Apotheken zwischen Inflation und Sparzwang

Hoffen auf das Veto des Finanzministers?

Stuttgart - 31.03.2022, 07:00 Uhr

Finanzminister Christian Lindner und Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Sitzung des Deutschen Bundestag im Dezember in Berlin. (s / Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpic)

Finanzminister Christian Lindner und Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Sitzung des Deutschen Bundestag im Dezember in Berlin. (s / Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpic)


Kraftstoffe und weitere Energieträger verteuern sich, Personalkosten steigen. Hinzu kommt die finanzpolitische Aufarbeitung der Pandemie, die vor allem in Form von GKV-Spargesetzen spürbar sein wird. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, erklärt im DAZ-Interview, wie er die Lage der Apotheken beurteilt und weshalb er hofft, dass Bundesfinanzminister Lindner die „Apothekenbestrafung“ von Gesundheitsminister Lauterbach doch noch kassiert.

Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover (Foto: privat)

DAZ: Herr Diener, hohe Energiepreise, steigende Personalkosten und dann steht da plötzlich noch der Entwurf eines drastischen Spargesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium im Raum. Wie stark, glauben Sie, werden die Apotheken dies alles zu spüren bekommen?

Diener: Sie sprechen damit zwei unterschiedliche Flanken an: Die Inflation trifft die Apotheken auf der Kostenseite, der Spargesetzentwurf von Minister Karl Lauterbach würde sie auf der Umsatzseite treffen. Man sollte darauf getrennte Blicke werfen.

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Beginnen wir mit der Inflation.

Für die adäquate Beurteilung hilft hier der Blick auf die apothekenspezifische Inflationsrate. Die bekommt der Apothekeninhaber von seinem Steuerberater mit der monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertung in der Rubrik „Betriebskosten-Änderung zum Vorjahr“ ausgewiesen. Und die lag schon in 2021 im Bundesdurchschnitt bei etwa 7,5 Prozent. Da waren die aktuellen Energiepreise und der neue Tarifvertrag noch gar nicht virulent.

Und was ist mit dem Spargesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium?

Da sollen eine Kassenabschlagserhöhung und eine Mehrwertsteuersenkung kombiniert werden. Beim Kassenabschlag muss man den Umsatzsteuereffekt berücksichtigen: Er ist bislang auf 1,77 Euro inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer fixiert, was einem Nettobetrag von 1,49 Euro entspricht. Eine Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro inklusive 19-prozentiger Umsatzsteuer würde die Branche aufs Jahr gerechnet insgesamt rund 123 Millionen Euro kosten – der Apothekenanteil würde von 1,49 Euro auf 1,68 Euro, also 19 Cent je GKV-Packung, und der Anteil des Fiskus von 28 auf 32 Cent steigen. Wenn – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – ab 1. Januar 2023 dann als zusätzliche Maßnahme die Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent reduziert werden sollte, würde dies den Bruttoabschlag von 2 Euro auf einen Nettobetrag von 1,87 Euro liften: Das wäre gegenüber den heutigen 1,49 Euro dann 38 Cent zusätzlicher Apothekenanteil. Für die Apotheken insgesamt wäre das dann ein Opferbeitrag in Höhe von rund 250 Millionen Euro jährlich – also ungefähr so viel, wie für die bisherige Notdienstvergütung und die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen zusammen vorgesehen ist. Für den Fiskus würde diese Umsatzsteuersenkung auf Arzneimittel mehr als 10 Milliarden Euro Steuerausfall bedeuten – das hat jedenfalls in den letzten drei Jahrzehnten alle Finanzminister veranlasst, hier ihr Veto einzulegen.

In der vergangenen Legislaturperiode hat die Große Koalition der Apothekerschaft klargemacht, dass es neues Geld nur mit den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen geben wird. Weder die Dienstleistungen sind da, noch ein alternatives Honorierungsmodell. War es ein Fehler, sich als Standesvertretung von der Forderung einer Dynamisierung des Packungshonorars so deutlich zu entfernen?

Ich plädiere dafür, die Vergütung über die Arzneimittelabgabe und durch die neuen Dienstleistungen nicht zu vermischen. Das Honorierungsmodell für die neuen Dienstleistungen ist „eigentlich“ schon da, insofern ist für neue Leistungen auch neues Geld vorgesehen – denn seit Mitte Dezember werden ja mit jeder Rx-Packung 20 Cent eingesammelt und demnächst in den Dienstleistungsfond überführt. Was noch nicht da ist, ist die Ergänzung im Rahmenvertrag DAV/GKV, in dem unter anderem fixiert wird, welche Dienstleistungen in welchem Quantum und welcher Qualität zu welchem Preis von den Apotheken erbracht werden dürfen. Auch die Frage, wer die Leistungsbeanspruchung auslösen kann, muss definiert werden: vom Patienten, vom Arzt, von der Krankenkasse, vom Apotheker? Hier warten wir alle auf die Schiedsstellenentscheidung.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Hauen und Stechen

von Elvira Umarov am 31.03.2022 um 21:38 Uhr

Wir könnten auch einfach mal streiken!
Die Ärzte haben es uns heute in Niedersachsen, mal wieder, vorgemacht. Bei den ganzen gestiegenen Ausgaben und dem nicht angepassten Fixzuschlag seit 2004 einfach mal überfällig!!!

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Nur ein Ausweg

von Stefan Haydn am 31.03.2022 um 15:03 Uhr

Ich fürchte den Apotheken bleibt als einziger Ausweg nur noch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Der Staat überträgt Aufgabenbereiche ohne zu der damit einhergehenden Fürsorgepflicht für die Leistungserbringer zu stehen.
So kann das System absehbar nicht mehr funktionieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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