Forxiga und seine Indikationserweiterungen

Warum wird Dapagliflozin immer teurer?

Stuttgart - 16.05.2022, 10:45 Uhr

Während der Preis für Dapagliflozin steigt, steigt auch die Gesamtanzahl an potenziellen Patient:innen mit der neuesten Indikationserweiterung auf insgesamt rund 7 Millionen. (c / Foto: IMAGO / Steinach)

Während der Preis für Dapagliflozin steigt, steigt auch die Gesamtanzahl an potenziellen Patient:innen mit der neuesten Indikationserweiterung auf insgesamt rund 7 Millionen. (c / Foto: IMAGO / Steinach)


Mancher Apothekerin ist in den letzten Wochen vielleicht aufgefallen, dass es bei dem Dapagliflozin-Präparat Forxiga zum März einen Preissprung von über 100 Euro gegeben hat. Die DAZ hat beim Hersteller und beim GKV-Spitzenverband nachgefragt, warum Forxiga immer teurer wird. Der GKV-Spitzeverband sieht die Preissteigerung sehr kritisch, vor allem weil es wohl nicht die letzte war. Wären indikationsspezifische Preise eine Lösung? 

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass es beim Präparat Forxiga einen Preissprung gibt. Bereits im Jahr 2020 war der Preis deutlich angehoben worden.Jetzt ist es im Jahr 2022 zu einer weiteren ähnlich hohen Preissteigerung gekommen – „nämlich von 1,19 € auf 1,96 € Euro Therapiekosten pro Tag“. Warum? Allgemein zu jetzt erneut beobachteten Preissteigerung schrieb nun AstraZeneca auf Anfrage an die DAZ zur Begründung: „Die Preisfestsetzung für Dapagliflozin erfolgte im Rahmen und Zeitrahmen des im SGB V festgeschriebenen Nutzungsbewertungsprozesses durch die unabhängige Schiedsstelle, die ihn auf Basis des beträchtlichen Zusatznutzens bei HFrEF und unter Berücksichtigung aller Änderungen in den Indikationszulassungen festgelegt hat. Die Entscheidung erfolgte, nachdem es im Rahmen der verpflichtenden Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und AstraZeneca zu keiner Einigung kam.“

Wie der GKV-Spitzenverband gegenüber der DAZ bestätigt, gab es „aufgrund der Verhandlungen auf Basis des G-BA-Beschlusses von 19.12.2019 wie vom 20.05.2021 sowohl eine Preissteigerung für den Wirkstoff Dapagliflozin im Jahr 2020 wie im Jahr 2022“. So habe der G-BA im Jahr 2019 erstmals in drei von acht Patientenuntergruppen im Anwendungsgebiet Diabetes den Nachweis eines Anhaltspunktes auf einen geringen Zusatznutzen festgestellt, heißt es, was schließlich zu der ersten Preissteigerung führte, die 70 Prozent betrug: „Im Ergebnis führte die neue Beschlusslage zu einem Anstieg der Therapiekosten pro Tag von 0,70 auf 1,19 €.“ Die Kosten pro Tag oder pro tägliche Erhaltungsdosis stellen laut G-BA „aufgrund der unterschiedlichen im Verkehr befindlichen Packungen eine aussagekräftigere Vergleichsebene für die Preisentwicklung über die Zeit als die Packungspreise dar“. 

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Grundlage für diese neue Preissteigerung sei die Erweiterung der Zulassung des Wirkstoffes Dapagliflozin auf das neue Anwendungsgebiet „Behandlung der Herzinsuffizienz“ im Jahr 2021. „Für das Anwendungsgebiet ‚Herzinsuffizienz‘ konnte im G-BA ein Anhaltspunkt auf einen beträchtlichen Zusatznutzen nachgewiesen werden“, sodass es zu neuen Preisverhandlungen kam. Jedoch konnten sich die Parteien auf dem Verhandlungsweg nicht einigen, wie der GKV-Spitzenverband erklärt. „Es erging daher im Januar 2022 ein Schiedsspruch, der für beide Anwendungsgebiete einen sog. „Mischpreis“ als Erstattungsbetrag für beide Anwendungsgebiete in der Zusammenschau festgesetzt hat“.

GKV-Spitzenverband: Preissteigerung „sehr kritisch“

Wie der GKV-Spitzenverband (GK-SV) erklärt, bewirke die Preissteigerung um weitere 65 Prozent, „zusammen mit der stark wachsenden Absatzmenge einen massiven Anstieg der Ausgabenbelastung der GKV-SV Versichertengemeinschaft“. Die Preissteigerung aufgrund des Schiedsspruches im Januar 2022 sieht der GKV-Spitzenverband deshalb sehr kritisch. Aus Sicht des GKV-SV sollte die Hinzunahme einer (zweiten) Massenindikation wie bei Dapagliflozin (Herzinsuffizienz) stärker preissenkend berücksichtigt werden. Doch dafür brauche es stärkere Vorgaben im Gesetzeswerk.

„Der GKV-Spitzenverband fordert daher dringend die gesetzliche Klarstellung, dass das potentielle Ausgabevolumen zu Lasten der Versichertengemeinschaft auf Basis des Erstattungsbetrages ein wichtiger Aspekt der Bildung eines angemessenen Erstattungsbetrages ist und dass vertragliche Schutzvorkehrungen bei einer Mengenausweitung durch beispielsweise die Zulassung neuer Anwendungsgebiete verpflichtend zu vereinbaren oder festzusetzen sind.“ Dieser Forderung des GKV-Spitzenverbands verleiht die Tatsache, dass Dapagliflozin vor Kurzem erst noch eine weitere Indikation hinzugewonnen hat, Nachdruck. 

Indikation Niereninsuffizienz: Dapagliflozin könnte nochmal teurer werden

Denn im Februar 2022 kam ein weiteres Nutzenbewertungsverfahren zu dem Schluss, dass es für Dapagliflozin für „Erwachsene mit chronischer Niereninsuffizienz ohne symptomatische, chronische Herzinsuffizienz als Komorbidität“ einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen gibt – ebenso mit zusätzlich symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz als Komorbidität.

„Der Erstattungsbetrag unter Berücksichtigung des Anwendungsgebietes ‚Niereninsuffizienz‘ befindet sich derzeit in Verhandlung“, erklärt der GKV-Spitzenverband nun, wodurch sich die „potenziell zu erreichende Patientenpopulation für den Wirkstoff erneut“ ausweite.

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Dazu nennt der GKV-Spitzenverband auch konkrete Zahlen:

  • Rund 2 Mio. Versicherte entfallen auf das erste Anwendungsgebiet Diabetes.
  • Durch die Zulassung des Anwendungsgebietes „Herzinsuffizienz“ habe sich die Patientenpopulation auf rund 4 Mio. Versicherte verdoppelt.
  • Und durch die Zulassung „Niereninsuffizienz“ steige die Gesamtanzahl an potenziellen Patienten um weitere rund 3 Mio. auf insgesamt rund 7 Mio. Patient:innen.

Kann der Preis bei Indikationsverlust auch wieder sinken?

Eine weitere Facette erhält der Fall, wenn man weiß, dass Dapagliflozin Ende des vergangenen Jahres seine Typ-1-Diabetes-Indikation verloren hat. Denn müsste es in einem solchen Fall nicht auch möglich sein, den Preis wieder zu senken? Wie der GKV-Spitzenverband erklärt, gibt es Im Gesetz „keine Vorgabe einer Preissenkung bei Wegfall einer Indikation“. Ob eine Preissenkung in einem solchen Fall schließlich ausgehandelt wird, könne pauschal nicht beantwortet werden: „Es kommt dabei auf den Einzelfall an, wie das preisliche Umfeld der entfallenden wie verbleibenden Anwendungsgebiete (AWG) sich darstellt, welchen Anteil das entfallende AWG am Gesamtverordnungsvolumen nach Zulassungszuschnitt des Arzneimittels hat sowie ob sich seit Vertragsschluss andere Faktoren wie das EU-Preisniveau oder die Preise vergleichbarer Arzneimittel verändert haben.“ Weil die Population für die Diabetes-Typ-I-Indikation lediglich 19.200 Patient:innen betrage, sei ein Einfluss des Wegfalles der Indikation „populationsanteilsbezogen auf den Erstattungsbetrag sehr gering“.

Diabetische Ketoazidose unter Forxiga

Dapagliflozin verliert seine Typ-1-Diabetes-Indikation

Doch wie kann man all das nun gegenüber Diabetiker:innen (privat versichert) ohne Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz in der Praxis erklären, die sich über den steigenden Preis ärgern?

„Da es für ein Arzneimittel nur einen Abgabepreis geben kann, unabhängig davon, für wie viele Indikationen das Arzneimittel zugelassen ist, wirkt sich die Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes stets auf den einen Preis des Arzneimittels in allen Indikationen aus“, erklärt der GKV-Spitzenverband. Man spreche von einem „Mischpreis“. Diese Vorgehensweise sei vom Bundessozialgericht 2018 für rechtmäßig befunden worden. 

Der GKV-Spitzenverband habe in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass es preisgerechter wäre, indikationsspezifische Preise zu ermöglichen. „Diese scheitern jedoch nicht nur an dem oben erwähnten aktuellen Preisrecht, sondern auch am europäischen Zulassungsrecht“, erklärt er und weiter: Indikationsspezifische Erstattungsbeträge wären nur möglich, wenn derselbe Wirkstoff in verschiedenen Indikationen jeweils als separates Arzneimittel mit eigenem Handelsnamen zugelassen werden könnte. „Dem steht aber in der Regel das EU-rechtliche Prinzip der Globalzulassung entgegen, d.h. dass es für ein Arzneimittel nur eine Zulassung geben darf, die auf andere Indikation nur erweitert werden kann“, so der GKV-Spitzenverband. 

Wenn sich (privat versicherte) Patient:innen also aktuell über den gestiegenen Preis von Forxiga wundern, müsste man sie fast schon vorwarnen, dass der Preis bald weiter steigen könnte.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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