verordnet werden und der Verordnet für Rückfragen erreichbar ist, sowie eine Korrekturmöglichkeit für die Verordnungen „nach Rücksprache“.
Es geht am Ende doch um die zu versorgenden Patienten und nicht um die Einhaltung pingeliger Formalia.

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Dispensierrecht

von Dr. Radman am 04.03.2022 um 10:11 Uhr

.. und wo sollen die Ärzte die Medikamente für die Dispensierung bestellen?. Apotheke oder Großhandel?
.. und was ist mit Rabattverträgen?

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