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Original und Biosimilar: Das ist der Stand – noch

Stuttgart - 29.07.2022, 15:00 Uhr

Noch dürfen Apotheken Biologicals nicht einfach gegeneinander austauschen wie chemische Wirkstoffe. In welchem Umfang dies kommen wird, regelt derzeit der G-BA. (Foto: lorenzophotoprojects / AdobeStock)

Noch dürfen Apotheken Biologicals nicht einfach gegeneinander austauschen wie chemische Wirkstoffe. In welchem Umfang dies kommen wird, regelt derzeit der G-BA. (Foto: lorenzophotoprojects / AdobeStock)


Biologicals dürfen Apotheken derzeit nur unter besonderen Voraussetzungen austauschen. Politischer Wille ist es, dies zu ändern. Ab Mitte August sollte es (eigentlich) ernst werden. Was gilt derzeit und was könnte kommen?

„Sog. Biosimilars (‚ähnliche biologische Arzneimittel‘) sollen schneller in die Versorgung kommen“, schrieb das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am 15. August 2019. Erreichen wollte das BMG dies durch das GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung), indem Apotheker biologische Arzneimittel automatisch substituieren dürfen – was bislang nicht erlaubt ist. „Der G-BA regelt mit Vorlaufzeit von 3 Jahren die Details für den Austausch auf Apothekerebene“, erklärte das BMG damals weiter. Diese drei Jahre sind nun bald um. Allerdings hat sich der Zeitplan jüngst geändert: Einem am 27. Juli 2022 vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zufolge soll der G-BA ein Jahr länger Zeit bekommen, um die Kriterien für einen Austausch festzulegen. Wie läuft es derzeit in Apotheken und worauf könnten Apotheker bei Biosimilars in naher oder fernerer Zukunft achten müssen?


„Der Gemeinsame Bundesausschuss gibt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 für die ärztliche Verordnung Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit. Die Hinweise sind erstmals bis zum 16.  August 2020 zu bestimmen. Spätestens bis zum 16. August 2022 gibt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ebenfalls Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch Apotheken. […]“

§ 129 Abs 1a SGB V 


So läuft es derzeit (noch)

Bei gesetzlich vorgegebenen namentlichen Verordnungen von biologischen Arzneimitteln dürfen Apotheken bislang keine anderen Präparate abgeben. Eine automatische Substitution, wie man sie von chemischen Arzneimitteln kennt – Austausch von Originalen gegen Generika oder Generika untereinander –, ist bislang nicht erlaubt. Grund ist, dass Biosimilars keine „einfachen“ Generika sind, denn: Anders als bei chemischen Arzneimitteln sind Biosimilars untereinander nicht identisch (Ausnahme sind Bioidenticals), sondern lediglich ähnlich (similar).

Für Apotheker:innen bedeutet das bislang: Sie geben (in der Regel) das Biopharmazeutikum ab, das die Ärztin oder der Arzt verordnet. Die einzige Austauschmöglichkeit besteht derzeit bei Bioidenticals, also biopharmazeutischen Nachahmerpräparaten, die aus derselben Produktionsstätte stammen und damit identisch und substituierbar sind.

Welche biotechnologisch hergestellten Arzneimittel als wirkstoffgleich gelten und im Sinne von „Aut-idem“ gegeneinander substituierbar sind, listet Anlage 1 zum Rahmenvertrag auf, geregelt ist dies in § 9 Abs. 3 des Rahmenvertrags: „Wirkstoffgleich sind auch biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sofern diese auf das jeweilige Referenzarzneimittel Bezug nehmend zugelassen sind und sich in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden; die Verpflichtung der Apotheke zur Berücksichtigung dieser Arzneimittel bei der Auswahl besteht für in Anlage 1 in der jeweils gültigen Fassung als untereinander wirkstoffgleich aufgeführte Arzneimittel.“

Achtung unklare Verordnung 

Aktuell ist es demnach so, dass – wenn Biosimilars und Referenzprodukte auf dem Markt sind – eine reine Wirkstoffverordnung als unklare Verordnung zählt (höchstens es existieren lediglich Bioidenticals). „Damit die Apotheke die richtige Abgabeentscheidung treffen kann, muss der Arzt eindeutig ein bestimmtes Präparat verordnen“, schreibt das DeutscheApothekenPortal (DAP) dazu. Sonst drohen Retaxationen.

Besonderheit: Originale und Importe bei Biologicals

Eine Besonderheit bei Biologika stellt auch der Importmarkt dar: Biologicals zählen nicht zum importrelevanten Markt, dennoch muss bei Original- und Importverordnungen auf mögliche Rabattverträge geachtet werden, und auch hier schützt ein „Aut-idem“-Ausschluss nicht vor dem Austausch. Eine Ausnahme von dieser Regelung haben die Ersatzkassen für sich getroffen, dem DAP zufolge verhindert § 5 Abs. 9 vdek-AVV das Aut-idem-Kreuz in Kombination mit einem ärztlichen Vermerk den Austausch zwischen Original und Import. Existieren keine Rabattverträge zur Originalen und Importen, dürfen Apotheken auch kein Präparat abgeben, das teurer als das ärztlich verordnete ist, das heißt: Der Preisanker gilt.


„Gemäß § 129 Absatz 1 Satz 10 SGB V sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und antineoplastische Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ab dem Tag der Verkündung des ‚Gesetzes zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und zu weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch‘ nicht Gegenstand des importrelevanten Marktes. […]“

§ 13 Abs. 1 Satz 2 Rahmenvertrag 


Die große Frage: Wie wird es künftig sein?

Künftig soll eine automatische Substitution nicht nur bei Bioidenticals greifen, sondern bei anderen Biosimilars ebenfalls. Was exakt jedoch auf Apotheken, Ärzt:innen und Patient:innen zukommt – genaues wird man wohl erst wissen, wenn der G-BA seine Kriterien zur Regelung bekannt gibt. Auch, ob der Austausch lediglich Original gegen Biosimilar oder auch Biosimilars untereinander vorsieht oder nur bestimmte Biosimilar-Wirkstoffe unter die geplante neue Regelung fallen. 

Der G-BA erklärt dazu gegenüber der DAZ: „Der Gesetzgeber hatte mit dem GSAV klargestellt, dass sich die Austauschfähigkeit wirkstoffgleicher Arzneimittel grundsätzlich auch auf Biosimilars erstreckt. Das heißt, die automatische Substitution von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln in der Apotheke ist – ähnlich den Vorschriften für den Austausch bei Generika – vorgesehen. Voraussetzung ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss vorab eine Austauschbarkeit in Bezug auf ein biologisches Referenzarzneimittel (Biologika) festgestellt hat“. 

Für Ärztinnen und Ärzte hat der G-BA das per Beschluss bereits 2020 getan und teilte damals mit: „Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Donnerstag in Berlin Regelungen beschlossen, die bei der Verordnung von Referenzarzneimitteln (Biologika) und ihren jeweiligen Nachahmerpräparaten (Biosimilars) zu beachten sind. In einem zweiten Schritt wird der G-BA zum Austausch von ärztlich verordneten Biologika in Apotheken beschließen.“ Damit dürfte tatsächlich der Austausch – früher oder später – auch für Biosimilars untereinander gelten.

Was aber mittlerweile bekannt wurde, ist, dass der G-BA beim Austausch von Biosimilars zunächst nur parenterale Fertigarzneimittel berücksichtigt, die der Arzt beziehungsweise die Ärztin direkt am Patienten anwendet. Arzneimittel zur Selbstapplikation durch die Patienten bleiben somit zumindest im ersten Schritt außen vor.

Einsparpotenzial vs. Liefersicherheit?

Problematisch an diesem Vorhaben sehen Ärzt:innen, Apotheker:innen und Pharmaindustrie vor allem – neben der erschwerten Nachverfolgbarkeit der Chargen bei möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen – dass Produktionskapazitäten aus Deutschland oder Europa in andere Länder abwandern und eine Hersteller-Monopolisierung, wie teils im generischen Markt, droht. Aktuell wird über die Hälfte (56 Prozent) der in Deutschland auf dem Markt befindlichen Biosimilars in Europa produziert.

Stellungnahmen zur Änderung der Arzneimittel-Richtline

Hersteller lehnen Biosimilar-Austauschpflicht in Apotheken ab

Hemmung von proinflammatorischen Zytokinen durch Biologicals

Entzündungsmediatoren abfangen

Produktionsorte und die Anforderungen an die Kontrolle

Wer sich auf die Herstellung von Biosimilars spezialisiert hat

Die Krankenkassen sehen hingegen enormes Einsparpotenzial: „Wäre im Jahr 2019 konsequent das günstigste Präparat des biosimilarfähigen Marktes verordnet worden, hätten bis zu 792 Mio. € für die GKV eingespart werden können“, erklärt die AOK in ihrem GKV-Arzneimittelbericht 2020. Dass Biosimilars bereits jetzt einen relevanten Marktanteil bei Biologika einnehmen, zeigt der vfa-Biotechreport 2021: 2020 überstieg der Biosimilar-Umsatz erstmals den der Originalpräparate und lag mit 52 Prozent über der Hälfte des Gesamtumsatzes (2,5 Milliarden Euro). Auch durchdringen Biosimilars nach Einführung relativ rasch den deutschen Markt: Sie erreichen dem vfa zufolge „im ersten Jahr nach ihrer Einführung Marktanteile von in der Regel bis zu 60 %“.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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