Apotheken zwischen Inflation und Sparzwang

Hoffen auf das Veto des Finanzministers?

Stuttgart - 31.03.2022, 07:00 Uhr


Es herrscht Hauen und Stechen in der Wertschöpfungskette

Droht die Branche demnächst noch stärker von der Inflation abgekoppelt zu werden?

Das hängt davon ab, ob die Rx-Vergütung angepasst wird. Dies ist überfällig. Die Fixkomponente, die für die fixen Betriebskosten vorgesehen ist, ist seit dem Jahr 2004 nur einmal, und das auch noch unzureichend, angepasst worden. Und der 3-prozentige AEP-Aufschlag, der die variablen Betriebskosten abdecken soll, passt auch nicht mehr, denn der Anteil der umsatzabhängigen Kosten ist seit 2004 deutlich angestiegen. Den erforderlichen Anpassungsbedarf kann man anhand der apothekenspezifischen Inflationsrate detailliert belegen.

Wie kann man es schaffen, mithilfe der Dienstleistungshonorare die steigenden Kosten zu kompensieren?

Im Jahr 2021 hatte die Durchschnittsapotheke gut 30.000 Euro Betriebskostenanstieg. Wie soll das mit neuen pharmazeutischen Dienstleistungen kompensiert werden können, wenn dafür im Dienstleistungsfonds gerade mal 8.000 Euro je Apotheke liegen? Zumal die Erbringung der neuen Dienste ja mit Personal- und Sachkosten verbunden ist, die diesen Umsatz noch deutlich reduzieren. Selbst mit einem üppigen Gewinnzuschlag bei den neuen Diensten wäre der Gesamtkostenzuwachs nicht zu kompensieren.

In der vergangenen Woche erreichten die Apotheken die Schreiben der pharmazeutischen Großhandlungen, in denen sie auf höhere Gebühren z. B. für Touren hinweisen. Hinzu kommen auch immer höhere Personalausgaben. Wie sollten die Apotheken mit diesen Mehrkosten umgehen? Welche Möglichkeiten bestehen, diese auch selbst wieder einzunehmen?

Eingefrorene, herunterrabattierte und anderweitig gedeckelte Herstellerpreise, nicht angepasste Rx-Vergütungen für den Großhandel und die Apotheken – da herrscht in der Tat Hauen und Stechen in der Wertschöpfungskette. Was man tun kann, falls bislang noch nicht geschehen, ist, seinen Großhandelsbezug zu optimieren: Mengen bündeln, Touren reduzieren, Zahlungsfristen vorziehen… Doch wenn man bereits sein Waren-Handling durchoptimiert hat, ist es schwer. Das heißt, die effizienten Betriebe haben auf der Kostenseite die geringsten Spielräume.

Können Sie uns zum Abschluss denn doch noch einen positiven Ausblick geben?

Na ja. Das ist derzeit nicht ganz einfach. Wenn wir Glück haben, trifft die Schiedskommission eine gute Entscheidung in Sachen pharmazeutische Dienstleistungen. Vielleicht bilden sich auch die Energiepreise etwas zurück und die „Apothekenbestrafung“ wird aus Lauterbachs Spargesetz entfernt, weil der Finanzminister sein Veto einlegt.

Herr Diener, vielen Dank für das Gespräch.

DAZ Ausgabe 13 / 2022

Weiterlesen in der aktuellen DAZ Nr. 13

Die Inflation ist zum großen Thema geworden – auch für die Apotheken. Derzeit stehen die Energiekosten und darunter besonders die Kraftstoffpreise im Mittelpunkt. Als Folge werden bald weitere Kostenarten betroffen sein. Die Kostenseite bietet nur wenige Einflussmöglichkeiten für Apotheken, aber jede Maßnahme zählt. Wenn das nicht reicht, bleiben auch für Apotheken nur höhere Preise für frei kalkulierbare Waren. Das muss kein Tabu sein, denn die Wettbewerber stehen vor ähnlichen Problemen.

Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe das ganze Interview mit Frank Diener von der Treuhand Hannover sowie einen Beitrag von DAZ-Wirtschaftsexperte Thomas Müller-Bohn, der die Frage diskutiert, welche Einflussmöglichkeiten die Apotheken haben, um auf die Inflation zu reagieren.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Hauen und Stechen

von Elvira Umarov am 31.03.2022 um 21:38 Uhr

Wir könnten auch einfach mal streiken!
Die Ärzte haben es uns heute in Niedersachsen, mal wieder, vorgemacht. Bei den ganzen gestiegenen Ausgaben und dem nicht angepassten Fixzuschlag seit 2004 einfach mal überfällig!!!

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Nur ein Ausweg

von Stefan Haydn am 31.03.2022 um 15:03 Uhr

Ich fürchte den Apotheken bleibt als einziger Ausweg nur noch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Der Staat überträgt Aufgabenbereiche ohne zu der damit einhergehenden Fürsorgepflicht für die Leistungserbringer zu stehen.
So kann das System absehbar nicht mehr funktionieren.

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