Umfrage des Apothekerverbands Schleswig-Holstein

26 Prozent der Apotheker fürchten um Fortbestand ihres Betriebs

Kiel - 27.10.2022, 09:15 Uhr

Streik der Apotheken am Mittwoch in der vergangenen Woche: Schätzungsweise 90 Prozent der Betriebe beteiligten sich im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Brandenburg und in Hamburg an der Protestaktion. (Foto: IMAGO / Nikita)

Streik der Apotheken am Mittwoch in der vergangenen Woche: Schätzungsweise 90 Prozent der Betriebe beteiligten sich im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Brandenburg und in Hamburg an der Protestaktion. (Foto: IMAGO / Nikita)


Die Beteiligung des Apothekerverbands Schleswig-Holstein am Apothekenstreik in der vorigen Woche hatte eine Vorgeschichte. In einer Umfrage hatte der Verband die Streikbereitschaft seiner Mitglieder und ihre Zukunftseinschätzungen abgefragt. In 26 Prozent der Fälle äußerten die Mitglieder Bedenken, ihre Apotheke mittelfristig weiter betreiben zu können, wenn der Apothekenabschlag erhöht wird und die Kosten wie zuletzt weiter steigen.

In der vergangenen Woche streikten die Apotheken in vier Bundesländern – darunter Schleswig-Holstein. Über die Hintergründe sprach die DAZ mit Hans-Günter Lund, dem Vorsitzenden des Apothekerverbands Schleswig-Holstein (AVSH). Er berichtet, dass bei der Entscheidung für den Streik das Ergebnis einer Mitgliederbefragung des Verbands wesentlich gewesen sei. Daran habe knapp die Hälfte der Verbandsmitglieder teilgenommen. Davon erklärten 87 Prozent ihre Bereitschaft zu einem Streik.

Mehr zum Thema

In den weiteren Fragen ging es darum, wie die Mitglieder die wirtschaftliche Lage ihrer Apotheke einschätzen. Der Verband fragte, ob Bedenken bestehen, die Apotheke mittelfristig weiter betreiben zu können, weil sich dies nicht mehr rechne. Dabei wurden zwei Szenarien unterschieden. Für das Szenario mit einer Erhöhung des Apothekenabschlags ohne Kompensation und bei Anhalten der derzeitigen Kostensteigerungen äußerten 26 Prozent der antwortenden Mitglieder solche Bedenken. Für das Szenario, in dem zusätzlich der variable Vergütungsanteil (also der dreiprozentige Aufschlag bei Rx-Arzneimitteln) gekappt wird, sehen sogar 56 Prozent solche Bedenken. Außerdem fragte der Verband, ob pharmazeutische Dienstleistungen zur Kompensation der erwarteten Rohertragsverluste geeignet sind. In 99 Prozent der Antworten verneinten die Mitglieder diesen Zusammenhang.

Die auslaufenden Corona-Sondermaßnahmen und die drastischen Kostensteigerungen der jüngsten Zeit werden in einer solchen vorausblickenden Einschätzung viel besser dargestellt als in Analysen, die sich auf Wirtschaftsdaten der Vergangenheit stützen. Darum zeigen die Ergebnisse einer solchen Umfrage, wie groß die Herausforderung ist.

Lund zieht positive Streikbilanz

Nach dem Streik gab sich Lund zuversichtlich für künftige Auseinandersetzungen um eine bessere Apothekenvergütung. Nach seiner Einschätzung habe der Streik gezeigt, dass es so möglich ist, ins Gespräch zu kommen. „Die Resonanz hat uns bestärkt“, erklärte Lund und bezog dies sowohl auf die hohe Teilnahmebereitschaft der Mitglieder als auch auf die Reaktionen auf den Streik.

„Wir müssen den Menschen vor Ort klarmachen, wie wichtig die Apotheken sind“, fordert Hans-Günter Lund, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein. (Foto: privat)

Lund forderte alle Apothekerinnen und Apotheker auf, sich jetzt einzubringen, Kontakte zu Lokalpolitikern aufzubauen und bei jeder Gelegenheit die Zusammenhänge zu erklären. Einen aussichtsreichen Ansatzpunkt für die künftige Apothekenhonorierung sieht Lund darin, eine Vergütungsstruktur für die vielen unentgeltlichen Leistungen der Apotheken zu schaffen. Außerdem sei der zunehmende Anteil der Hochpreiser als Folge der weiteren Ambulantisierung der Behandlungen problematisch. Denn für viele Apotheken bedeute das eine erhebliche Belastung der Liquidität. Hinzu komme das Damokles-Schwert einer möglichen Retaxation. Das alles müsse im Honorar abgebildet werden, forderte Lund und folgerte: „Es gibt viel zu tun. Wir sind dran.“ Mehr dazu finden Sie in der aktuellen Ausgabe der DAZ.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Wie geht es nach der Protestaktion in den Apotheken weiter? Ein Gespräch mit Hans-Günter Lund

Der Streik war erst der Anfang

Apothekerverband Schleswig-Holstein sieht großen Handlungsbedarf

Strukturreform 2023 erfordert nächste Eskalationsstufe der Apotheken

Resonanz zum Apothekenstreik

„Großartig, was da passiert ist“

Unterschriftenaktion und Honorarforderung der Apothekerverbände Schleswig-Holstein und Hamburg

Mindestens zehn Prozent mehr Honorar

Overwiening beim Apothekerverband Schleswig-Holstein

Mutrede der ABDA-Präsidentin

4 Kommentare

Unplanmäßig

von Dr. House am 29.10.2022 um 18:03 Uhr

Das dürfte Lauterbach Kopfschmerzen bereiten. Nur 26%. Das heißt gut 13300 Apotheken machen weiter. Er hat nicht mit unserer Selbstgeißelungsbereitschaft gerechnet. Daher ist auch die nächste Honorasenkung gewiss, so gewiss wir unser Klatschen auf den nächsten Apothekertagen, wenn ein Gesundheitsminister es mal wieder schafft unsere gute geleistete Arbeit mit wohlklingenden Worten zu belohnen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mitgliederbefragung

von Daniela Hänel am 27.10.2022 um 23:30 Uhr

Das hätte ich mir von meinem Verband und Kammer ebenso gewünscht. Eine Befragung der Mitgliedschaft zur Einschätzung der eigenen aktuellen wirtschaftlichen Situation, Personalmangel und Streikbereitschaft.

Ich möchte nicht mehr Notdienste machen müssen, weil weitere Apotheken im Dienstkreis geschlossen werden.
Ich möchte nicht mehr Geld an die Krankenkassen bezahlen müssen, ohne Gegenleistung.
Ich möchte nicht noch mehr arbeiten müssen, um die Effizienzressourcen zu finanzieren. Der Tag hat nur 24 Stunden!
Ich möchte für meine komplette geleistete Arbeit entlohnt werden. Ich möchte davon meine Mitarbeiter entsprechend gut bezahlen können sowie die laufenden Kosten des Unternehmens.

„Nicht honorierte Dienstleistungen“ machen nicht satt, und davon kann man nicht (über-)leben!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 27.10.2022 um 10:17 Uhr

Wir sollten mal nicht vergessen, dass es der DAV und seine Landesverbände waren, die uns in diese Situation gebracht haben. Da verhandeln Hobby Apotheker ohne jegliche Verhandlungskenntnisse Verträge aus und schauen dann blöd aus der Wäsche, wenn es immer enger für uns wird. Das Schlimme ist doch, dass genau diese Leute aber glauben die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben. Und wenn Sie zum 20en mal gegen die Wand gelaufen sind, dann glauben sie immer noch alles richtig gemacht zu haben und faseln jetzt was von Impfen und PdL. Mit diesen Amateuren wird das nichts! Die sollen bei der nächsten Verbandssitzung lieber ihre Häppchen und Schnittchen essen und zum Verhandeln endlich Profis ranlassen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: .

von Linda F. am 27.10.2022 um 15:06 Uhr

Volle Zustimmung! Unsere Standesvertretung hat sich komplett verrannt und von Krankenkassen und Politik über den Tisch ziehen lassen.
Wir brauchen bspw. anstatt ertragstechnisch sinnloser pDL dringend eine Erhöhung der Basisvergütung (Packungspauschale auf 10 Euro und Anhebung der variablen Vergütung auf 5% für Retaxrisiken etc., die insbesondere bei Hochpreisern zum Tragen kommen).

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.