- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Kein Geheimnis: Lauterbach mag Apothekers nicht. Bisher bequemte er sich nicht, mit der ABDA zu sprechen. Ein Unding. Stattdessen will er bei Apotheken nach Effizienzreserven suchen, um die GKV zu entlasten. Er wird sie nicht finden, es gibt nämlich keine. Und es gibt auch keine Reserven bei Apotheken, die „entspart“ werden könnten. Er sollte lieber ein Sofortprogramm für Apotheken auf die Beine stellen, eine Art „Sondervermögen“ auflegen, und das Honorar erhöhen, um die deutschen Apotheken in der Inflation zu stützen. Und seine Bürgertestverordnung kann er vergessen: Die Regeln sind unüberprüfbar, die Ärzte spielen da nicht mit.
27. Juni 2020
Sie sind immer noch überaus begeistert von der Einführung des E-Rezepts: die „E-Rezept-Enthusiasten“. Das ist ein unlängst gegründeter neuer Verein, dessen Ziel es ist, der Einführung des elektronischen Rezepts Tempo zu verleihen. Zum Beispiel mit Anreizen, sprich Geldprämien. Wie immer, finanzielle Anreize sollen dem E-Rezept Beine machen. Der Verein nennt es Förderprogramm: Ärzte können eine 3000 Euro-Prämie, Apotheken eine 1500-Euro-Prämie erhalten. Warum da Ärzte das Doppelte der Apotheken-Prämie bekommen sollen, erschließt sich nicht. Vielleicht, weil sich Ärzte bisher standhaft weigerten, ihre Praxissysteme rasch auf Vordermann zu bringen, während die Apotheken dagegen gehorsam ihre Hausaufgaben gemacht haben? Nun ja, allzu viele können bei diesem Förderprogramm eh nicht mitmachen, der Fördertopf ist limitiert auf eine halbe Million Euro – für rund 130 Arzt- und Zahnarztpraxen und jeweils fünf Apotheken pro Bundesland. Wer mitmachen will, muss einen Antrag stellen und innerhalb eines festgelegten Zeitraums eine bestimmt Anzahl an „echten“ E-Rezepten ausgestellt bzw. abgerechnet haben. Apotheken müssen in diesem Zeitraum mindestens 100 E-Rezepte eingelöst haben. Im Hintergrund läuft eine wissenschaftliche Evaluation, durchgeführt an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden. Man möchte Daten und Erkenntnisse, was gut, was weniger gut läuft, um Defizite zu beheben. Das heißt, wer teilnimmt, muss auch noch ein paar Fragebögen ausfüllen, die Einblicke in die Strukturen, Prozesse und Ergebnisse rund um die elektronische Verordnung geben sollen. Mein liebes Tagebuch, es geht mir nicht aus dem Sinn: Warum die Apothekendaten nur die Hälfte wert sein sollen, entzieht sich meiner Vorstellung. Aus der Erfahrung ist doch bekannt, dass Apotheken solche Fragebögen wesentlich gewissenhafter ausfüllen… oder?
28. Juni 2020
Nein, nein, es ist nicht vom Tisch, das Lauterbachsche Spargesetz, mit dem er der GKV unter die Arme greifen will. Nachdem der allererste Rohentwurf viel Unsägliches für uns Apothekers enthielt und kurz nach dem Bekanntwerden in der Schublade verschwand, versucht der Bundesgesundheitsminister nun einen neuen Anlauf. Doch allzu viel kommt dabei noch nicht um die Ecke, es sind erst Eckpunkte einer Finanzreform. Grund für die Verzögerung sollen die Gespräche und die Abstimmung mit dem Finanzminister gewesen sein, der im Prinzip nichts ausgeben will, während der Gesundheitsminister keine Leistungen kürzen will. Mein liebes Tagebuch, das sind die Quadraturen der Kreise in der Politik, die immer auf Kompromisse und auf Geben und Nehmen hinauslaufen. Also, was lässt sich nun den Eckpunkten entnehmen? Der Steuerzuschuss für die GKV wird deutlich verkleinert auf 2 Mrd. Euro, der Bund soll ein Darlehen von 1 Mrd. Euro geben und der durchschnittliche Zusatzbeitrag für die Versicherten soll um 0,3 Prozentpunkte erhöht werden. Außerdem geht man an die Reserven der Krankenkassen ran, sie sollen entspart werden – „entsparen“, welch herrlicher Ausdruck, wenn man an die Rücklagen geht, oder? Ja, und dann bleibt noch ein Defizit von 3 Mrd. Euro, das gedeckt werden muss. Und dieses Geld will Lauterbach aus „Effizienzreserven“ heben. Darunter versteht er beispielsweise eine Einmalzahlung in Form eines Solidarbeitrags von 1 Mrd. Euro von der Pharmaindustrie. Mein liebes Tagebuch, man kann es praktisch als eine Art Bestrafung auffassen, weil sich die Umsätze vor allem der forschenden Hersteller so gut entwickelt haben. Bei den Ärztehonoraren gebe es dagegen keine Spielräume, da geht man nicht ran. Und was ist mit den Apotheken, bei denen im allerersten Entwurf eine Erhöhung des Kassenabschlags in Kombination mit einer Mehrwertsteuersenkung vorgesehen war? Auf Nachfrage erfuhr man, dass zwar die Mehrwertsteuersenkung vom Tisch sei. Aber man beschäftige sich auch hier mit „Effizienzreserven“. Mein liebes Tagebuch, das sollte Lauterbach mal lieber lassen. Effizienzreserven und Apotheken – das ist ein Wortpaar, das überhaupt nicht zusammengeht. Schon gar nicht in Zeiten der hohen Inflation. Effizienzreserven lassen sich in Apotheken beim besten Willen nicht finden – seit mehreren Jahren schließen rund 300 Apotheken, die keine Reserven gefunden haben. Und dieser Trend hält an. Also, Reserven gibt’s bei Apotheken nicht. Punkt.
29. Juni 2020
„Effizienzreserven“ – ein Wort, das zum Reizwort für uns Apothekers geworden ist. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will nach Effizienzreserven bei Apotheken suchen lassen. Für ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist die Sache klar: „Die Apotheken sind jetzt schon hoch effizient, da gibt es keine Effizienzreserven mehr“, erklärte sie in einer Stellungnahme und ergänzte: „An den Apotheken nun noch zusätzlich sparen zu wollen, ist dramatisch, es ist falsch und es ist unfair“. Die Apothekerschaft sei entsetzt, dass ausgerechnet sie herangezogen werden soll, um Finanzlöcher in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen. Sie stellte auch heraus, dass der Anteil der Apotheken an den Ausgaben der GKV in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken sei. Auch die Freie Apothekerschaft protestiert gegen die Lauterbachschen Pläne. Daniela Hänel, erste Vorsitzende dieses Verbands, weist in einem Schreiben an Lauterbach darauf hin, zunächst innerhalb der GKV nach Effizienzreserven zu suchen. Sie schlägt vor, die steigenden Kosten bei Verwaltung und Managergehälter inklusive Prämien, Werbeausgaben, Sponsoring von Sportgroßveranstaltungen auf den Prüfstand zu stellen. Mein liebes Tagebuch, gute Idee, dem ist nichts hinzuzufügen. Es ist einfach absurd, bei Apotheken nach Einsparmöglichkeiten zu suchen – Lauterbach sollte besser überlegen, wie er bei seinem Finanzminister eine längst überfällige Anpassung des Apothekenhonorars durchsetzen kann.
Das Corona-Virus freut sich, es wird in Zukunft wohl weniger häufig entdeckt werden. Die neue Testverordnung, die ab 30. Juni 2022 gilt, bietet Bürgertests zu neuen Bedingungen, die vermutlich nicht unbedingt die Testbereitschaft stärken. Mit der neuen Coronavirus-Testverordnung gibt es zwar noch Bürgertests, aber die Bürger müssen dafür bezahlen. Nur ein bestimmter Kreis von Anspruchsberechtigten bekommt sie noch gratis. Alle anderen müssen mindestens 3 Euro Eigenbeteiligung bezahlen, wenn sie zu einer bestimmten Personengruppe gehören. Änderungen gibt es auch für diejenigen, die testen: Sie werden in Zukunft weniger vergütet bekommen. Dafür steigt der Kontrollaufwand. So ist das, mein liebes Tagebuch. Ob sich unser Land damit einen guten Dienst erweist, an den Bürgertests zu sparen? Für Apotheken, die unter den neuen Bedingungen noch Tests anbieten wollen, wird der Kontrollaufwand steigen. Vor allem: Wie lässt sich kontrollieren, was eigentlich nicht wirklich kontrollierbar ist? Zum Beispiel hat man Anspruch auf einen 3 Euro-Test, wenn man zu einer Person ab 60 Jahren oder einer Person mit einer Vorerkrankung mit einem hohen Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, am selben Tag Kontakt haben wird. Oder wenn man auf eine private Familienfeier geht oder aufs Volksfest? Lässt sich das zweifelsfrei nachweisen? Ein Riesenaufwand für – nur noch 7 Euro für den Abstrich und 2,50 Euro fürs Material. Mein liebes Tagebuch, da muss man hochmotiviert sein, um hier mitzumachen.
30. Juni 2020
Lauterbach mag die Apothekers nicht. Steile These, aber nicht abwegig. Wie sonst kann man es sich erklären, dass der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nun schon mehr als ein halbes Jahr im Amt ist, aber noch keine Zeit gefunden hat, einen Gesprächstermin mit unserer Berufsvertretung wahrzunehmen – obwohl die ABDA schon mehrfach darum gebeten hat. Mag es daran liegen, dass Lauterbach so gar keinen Zugang zu den Apothekers hat? Was sich auch darin äußert, dass er sie eindeutig nicht zu den Leistungserbringern im Gesundheitswesen zählt? Leistungserbringer sind für den Arzt und Gesundheitsminister Lauterbach, ja, die Ärztinnen und Ärzte und die Kliniken. Und von ihnen erwartet er auch keinen Zuschuss für eine GKV-Finanzreform. Aber von den Apotheken, die er, laut ABDA-Präsidentin, eben nicht zu den Leistungserbringern rechnet. Mein liebes Tagebuch, was ist da in der Kommunikation falsch gelaufen, dass ein Bundesgesundheitsminister Apotheken so ins Abseits stellt? Versteht Lauterbach eigentlich die Arbeit und die Aufgaben der Apotheke? Weiß er, was dieser Sektor des Gesundheitswesen für die Gesundheitsversorgung leistet?
ARMIN war ein Hoffnungsträger für unsere Berufsvertretung, wenn es darum ging herauszufinden, wie Apotheken und Arztpraxen besser zusammenarbeiten und die Medikation der Patientinnen und Patienten gemeinsam besser zu managen können. Ins Leben gerufen unter dem ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt (es war eines seiner Herzensprojekte) startete die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, kurz ARMIN genannt, am 1. April 2014. ARMIN machte sich auf einen beschwerlichen Weg, acht Jahre lang. Manchmal mit kleinen Sprüngen, meist jedoch im Schneckentempo, immer wieder gab es Hürden zu überwinden – kein Wunder, wenn Ärzte und Apotheker, Krankenkassen, Bürokratie und Technik an so einem Projekt zusammenarbeiten. Am 30. Juni 2022 endete das Modellprojekt – im DAZ.online-Interview erzählt Apothekerin Dr. Uta Müller, die bei der ABDA die für ARMIN zuständige Abteilung für wissenschaftliche Entwicklung im Geschäftsbereich Arzneimittel leitet, was es bedeutet, so ein Modellprojekt aus der Taufe zu heben, ans Laufen zu bringen und letztlich die Evaluation zu begleiten. Die Auswertung der Ergebnisse sind in eine Publikation geflossen, die zur Veröffentlichung ansteht – dann darf auch die Öffentlichkeit wissen, was ARMIN letztlich gebracht hat. Mein liebes Tagebuch, mittlerweile haben wir dank Jens Spahn die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. War dann ARMIN für die Katz? Von wegen. Im Gegenteil, vermutlich könnten die pharmazeutischen Dienstleistungen wie beispielsweise die Medikationsanalyse und Betreuung besonderer Patientengruppen von den Ergebnissen aus ARMIN profitieren. Müller meint: „So umfassend wie in ARMIN wird es in der Fläche aber wohl nicht gehen, dafür ist das Prozedere zu aufwendig.“ Mein liebes Tagebuch, mausert sich ARMIN dann vielleicht zu einer Art Goldstandard, an dem sich die eine oder andere Dienstleistung orientieren könnte? Vielleicht lässt sich eines fernen oder nicht allzu fernen Tages bundesweit doch ein Medikationsmanagement etablieren, wenn die Öffentlichkeit, wenn die Politik, die Ärzte und die Krankenkassen mitspielen. ARMIN könnte zeigen, dass und was es den Patientinnen und Patienten gebracht hat. Das Medikationsmanagement als apothekerliches Angebot – es ist nach wie vor das Ziel der ABDA.
1. Juli 2020
Der nächste Herbst und Winter kommen bestimmt – und damit die nächste Coronawelle. Die Bundesregierung versucht sich darauf vorzubereiten. Ein neues Gesetz, das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor Covid-19“, kurz auch „Covid-19-Schutzgesetz“ ist in Vorbereitung. Wie aus der Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf hervorgeht, ist u. a. geplant, dass auch Apotheken weiterhin (vorerst dann bis 30. April 2023) gegen Covid-19 impfen dürfen. Während sich diese Regelung für Corona-Impfungen in Apotheken auch in einer bereits aktualisierten Fassung für den Kabinettsentwurf findet, ist die ursprünglich angedachte Verlängerung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung nicht mehr aufgeführt. Mein liebes Tagebuch, sollte diese Verordnung nicht mehr verlängert werden, würden den Apotheken einige erleichterte Abgaberegelungen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Immerhin, die Verlängerung der Corona-Impfungen in Apotheken ist richtig. Gut möglich, dass in der nächsten Herbst-Winter-Saison die Nachfrage nach Corona-Impfungen steigt. Für Apotheken, die dann gegen Grippe impfen, bietet es sich dann durchaus an, auch Corona-Impfungen anzubieten. Die ABDA hat bereits verlauten lassen, sie begrüße es, dass weiterhin in Apotheken gegen Corona geimpft werden kann. Und sie regt an, Impfungen gegen schwere Covid-19-Verläufe darüber hinaus generell zu etablieren. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig, das Corona-Virus wird nicht so schnell verschwinden, es sollten weiterhin Impfungen gegen Corona in Apotheken möglich sein – wie bei der Grippeschutzimpfung.
Zoff bahnt sich zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Bundesgesundheitsminister an. Lauterbachs neue Verordnung zu den Bürgertests kommt da gar nicht gut an. Im Gegensatz zu uns Apothekers, die die neue Verordnung kritisieren und ankündigen, dass viele Apotheken das Testangebot möglicherweise einstellen, wird die KBV noch deutlicher: In einem Brandbrief an Karl Lauterbach drohen die KBV-Chefs, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen sich nicht mehr in der Lage sehen, die Abrechnungen zu prüfen und Auszahlungen vorzunehmen. Als Grund führen sie den Wust an kleinteiligen und detaillierten Anspruchsvoraussetzungen an, ob eine Person berechtigt ist, einen kostenlosen Test zu bekommen oder nicht. Diese Vorgaben seien nicht überprüfbar. Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten vor dem Hintergrund der schon jetzt bestehenden Betrugsproblematik „Bürgertestungen zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen“. Aber genau dies ist laut Testverordnung die Aufgabe der KVen. Mein liebes Tagebuch, eine klare Ansage der KBV-Chefs, die den Kern der neuen Testverordnung trifft: Die kleinteiligen Vorschriften, die sich Lauterbach und sein Ministerium da ausgedacht haben, ob und wann und unter welchen Voraussetzungen die Bürger berechtigt sind, einen kostenlosen Schnelltest in Anspruch zu nehmen, sind dermaßen praxisfremd und unüberprüfbar, außerdem verleiten sie geradezu zum Betrug. Die KBV-Drohung sorgte für ein kleines Beben im Hause Lauterbach: Postwendend versuchte der Minister zu beschwichtigen, es gebe bereits Gespräche mit der KBV, die Tests müssten nicht gestoppt werden. „Wir werden in den nächsten Tagen zu guten Regelungen kommen“, sagte Lauterbach. Mein liebes Tagebuch, da sind wir gespannt, was er sich nun einfallen lässt.
6 Kommentare
"Effizienzreserven"
von Thomas Beck am 03.07.2022 um 19:30 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Bei den Tatsachen bleiben ...
von Reinhard Herzog am 03.07.2022 um 16:48 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
GKV hat kein Defizit
von Reinhard Rodiger am 03.07.2022 um 12:09 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Relevant? Nö !
von Ulrich Ströh am 03.07.2022 um 9:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Relevant? N
von Dr.Diefenbach am 03.07.2022 um 9:52 Uhr
.
von Beldowitz am 03.07.2022 um 9:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.