Hoffnungsträger krankheitsmodifizierende Arzneimittel?
Die am weitesten verbreitete Hypothese zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit geht von der vermehrten Entstehung und Ablagerung von beta-Amyloid aus. Ein Ungleichgewicht zwischen Produktion, Abbau und Abtransport des Eiweißstoffes führt zur Bildung kleiner Amyloid-Komplexe, die Neuronen und Synapsen schädigen. Aus den kleinen Komplexen entstehen größere Plaques. In den durch Amyloid geschädigten Nervenzellen ballt sich Tau-Protein zu den charakteristischen Neurofibrillenbündeln zusammen, die den Nervenstoffwechsel stören und Neuronen und Synapsen untergehen lassen. Diese neuropathologische Progression müssen krankheitsmodifizierende Arzneimittel unterbrechen.
Pharmakologische Strategien versuchen, die Zusammenlagerung von Tau-Protein zu verhindern oder rückgängig zu machen, oder die entstandenen Amyloid-Ablagerungen aufzulösen und abzutransportieren. Ein Ansatz, die körpereigene Abwehr gegen Amyloid in Stellung zu bringen, ist die Verabreichung synthetischer Amyloid-Bruchstücke, welche die Bildung spezifischer Antikörper im Gehirn anregen soll (aktive Immunisierung). Ein anderer Ansatz ist die passive Immunisierung mit Antikörpern, die Amyloid erkennen. Dieses Prinzip wird mit dem Antikörper Aducanumab verfolgt, der seine Wirksamkeit bei Patienten in frühen Stadien, die der Demenz vorausgehen, gezeigt hat. Wegen ungewisser Erfolgsaussichten hatte der Hersteller Biogen im Herbst 2019 das klinische Studienprogramm zunächst ausgesetzt, dann wieder aufgenommen. Der eher geringe Nutzen von Aducanumab in Zusammenhang mit Nebenwirkungen wurde nach wie vor kritisch gesehen.
In den USA erfolgte 2021 dann aber trotzdem die Zulassung. Aducanumab ist das erste zugelassene Alzheimer-Arzneimittel mit einem kausalen Ansatz. Außerdem ist es seit 2003 das erste neue Alzheimer-Mittel in der westlichen Welt. 2019 wurde in China der Wirkstoff Oligomannat zugelassen. Das Polysaccharid stammt aus Braunalgen und soll über das Darm-Mikrobiom die systemische- und Neuroinflammation günstig beeinflussen.
Nachdem die US-Krankenversicherung Medicare verkündet hatte, die Kostenerstattung für den Antikörper Aducanumab stark einzuschränken, gab Biogen im Mai 2022 bekannt, die Vermarktung des Alzheimer-Mittels nahezu komplett einzustellen und nur noch minimale Ressourcen bereitzustellen, unter anderem für die Fortsetzung der EMBARK-Studie zur Dosierung und die Phase-IV-Post-Marketing-Studie.
In Europa kam es im Dezember 2021 hingegen nicht einmal zu einer Zulassungsempfehlung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP der Europäischen Arzneimittelagentur. Mittlerweile hat der Hersteller den Zulassungsantrag trotz erneutem Begutachtungsprozess zurückgezogen.
1 Kommentar
u.a. Alzheimer / Demenz/ S3 Leitlinien "Demenzen"
von Hans Gerhard Christoph am 21.09.2022 um 19:40 Uhr
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