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10. Juni 2020
Diese Woche geht in die Annalen der deutschen Pharmazie ein! Wir Apothekers haben soeben erfahren dürfen, welche pharmazeutischen Dienstleistungen wir unseren Patientinnen und Patienten anbieten und zu Lasten der GKV abrechnen dürfen. Die Schiedsstelle, die letztlich darüber entschieden hat, hat ihren Schiedsspruch endlich verschriftlicht und veröffentlicht. Und damit ist eines der größten Geheimnisse der letzten Monate oder sogar Jahre gelüftet. Insgesamt verständigte man sich auf fünf Dienstleistungen, sozusagen die Big Five: die Medikationsanalyse bei Polymedikation (war zu erwarten) und die pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten und Patientinnen und Patienten mit oraler Antitumortherapie – drei relativ umfangreiche und komplexe Dienstleistungen. Und dann haben wir noch zwei einfachere, aber durchaus auch wichtige Dienstleistungen im Angebot, nämlich die Inhalator-Schulung und die Blutdruckmessung bei Hypertonikern. Und, mein liebes Tagebuch, wie isses? Wie fühlen wir uns als Apothekers mit diesen Dienstleistungen? High Five! Also, prima vista lässt sich sagen: Ist o.k., daraus ließe sich was machen. Wir Apothekers können diese Leistungen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, unseren Patientinnen und Patienten eigenständig anbieten, ohne eine ärztliche Verordnung. Die Bedingungen, zu denen diese Leistungen erbracht werden dürfen, scheinen angemessen zu sein. Auch die ABDA zeigt sich mit dem Ausgang des Schiedsspruchs zufrieden: „Mit dem Ergebnis des Schiedsverfahrens können wir alles in allem gut leben“, sagt die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einem Videostatement. Und Thomas Benkert, unser Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), weist darauf hin, dass die BAK bereits passende Hilfestellungen für Apothekenteams erarbeitet hat, wie diese Dienstleistungen zu erbringen sind, für einige sind auch spezielle Fortbildungen zu absolvieren. Na, kann dann kann’s wohl morgen losgehen? Von wegen! Obwohl eine Schiedsstelle entschieden hat, scheint der GKV-Spitzenverband nicht so recht zufrieden damit zu sein, es wird sogar gemunkelt, dass der Spitzenverband dagegen klagen könnte. Außerdem sind noch viele Fragen offen, z. B. wie dann die Abrechnung des Honorars abläuft. So fehlt z. B. noch die Sonder-PZN für die jeweiligen Dienstleistungen. Vermutlich, so hörte man, wird es wohl eine quartalsweise Abrechnung geben, die Sammelbelege aller im Quartal erbrachten Dienstleistungen würden dann beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) eingereicht werden. Und wenn das zur Verfügung stehende Geld, also die 150 Mio. Euro nicht ausreichen, wird wohl ein zweistufiges Vergütungsmodell kommen. In der ersten Stufe würden die Apotheken eine „gesicherten Honorarsumme“ ausgezahlt bekommen, 1000 Euro gibt’s garantiert, und für den Rest sind dann für die einfachen Dienstleistungen anteilige Kürzungen zu erwarten, während die komplexen Dienstleistungen in voller Höhe vergütet werden. Genaueres wird man also in den kommenden Wochen hören. Nun ja, mein liebes Tagebuch, sollten diese Dienstleistungen wirklich „ein Renner“ in unserem pharmazeutischen Alltag werden, von den Kassen gut akzeptiert und bei Patientinnen und Patienten freudig angenommen werden, dann sollte die Politik nicht umhin können, den Honorartopf zu vergrößern. Aber jetzt bin ich auf die Diskussionen rund um die Dienstleistungen gespannt, die sich in den kommenden Wochen ergeben werden – die einen, die darin den Einstieg in die Zukunft unserer heilberuflichen Pharmazie sehen, die anderen, die so gar nichts davon halten und nicht mitmachen wollen oder nicht können und alle Meinungsschattierungen dazwischen. Ich freu’ mich drauf.
Nicht nur die Dienstleistungen hat uns diese Woche gebracht, sondern auch die Zustimmung des Bundesrats zum Pflegebonusgesetz (der Bundestag hat bereits sein Plazet gegeben) und damit zum Vorhaben der Bundesregierung, die Grippeimpfungen in den Apotheken in die Regelversorgung zu überführen. Auch das ist ein historisches Novum für uns Apothekers: Wir dürfen unabhängig von irgendwelchen Modellprojekten gegen Grippe impfen! Wer sich entsprechend fortgebildet hat darf, keiner muss. Jetzt müssten wir nur noch wissen, welches Honorar uns die Kassen dafür überweisen. Das allerdngs könnte wiederum Probleme bereiten: GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband müssen sich binnen zweier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auf die Vergütung der Apotheken einigen. Schaffen sie das nicht, muss wieder (wir kennen das schon) die Schiedsstelle ran. Und die hat dann dieses Mal allerdings nicht ewig Zeit, sondern nur einen Monat, um das Impfhonorar festzulegen. Also, dann könnte es mit dem Start der apothekerlichen Grippeimpfungen für die kommende Saison durchaus etwas werden.
3 Kommentare
Strukturelle Widersprüche.
von Reinhard Rodiger am 12.06.2022 um 12:56 Uhr
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Widersprüchlich
von Karl Friedrich Müller am 12.06.2022 um 11:08 Uhr
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Strukturanalyse
von Dr.Diefenbach am 12.06.2022 um 9:18 Uhr
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