BPhD-Kolumne

Nie ohne mein Team – wieso Interprofessionalität mit der Ausbildung beginnt

München - 28.03.2022, 11:30 Uhr

Interprofessionalität muss aus Sicht von Pierre Fischer schon während des Studiums und der Ausbildung Thema sein. (b/Foto: BPhD)

Interprofessionalität muss aus Sicht von Pierre Fischer schon während des Studiums und der Ausbildung Thema sein. (b/Foto: BPhD)


Den Angehörigen der Gesundheitsberufe fehlt oftmals das Wissen über die Kenntnisse und Fähigkeiten der jeweils anderen Berufsbilder. Das erschwert die Zusammenarbeit, meint Pierre Fischer, Beauftragter für Interprofessionelles beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Er fordert daher, die Kooperation schon während des Studiums bzw. der Ausbildung zu stärken, um Vorbehalte abzubauen.

„Apotheken können impfen“ heißt es auf einer Reklame zum heiß diskutierten Impfstart in Apotheken, aber können sie das wirklich? Im Gesundheitswesen fehlt oft das Wissen über Kenntnisse und Fähigkeiten der einzelnen Berufsbilder. Häufig, weil ein Zusammenarbeiten schlichtweg nicht der gewohnten Arbeitsweise entspricht – noch nicht. Problematisch wird es, sobald Vorbehalte dieses Wissen ergänzen oder gar ersetzen. In diesem Fall wird ohne Absprache mit anderen Berufsständen eigenständig und nur innerhalb des eigenen Handlungsspielraums vorgegangen, obwohl durch bessere Kommunikation oder in Zusammenarbeit eine bessere Behandlung möglich wäre. Das Ergebnis: Ineffizienz, zusätzliche Kosten und ein spürbarer Nachteil für Patient*innen.

Vor und während des Studiums bzw. der Ausbildung existieren diese Vorbehalte noch deutlich seltener. Diese Unvoreingenommenheit sollte als Chance begriffen und als Grundlage für eine verstärkte interprofessionelle Zusammenarbeit genutzt werden, vor allem zwischen Mediziner*innen und Pharmazeut*innen. In einem ersten Schritt gilt es, gemeinsame Ausbildungsinhalte zwischen den einzelnen Berufsgruppen auszumachen und von Beginn an den Weg für eine gute Zusammenarbeit zu bahnen. Sowohl für Studierende verschiedener Studiengänge als auch für Auszubildende aus unterschiedlichen Berufen ist es teilweise sinnvoll, gemeinsame Kurse zu besuchen und gemeinsame Prüfungen zu absolvieren. So ist im späteren Berufsleben klar, dass gemeinsames Wissen vorhanden ist und die Begegnung findet ganz natürlich auf Augenhöhe statt.

Gleichzeitig wird durch das Zusammenführen gemeinsamer Ausbildungsinhalte sichtbar, an welchen Stellen die jeweiligen Ausbildungen sich unterscheiden. Dies hat den Vorteil, dass weiterführende Kompetenzen einer anderen Fachrichtung durch bestehendes Vorwissen oder gezielte Vertiefungsfächer im jeweiligen Kontext besser herausgestellt werden. Beispielsweise werden im Medizinstudium die Fächer Anatomie und Physiologie detaillierter vermittelt, während im Pharmaziestudium die Themen Pharmakologie, Arzneimittelinteraktion und -entwicklung umfassender behandelt werden. An dieser Stelle können die entsprechenden Expert*innen in Tutorien Studierende des jeweils anderen Studiengangs unterstützen. Diese Art der Zusammenarbeit schon während der Ausbildung fördert im späteren Berufsalltag den Respekt vor dem Fachwissen des Gegenübers, ohne dabei die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten untergraben zu sehen.

Studierendenverbände vernetzen sich

Dass Studierende aus allen Bereichen des Gesundheitswesens einer solchen Zusammenarbeit nicht nur neutral gegenüberstehen, sondern viele von ihnen sich auch aktiv darum bemühen, zeigt die Initiative Interprofessionelle Studierendenvertretungen im Gesundheitswesen, kurz InSiG. In diesem Zusammenschluss treffen sich Vertreter*innen aller Studiengänge im Gesundheitswesen mit dem Ziel, eine Plattform für alle beteiligten Studierenden und Studierendenvereine zu schaffen und ihre Vernetzung voranzutreiben.

Konkret bedeutet dies einen regelmäßigen Austausch über aktuelle Themen in Online-Meetings sowie den gegenseitigen Besuch von Mitgliederversammlungen, beispielsweise der Mitgliederversammlung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Das aktuelle Rahmenthema: Interprofessionalität. Dies ermöglicht, ein Gespür für aktuelle Probleme und Ziele der anderen Verbände zu bekommen. Finden sich gemeinsame Anliegen, werden diese in gemeinsam verfassten Positionspapieren niedergeschrieben und in Projekten umgesetzt: auf lokaler Ebene z.B. durch den Welt-AIDS-Tag, das Teddybär-Krankenhaus und den Vampire-Cup von Pharmazie- und Medizinstudierenden sowie überregional in Form von Workshops mit aktuellen Schnittstellen-Themen wie dem PharmaWeekend des BPhD zum Thema „Impfen - Eine Zukunft mit Geschichte“.

Herausforderungen gemeinsam bewältigen

Initiativen wie die InSiG machen deutlich, dass eine neue Generation von Heil- und Gesundheitsberufler*innen bereit ist, sich den bestehenden und kommenden Herausforderungen im Gesundheitswesen gemeinsam zu stellen. Für eine optimale Behandlung aller Patient*innen gilt es, diese Bestrebungen als Chance zu begreifen und sie in die Gestaltung aller betreffender Studien- und Ausbildungsgänge zu integrieren.



Pierre Fischer
Beauftragter für Interprofessionelles beim BPhD

redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Interprofessionalität - ein erster Schritt?

von R. Konrads am 28.03.2022 um 21:31 Uhr

Ich erinnere mich, dass vor einigen Jahren bei einem früheren Arbeitgeber eine junge Hautärztin aufgrund ihres privaten Kontaktes zum Apothekenleiter anfragte, ob sie mal in der Rezeptur hospitieren dürfte. Natürlich durfte sie, die PTAs fühlten sich durch das Interesse wertgeschätzt und erklärten ausführlich, welche Arbeitsschritte alle erfolgen, wenn eine Rezepturverordnung vorgelegt wird. Und die junge Ärztin war sehr froh und dankbar für den Einblick und die vielen Informationen, die sie erhalten hatte.
Ich glaube diese Hospitation hat nur einen halben Tag lang gedauert, und schon war sehr viel Verständnis für die Arbeitsweise des anderen Berufs entstanden. Vielleicht geht ja ein erster Schritt so einfach...
Man kann ja mal schauen, ob man jungen Ärzten oder Ärzten in Ausbildung in Praxen der Umgebung einen Hospitationstag in der Apotheke anbietet.
Vielleicht sogar auch den Arzthelferinnen. Momentan erlebe ich, dass nach Personalwechsel in Praxen bei der Rezeptaustellung öfter was schief geht: falsche Darreichungsform, Wirkstärke, unvollständige Angaben bei Verbandstoffen, Hilfsmitteln, BTM... Das führt zu vielen Rückfragen, die beide Seiten nerven. Vielleicht könne man hier auch mal durch halbtätige Hospitationen Verständnis für die Arbeitsweise der jeweils anderen entwickeln und die Zusammenarbeit verbessern.
Meine Frage an Kolleg*innen: Gibt es bei Ihnen Erfahrungen mit Hospitationen zwischen Arztpraxen und Apotheken?

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Interprofessionalität in der Ausbildung

von Udo Puteanus am 28.03.2022 um 14:10 Uhr

Ich begrüße es sehr, dass sich die Medizin- und Pharmaziestudierende mehr als bisher schon während des Studium vernetzen und gemeinsame Positionen erarbeiten. Das ist eine sehr wichtige Grundlage für Interprofessionalität im späteren Berufsalltag. Noch besser wäre es, die Studierenden würden zusammen mit den Lehrenden und den praktisch Tätigen herausarbeiten, warum diese Ansätze selten über das Studium hinaus Erfolg haben. Ich erinnere mich an mein Pharmaziestudium in den siebziger Jahren; wir hatten auch die ein oder andere gemeinsame Veranstaltung und waren begeistert, dass zusammen gelernt wurde. Sobald die Berufspraxis eintritt, scheint alles verloren zu gehen und die eingefahrenen Wege der Konfrontation oder der oftmals schwierigen Zusammenarbeit beginnen. Schon sehr viel besser läuft es, so hört man, in den Krankenhäusern, in den gut aus-, fort- und weitergebildete Apotheker:innen auf Station arbeiten und die dortigen Ärzt:innen die enge Zusammenarbeit schätzen gelernt haben. Nun wäre es wichtig herauszuarbeiten, welche Parameter dafür sorgen, dass Zusammenarbeit klappt und welche störend wirken. Ein positiver Ansatzpunkt ist sicherlich das gemeinsame Lernen und Forschen an der Uni und das dortige sich Beschäftigen mit den Fähigkeiten des jeweils anderen. Aber es muss weitergehen, es muss geforscht werden, was hilft und was stört die Zusammenarbeit in der Versorgungspraxis, und es müssen Wege gefunden und ausprobiert werden, wie Verbesserungen gelingen. Forschungsvoraussetzungen an den universitären Instituten für Allgemeinmedizin existieren bei den Mediziner:innen schon, wo bleibt bei diesem Themenfeld die Pharmazie? Wären nicht auch Institute für Allgemeinpharmazie ein wichtiger Schritt nach vorn?

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