Positionspapier zur Novellierung der Approbationsordnung

So soll das Pharmaziestudium der Zukunft aussehen

Berlin - 11.04.2022, 07:00 Uhr

Wie das Pharmaziestudium modernisiert werden soll, halten BAK, Studierende, Hochschullehrer und andere jetzt in einem gemeinsamen Positionspapier fest. (Foto: IMAGO / Oliver Ring) 

Wie das Pharmaziestudium modernisiert werden soll, halten BAK, Studierende, Hochschullehrer und andere jetzt in einem gemeinsamen Positionspapier fest. (Foto: IMAGO / Oliver Ring) 


Mehr klinische Pharmazie, zehn Unisemester und eine Option auf Teilzeit im praktischen Jahr: Bundesapothekerkammer, Pharmaziestudierende, Hochschullehrer und andere Interessenvertreter haben sich auf eine gemeinsame Vision verständigt, wie das Pharmaziestudium der Zukunft aussehen soll. Die DAZ konnte bereits einen Blick in das frisch gedruckte Positionspapier werfen, das in Kürze von der BAK-Mitgliederversammlung verabschiedet werden soll.

Welches Rüstzeug brauchen zukünftige Apotheker:innen, um für die Herausforderungen, vor denen der Berufsstand steht, gewappnet zu sein? Diese Frage treibt die Apothekerschaft schon seit Jahren um. Im November 2019 beschloss die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK), die Approbationsordnung modernisieren zu wollen – unter anderem mit Vertretern des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD), des Verbands der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland, der Apothekengewerkschaft ADEXA und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft traf man sich daraufhin mehrfach am Runden Tisch, um die Weichen für die Zukunft der apothekerlichen Ausbildung zu stellen.

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Leicht war es nicht, sich auf einen Nenner zu einigen, doch nun ist es offenbar vollbracht: Der DAZ-Redaktion liegt ein Positionspapier vor, in dem die Beteiligten ihre gemeinsame Vision vom Pharmaziestudium der Zukunft festhalten. 

Künftig zehn Semester an der Uni

Was steckt konkret drin in dem Werk, auf dessen Basis man zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Approbationsordnung novellieren will? Zum einen sehen die Autor:innen die Notwendigkeit, den universitären Teil der Ausbildung um zwei Semester zu verlängern. Wichtig dabei: Die damit verbundene Erhöhung der Ausbildungskosten dürfe nicht durch Abstriche bei der Betreuungsintensität kompensiert werden. Auch die Zulassungszahlen sollen mindestens konstant gehalten werden, um den ohnehin grassierenden Fachkräftemangel nicht zu verschärfen. Zum anderen gelte es, fächerübergreifende Lehrkonzepte zu entwickeln und darüber hinaus eine interprofessionelle Ausbildung zusammen mit der Medizin zu etablieren.

„In den letzten Jahrzehnten erweiterte sich das Berufsbild des Apothekers“, konstatieren BAK, BPhD und andere. „Er ist nicht mehr nur Arzneimittelexperte, sondern auch Heilberuf mit Fokus auf die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit sowie der damit verbundenen evidenzbasierten Therapiebegleitung. Die flächendeckende Etablierung patientenorientierter pharmazeutischer Dienstleistungen wird diese Entwicklungen weiter vorantreiben und stärken. Diesem Wandel des Berufsbilds muss auch die Ausbildung Rechnung tragen.“

Mehr Raum für klinische Pharmazie

Was das genau bedeutet, verrät ein Blick in die von den Beteiligten erarbeitete Fächeraufteilung: Demnach bekommt die klinische Pharmazie deutlich mehr Raum (bisher 6,6 Prozent der Stunden, künftig 14,7 Prozent). Explizit vorgesehen ist dabei auch ein Modul „Pharmazeutische Betreuung“, in dem die Studierenden fit gemacht werden sollen für Medikationsanalyse und -management. Der Pharmakologieanteil an der Zahl der Gesamtstunden steigt leicht von bisher 11,0 Prozent auf ebenfalls 14,7 Prozent. Das Nachsehen hat insbesondere die Chemie: Ihr Anteil soll um satte 10 Prozentpunkte sinken, von bisher 44,5 Prozent auf künftig 34,4 Prozent. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Zahl der Gesamtstunden von derzeit 3.178 auf 3.906 steigen soll. Unter dem Strich verliert die Chemie also nur 70 Stunden (von 1.414 auf 1.344).

Wissenschaftliche Arbeit statt Wahlpflichtfach

Statt des Wahlpflichtfachs sollen die Studierenden laut Positionspapier künftig im Hauptstudium innerhalb von sechs Monaten eine wissenschaftliche Arbeit anfertigen, deren Abschlussnote zum gleichen Teil in die Bewertung der Leistung des Zweiten Abschnitts der Pharmazeutischen Prüfung einfließt wie die einzelnen Noten der mündlichen Prüfungen.

Was die Benotung betrifft, ist im Papier zudem vorgesehen, dass künftig die erbrachten Studienleistungen in den jeweiligen Modulen mit in die Einzelnoten der entsprechenden Prüfungsfächer im Ersten und Zweiten Abschnitt einfließen. „Damit wird die Studienleistung über die gesamte Zeit des Studiums berücksichtigt und führt zu einer gerechteren Beurteilung in der Endnote.“ Darüber hinaus sollen die Einzelnoten der Prüfungsfächer in den Prüfungszeugnissen der jeweiligen Abschnitte der Pharmazeutischen Prüfung aufgeführt werden und nicht mehr nur die Durchschnittsnote.

Praktisches Jahr in Teilzeit

Auch den praktischen Teil der Ausbildung wollen die Autoren anfassen: Während die Famulatur von acht auf vier Wochen verkürzt werden soll – es bleibt dabei, dass die Hälfte der Zeit in einer öffentlichen Apotheke Pflicht ist –, soll es möglich werden, das praktische Jahr in Teilzeit zu absolvieren. „Der Mindestumfang soll dabei 50 Prozent Teilzeittätigkeit bezogen auf die tarifliche Arbeitszeit nicht unterschreiten, um eine hinreichende Berufspraxis innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu ermöglichen“, heißt es. Die Gesamtdauer verlängert sich demnach entsprechend.

Einheitliche Approbation, kein Bachelor-Master-System

Vom Tisch ist die Idee, schon während des Studiums inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. „Die Einheitlichkeit der Approbation muss erhalten bleiben, so dass der Apotheker seinen Beruf in allen pharmazeutischen Tätigkeitsbereichen ausüben kann“, heißt es im Positionspapier. Zudem soll es dabei bleiben, dass die Prüfung nach dem Grundstudium schriftlich erfolgt, die Prüfungen nach dem zweiten und dritten Ausbildungsabschnitt hingegen mündlich.

Auch dem Bachelor-Master-System erteilen die Autoren des Positionspapiers eine klare Absage. „Der Staatsexamensstudiengang Pharmazie sichert die bundesweit einheitliche Ausbildung mit hohen Qualitätsstandards, insbesondere für die Ausbildungsinhalte und Prüfungsanforderungen“, schreiben sie. „Bachelor- und Master-Studiengänge werden dem Ziel der Einheitlichkeit der Ausbildung nicht gerecht und führen zu uneinheitlichen und eingeschränkten Berufsbildern. Die breite pharmazeutische, naturwissenschaftliche und medizinische Ausbildung ist jedoch die Basis für die spätere Berufsausübung in allen pharmazeutischen Tätigkeitsbereichen, die nicht eingeschränkt werden darf.“

Das Papier wurde am vergangenen Freitag an die Mitgliedsorganisationen der BAK sowie nachrichtlich an die Landesapothekerverbände und -vereine versandt und soll am 10. Mai bei der BAK-Mitgliederversammlung diskutiert und beschlossen werden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Work-Life-Balance - Apotheke und Pharmazie?

von Andreas Grünebaum am 11.04.2022 um 21:22 Uhr

Ich gebe mich der erbarmungslosen Kritik hin, aber ja was wäre wenn bei Fremdbesitz?
1. Rx-Abgabe nur noch zu vom BETRIEB vorgegebenen Zeiten.
2. Neue Aufgaben der Apotheke in Hinblick auf Verblisterung aus Bulkware, Beratung, Impfung etc.
3. Einteilung von OTC neu auf Selbstbedienung Kategorie II - auch 24/2 ohne und besondere Arzneimittel mitKategorie I nur mit Beratung zu den oben genannten Zeiten.
Ich wäre bereit unsere Filialen auf solch einen Betrieb umzustellen und mich dem Wettbewerb in Bezug auf Kategorie II zu stellen, sofern es diesbezüglich "gleichlange" Spieße mit den Drogeriemärkten gäbe und mir Kategorie I exklusiv verbliebe.
Träume ich? Nein, denn in Zukunft werden die Standorte den Ausschlag geben. Als Apotheker könnte man dabei auf goldene Zeitalter hoffen, denn ohne Apotheker wird es keine Standorte geben. Fremdbesitz wäre dann kein Albtraum mehr, sondern eine Möglichkeit endlich work-life-balance in Einklang zu bringen - und ja, für die verbleibenden leitenden Angestellten hieße es auch weiterhin erst recht: schaffe, schaffe...

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Kardinalfehler

von Dr. Ralf Schabik am 11.04.2022 um 8:19 Uhr

Einige der Vorschlägen verdienen großes Lob. Aber wer bitte sehr hatte die Schnapsidee, die Famulatur zu VERKÜRZEN ? VERLÄNGERN wäre angesagt - in jedem Semester ein, zwei Wochen Praxis würden die unendlich wichtige Bindung zwischen Studium und Praxis verstärken !!! Oder hat man seitens der Kammern Angst, dass die angehenden Kolleginnen und Kollegen während der Famulatur merken, wie unser wunderschöner Beruf von verbrecherischen Bürokraten kaputtgemacht wird ? Da rächt sich, dass insbesondere manche Kammerverantwortliche den Bezug zur Berufs-Wirklichkeit verloren haben.
Spannend finde ich die Überlegungen, das Studium zu verlängern (fachlich top, aber es entfiele das Argument "relativ kurzes Studium") - und der Vorschlag, das Praktische Jahr in Teilzeit absolvieren zu können. Finde ich unmöglich - aber durchaus ein Entgegenkommen an die Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Freue mich auf eine weiterführende Diskussion in den Gremien und den Berufsvertretungen :-)

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was wird besser?

von Nachdenker am 11.04.2022 um 7:51 Uhr

Eine neue Ausbildungsordnung wird absolut nichts in Bezug auf den Personalmangel bringen! Weil:
1. solange bei jedem Halskratzen ein Krankenschein vorgelegt wird
2. Bei Schwangerschaft - die meist sofort nach dem Examen eintritt - sofort der "grüne Schein" für die Befreiung bis Ende der Schwangerschaft gebracht wird - dann 3 Jahre mind. Elternzeit
3. die junge Generation lebt work - life - balance: d.h. kein Spätdienst, kein Notdienst, kein Samstagsdienst....
4. sich Vorgaben in der Apotheke unterordnen hat die junge Generation mehrheitlich nicht gelernt
5. im Studium müssen ethische Normative vermittelt werden - das fehlt vielen Berufsanfängern.
6. persönliche Interessen auch mal zurückstellen, evtl. eine Überstunde machen, ist "Streß"...
Ich berichte aus dem wahren Leben...

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AW: was wird besser

von apotheker63 am 11.04.2022 um 7:57 Uhr

....leider wahr !

AW: was wird besser

von C.Schneider am 11.04.2022 um 11:57 Uhr

Vollkommen richtig!
Die Generation, die sich quasi "selbst ausgebeutet" hat, um die Apotheke am laufen zu halten, hört auf.
Um jüngere Menschen für diesen Beruf zu interessieren,
müssen dringend die Arbeitsbedingungen geändert werden. Dazu gehört vor allem ein höheres Gehalt und vernünftige Arbeitszeiten! Unser Gehaltstarif für diese
Qualitätsansprüche an unseren Beruf ist doch lächerlich!
Von der Bürokratie ganz zu schweigen.
Doch um das bezahlen zu können, muss natürlich die Vergütung unserer Arbeit deutlich steigen! Doch davon ist natürlich keine Rede. Die Anzahl der kleineren Apotheken
wird noch weiter zurückgehen, da die Kosten schon lange die Einnahmen übersteigen. Wenn nicht nur die > 4 Mio. -Apotheken überleben sollen, und die flächendeckende Versorgung bleiben soll, dann müssen große Veränderungen her:
- adäquate Vergütung (z.B. für Rezepturen!)
- Steigerung des Beratungswertes in Euro!
- deutliche Reduzierung der Anforderungen (z.B. keine Laborprüfungen und Rezepturen in jeder Apotheke, sondern Einrichtung von Sammelapotheken )
- deutliche Reduzierung des Nacht-und Notdienstes
( für einen echten Notfall fährt man auch ein paar Kilometer weiter)
usw.
Nur wenn genügend Ertrag bleibt, so daß ausreichend Personal beschäftigt werden kann ( damit z.B. nur 1 Samstag pro Monat gearbeitet werden muss), und trotzdem für Inhaber*in ein vernünftiges Unternehmergehalt bleibt, wird es eine Zukunft für die unabhängige Apotheke geben.
Ansonsten : die "Kette" lässt grüßen!

AW: was wird besser

von Die jungen Wilden am 12.04.2022 um 15:51 Uhr

Sehr geehrte Kolleg*innen, sehr geehrter "Nachdenker",

zunächst einmal möchten wir sagen:
Wir finden Ihren Kommentar sehr reißerisch und verurteilend.

Als Vertreter*innen der von Ihnen so genannten "jungen Generation", möchten wir Ihnen auf einige Ihrer genannten Punkte antworten.

1. Es ist anmaßend darüber zu urteilen, wie und wann sich Mitarbeiter*innen krank melden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Corona-Virus, erstaunt uns dieser Kommentar umso mehr, da es doch im Interesse der Arbeitgeber*innen sein sollte, dass Mitarbeiter*innen verantwortungsbewusst handeln und bei Corona-typischen Symptomen zuhause bleiben.

2. Es ist noch anmaßender in so einer Art und Weise über die Kinderplanung von Mitarbeiter*innen zu urteilen.
Woher genau nehmen Sie Ihre Informationen, dass die Schwangerschaft "meist sofort" nach dem Examen eintritt?
Haben Sie da repräsentative Zahlen oder ist das nur Ihr persönliches Empfinden?

3. Was ist verwerflich daran, dass wir als junge Generation eine gesunde Work-Life-Balance anstreben?
Unseres Empfindens nach, trifft Ihr Punkt zudem nicht zu. Denn wie oft heißt es "Du hast ja keine Kinder, kannst du nicht am Feiertag/ in den Ferien/ im Notdienst/ am Samstag etc. arbeiten?"

4. Uns würde interessieren, von welchen Vorgaben Sie hier genau sprechen. Wir denken, wir als junge Generation sind sehr wohl in der Lage uns an Regeln und Vorgaben zu halten. Es kann allerdings durchaus sinnvoll sein bestehende Strukturen regelmäßig auf Ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

5. Was genau meinen Sie hier mit ethischen Normativen? Hat die "ältere Generation" im Studium denn ethische Normative vermittelt bekommen? Falls ja, wie hat sich das geäußert? In welcher Vorlesung wurde das behandelt?

6. Ab und an ist es sicherlich nötig und auch vertretbar, seine persönlichen Interessen zugunsten des Jobs zurück zu stellen. Allerdings muss immer alles im Rahmen bleiben und hier liegt unserer Meinung nach sehr oft das Problem (ausartende, teilweise dreistellige Überstunden etc).

Es ist immer einfach die Probleme nur bei den Anderen zu suchen.
Vielleicht sollte man sich auch mal fragen, inwiefern man selbst dazu beiträgt, wenn man kein Personal findet.

Mit freundlichen Grüßen
3 junge Kolleg*innen (Examen 2020, noch nicht schwanger)

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