Diethylenglykol und Ethylenglykol sind giftig. Neben Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Harnverhalt, Kopfschmerzen, verändertem Geisteszustand kann es zu akuten Nierenschäden kommen, die zum Tod führen können. Vor allem für Kinder sind diese Lösemittel gefährlich bis tödlich.
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Diethylenglykol hat schon viele Menschen getötet
WHO: 66 Kinder sterben wegen verunreinigten Erkältungssäften – was steckt dahinter?
Es ist eine Nachricht, die schockiert. In Gambia sollen 66 Kinder gestorben sein – und das nur, weil sie Erkältungssäfte für Kinder verabreicht bekommen haben. Die vier betroffenen Präparate enthalten verschiedene Wirkstoffe, sollen aber alle mit Diethylenglykol und Ethylenglykol verunreinigt sein. Obwohl Diethylenglykol bereits 1937 die „Sulfanilamidkatastrophe“ verursachte, hat es seitdem – als Verunreinigung in Arzneimitteln – immer wieder Menschen um ihr Leben gebracht.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt derzeit vor dem Vertrieb und der Einnahme von vier Arzneimittelsäften für Kinder, die im afrikanischen Gambia zu 66 Todesfällen geführt haben sollen. Die Namen der Präparate lauten:
- „Promethazine Oral Solution“ (angegebene Wirkstoffe: Promethazin)
- „Kofexmalin Baby Cough Syrup“ (angegebene Wirkstoffe: Pheniraminmaleat, Ammoniumchlorid, Menthol)
- „Makoff Baby Cough Syrup“ (angegebene Wirkstoffe: Chlorphenaminmaleat, Phenylephrin HBr, Dextromethorphan-Sirup)
- „Magrip N Cold Syrup“ (angegebene Wirkstoffe: Paracetamol, Phenylephrin HCl, Chlorphenaminmaleat)
Für alle wird als Hersteller die Firma „Maiden Pharmaceuticals Limited“ angegeben – aus Haryana, in Indien. Die Aufmachung der Verpackungen ist in Englisch.
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Wie die WHO am 5. Oktober erklärte, hat der Hersteller der WHO bislang keine Garantie für die Sicherheit und Qualität dieser Präparate gegeben. Kritisch ist dabei nicht etwa die deklarierte Zusammensetzung der Arzneimittel-Säfte – vielmehr hätten Laboranalysen ergeben, dass die Präparate inakzeptable Mengen an Diethylenglykol und Ethylenglykol als Verunreinigung enthalten. Die WHO befürchtet nun, dass die Präparate über inoffizielle Wege auch außerhalb Gambias vertrieben worden sein könnten.
Den meisten Menschen ist Ethylenglykol wahrscheinlich als Bestandteil von Frostschutzmitteln ein Begriff – abgefüllt in falsche Gefäße kann es auch hier durch Verwechslungen zu Vergiftungen kommen. Bereits 60 ml Ethylenglykol können tödlich sein. Ethylenglykol erzeugt im Mund ein Wärmegefühl. Fomepizol kann in solchen Vergiftungsfällen als Antidot infundiert werden. Es liegen laut Fachinformation jedoch keine Daten über die pharmakokinetischen Eigenschaften von Fomepizol bei Kindern vor. Klinische Erfahrungen seien nur begrenzt und basierten auf ähnlichen, gewichtsabhängigen Dosierungen.
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Ein Glykol – allerdings Propylenglykol – ist auch in deutschen Arzneimitteln für Kinder enthalten, z. B. in „BEN-U-RON direkt 250 mg Granulat Erdbeer/Vanille“. „Kinderformularium.DE“ listet den Stoff in der Kategorie der problematischen Hilfsstoffe: Propylenglykol werde zwar als Hilfsstoff mit geringer Toxizität betrachtet. Jedoch enthielten viele Arzneimittel Propylenglykol – teils auch in großen Mengen – sodass die Toxizitätsgrenze doch bereits bei der Verabreichung von Normdosierungen solcher Präparate überschritten werden könne. Vor allem bei Kleinkindern und Patienten mit herabgesetzter Nierenfunktion sei das Risiko einer Intoxikation erhöht. Kinder unter vier Jahren verfügten über einen limitierten Metabolismus sowie eine niedrigere renale Clearance. Eine Kumulation sei gerade in Kombination mit Nieren- oder Leberversagen oder kompetitiver Enzymhemmung, z. B. durch Ethanol, möglich. In der Packungsbeilage muss deshalb ab 1 mg/kg/Tag auf den Propylenglykolgehalt hingewiesen werden. Entsprechende Hinweise finden sich beispielsweise in der Fachinformation zu „Ambroxol-ratiopharm Hustensaft“.
Diethylenglykol als Verunreinigung in Arzneimitteln – leider nichts Neues
Doch zurück zum aktuellen Fall, bei dem es um Verunreinigungen und nicht um das Überschreiten erlaubter Mengen eines erlaubten Hilfsstoffes geht: Dass Diethylenglykol als Verunreinigung in Arzneimitteln vorkommt – mit tragischen Folgen – ist leider nicht neu. Manchem dürfte die historische „Sulfanilamidkatastrophe“ aus den USA ein Begriff sein. Denn, obwohl es in den USA bereits seit 1848 staatliche Bestimmungen für die Qualität von Arzneimitteln gab, schenkte man den darin enthaltenen Hilfsstoffen noch keine weitere Beachtung. 1937 starben jedoch über 100 Menschen (darunter 34 Kinder), weil Diethylenglykol zur Herstellung von Sulfonamid-Präparaten verwendet worden war. Die Ursache der Todesfälle erkannte man zunächst gar nicht. 1938 wurden schließlich die Regelungen zur Arzneimittelsicherheit überarbeitet. Vor allem in gefälschten Arzneimitteln war Diethylenglykol danach dennoch immer wieder ein Thema.
1995 sollen beispielsweise in Haiti 89 Menschen nach der Einnahme eines diethylenglykolhaltigen Paracetamol-Saftes gestorben sein, 1998 30 Kinder in Indien. 2006 sollen in Panama aufgrund von Diethylenglykol über 100 Menschen nach der Einnahme eines Hustensaftes gestorben sein. 2007 wurde vor gefälschter Zahnpasta aus China gewarnt – auch hier war Diethylenglykol das Problem. Insgesamt 20 Marken waren betroffen.
Wie seriös ist der Hersteller „Maiden Pharma“?
Ein Artikel der indischen Nachrichtenseite „The Wire“ legt nun nahe, dass der im aktuellen Fall genannte Hersteller „Maiden Pharma“ zumindest nicht gerade seriös mit dem Fall umgeht. So soll er auf seiner Webseite die Falschangabe gemacht haben, von der WHO GMP-zertifiziert zu sein, die Webseite ist aktuell jedoch nicht mehr erreichbar. Die WHO soll „The Wire“ mitgeteilt haben, dass dieser Hersteller weder von der WHO inspiziert wurde noch, dass sie irgendeines seiner Produkte in irgendeiner Weise bewertet habe.
Die WHO soll der Nachrichtenseite außerdem gesagt haben, dass über 70 Prozent der verstorbenen Kinder in Gambia jünger als zwei Jahre waren. Von 78 Kindern mit Nierenschaden sollen 66 gestorben sein. Die WHO habe zudem klargestellt, dass die vier betroffenen Arzneimittel direkt von gambischen Behörden beschafft worden seien – die WHO sei daran nicht beteiligt gewesen.
Die betroffenen Präparate sollen nur für den Markt in Gambia bestimmt gewesen sein, nicht für Indien selbst. Dennoch sollen auch Indien in einem ähnlichen Fall dieses Jahr 13 Kinder gestorben sein, erläutert „The Wire“. Die Behörden müssen nun die Hintergründe aufklären.
2 Kommentare
Spitze des Eisbergs
von Inge Deufert am 08.10.2022 um 12:22 Uhr
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Warum wundern
von ratatosk am 08.10.2022 um 8:18 Uhr
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