Pharmazeutische Dienstleistungen

Ärzte-Kritik im Faktencheck

Berlin - 06.07.2022, 17:50 Uhr

(Foto: Hafiez Razali / AdobeStock)

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Die verfasste Ärzteschaft läuft Sturm gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen. Was ist dran an den Behauptungen der Standesvertretungen zu Medikationsmanagement und Co.? Die DAZ hat sich die Schreiben genauer angeschaut. Ein kurzer Faktencheck.

Die Behauptung: „Nach einer Gesetzesänderung können Sie sich jetzt auch in Apotheken zu Ihrer medikamentösen Therapie beraten lassen.“ Patientenflyer des Hausärzteverbands Hessen

Fakt ist: Pharmazeutische Beratung gehört grundsätzlich zu den Aufgaben der Apotheken (§ 20 ApBetrO) und hat bereits vor Inkrafttreten des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes den Alltag in den Offizinen bestimmt. Neu sind die pharmazeutischen Dienstleistungen, darunter die Medikationsanalyse. Vorgesehen ist dabei eine vertiefende Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).

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Die Behauptung: „Die neuen Regelungen kosten nicht nur Ihre Krankenkassen 90 Euro, sie sorgen auch dafür, dass Apotheken sich in unsere fundierten ärztlichen Therapien einmischen – ohne vertiefende medizinische Kenntnisse und ohne ein entsprechendes Studium.“ Patientenflyer des Hausärzteverbands Hessen

Fakt ist: Die Apothekenbetriebsordnung besagt, dass die Information und Beratung der Patienten durch die Apotheke die ärztliche Therapie nicht beeinträchtigen darf (§ 20 Abs. 2 ApBetrO). Die Medikationsanalyse beinhaltet eine AMTS-Prüfung aus pharmazeutischer Sicht. Die medizinische Bewertung der Ergebnisse und mögliche Konsequenzen daraus obliegen dem Arzt. Die nötige pharmazeutische Kompetenz erwirbt der Apotheker im Pharmaziestudium. Ohne einen entsprechenden Studienabschluss ist es nicht erlaubt, eine Medikationsanalyse anzubieten – das bezieht sich auch auf das nicht approbierte pharmazeutische Personal in den Apotheken. Zudem ist eine spezielle Fortbildung für Apotheker Pflicht.

Die Behauptung: „Denn die Beratung umfasst lediglich in einer etwas erweiterten Form das, was die Apotheker heute schon leisten müssen und wofür sie bisher schon vergütet werden. Anders ausgedrückt: Man kann auf die Haltbarkeit eines Medikaments hinweisen oder sie ausführlich erläutern.“ Dr. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg

Fakt ist: Die pharmazeutischen Dienstleistungen gehen weit über die Beratung bei der Abgabe eines Arzneimittels hinaus. Das Vorgehen bei einer Medikationsanalyse Typ 2a (Brown-Bag-Review) hat die Bundesapothekerkammer detailliert in einer Leitlinie festgehalten. Sie umfasst unter anderem:

  • Strukturiertes Erstgespräch (vgl. BAK-Arbeitshilfe Gesprächsleitfaden)
  • Brown-Bag-Analyse
  • Weitere Datenerfassung (Patientenauskunft, Arztbriefe, aktuelle Rezepte etc.)
  • Pharmazeutische Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit
  • Erarbeiten von Lösungsvorschlägen zu identifizierten arzneimittelbezogenen Problemen (ABP)
  • Information des Arztes über relevante ABP (schriftlicher Bericht)
  • Erstellen eines Medikationsplans
  • Abschlussgespräch mit dem Patienten
  • Dokumentation

Die Behauptung: „90 Euro für die Eingabe von fünf Medikamenten in eine Datenbank und ein paar ausgedruckte Blätter sind eine Unverschämtheit gegenüber uns Vertragsärztinnen und -ärzten. Gleiches gilt auch für unsere psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die für das gleiche Geld 50 Minuten arbeiten müssen.“ Kassenärztliche Vereinigung Hessen

Fakt ist: Die Leistungsbeschreibung gemäß BAK-Leitfaden geht, wie bereits dargelegt, weit über die von der KVH genannten Tätigkeiten hinaus. Bei der Berechnung des Honorars soll sich die Schiedsstelle an der ärztlichen Vergütung orientiert und dann etwa 20 Prozent abgezogen haben. Nach DAZ-Information hat sie dabei Erfahrungswerte aus ATHINA berücksichtigt, wonach eine Medikationsanalyse im Median rund 90 Minuten beansprucht. Damit bleibt das Apothekenhonorar für die Dienstleistungen deutlich hinter dem der Ärzte und Psychotherapeuten zurück.

Die Behauptung: „90 Euro fürs Blutdruckmessen in der Apotheke ist ein Vielfaches, was ein niedergelassener Arzt im Quartal für die Behandlung seines Patienten erhält – egal, wie oft dieser den Patienten sieht.“ Dr. Steffen Grüner, zweiter Vorsitzender der IG Med

Fakt ist: Die standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck wird mit 11,20 Euro netto vergütet. Nach dreimaliger Messung wird ein Mittelwert gebildet. Liegt dieser oberhalb eines definierten Grenzwerts, muss die Apotheke an den Hausarzt verweisen. Ein Honorar von 90 Euro ist für komplexe Dienstleistungen wie der erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation (Medikationsanalyse) und die pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten vorgesehen.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Fake-News-Funktionäre

von Andreas P. Schenkel am 06.07.2022 um 20:45 Uhr

Vielen Dank, Frau Müller, für diese aufschlussreiche Zusammenstellung. Das bedeutet wohl, dass alle Ärzte-Funktionäre, deren Fake-News hier aufgeführt sind, entweder die Inhalte der Pharmazeutischen Dienstleistungen nicht gelesen, nicht gedanklich durchdrungen, überhaupt nicht mental erfasst, komplett nicht verstanden haben.... oder einfach schamlos lügen.

Egal woran es nun liegen mag, es erzeugt ein verheerendes Bild zumindest jener Organisationen, die sich an dieser erbärmlichen Kampagne mit unqualifizierter heißer Luft beteiligt haben. Und etliche der Ärzte, die vermeintlich von diesen Berufsvertretungen "vertreten" werden, erleben vermutlich Fremdschäm-Gefühle.

Peccavistis! Si tacuissetis!

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