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Vertreterversammlung der AKNR
„Dienstleistungen sind noch kein Erfolgsmodell“
Mit Licht und Schatten mussten sich die Delegierten der Apothekerkammer Nordrhein am gestrigen Mittwoch in Neuss auseinandersetzen. Einerseits haben die Apotheken große Bedeutung für die Impfkampagnen im Land erlangt. Andererseits sehen sie sich einem grundlegenden und folgenreichen Strukturwandel ausgesetzt. Die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen hält Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann für noch kein Erfolgsmodell.
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hatte sich während der Corona-Pandemie für einen Sonderweg entschieden: Unter strengen Hygienebedingungen hielt sie ihre Vertreterversammlungen stets in Präsenz ab. Es fanden keine Verschiebungen oder Absagen statt, und auch gegen eine hybride Sitzung der Delegierten sprachen sich die Verantwortlichen stets aus.
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Bei der gestrigen achten Sitzung der 17. Kammerversammlung unter Leitung von Präsident Dr. Armin Hoffmann trafen sich Nordrheins Apothekerinnen und Apotheker in Neuss. In den Vorträgen, Diskussionen und Ehrungen spiegelte sich erwartungsgemäß das aktuelle Branchenklima wider. So hat der Berufsstand inzwischen große Bedeutung im Hinblick auf die Impfkampagnen im Land erlangt. Das Engagement der rund 3000 Apothekerinnen, Apotheker, PTA und Pharmazeuten im Praktikum in den COVID-19-Impfzentren zeichnete die Kammer vor genau einem Jahr mit der neuen Ehrennadel in Bronze aus. Als Premiere bezeichnete die AKNR dieses Ereignis damals.
Auch gestern in Neuss gab es bemerkenswerte Ehrungen. Erstmalig erhielten eine Ärztin und ein Arzt die Silberne Ehrennadel für „besondere pharmazeutische Verdienste“. Dr. Claudia Kaufhold und Dr. Thomas Menn hatten die Schulungen tausender Apothekerinnen und Apotheker für Impfungen übernommen – sowohl beim Modellvorhaben Grippe-Impfungen als auch für die inzwischen in Apotheken durchgeführten COVID-19-Impfungen. Dass sich überhaupt Ärzte für die obligatorischen Schulungen der Apotheker finden ließen, war für die Kammer alles andere als selbstverständlich gewesen. „Impfende Apotheker – für manche in der verfassten Ärzteschaft ein No-Go, um es vorsichtig auszudrücken. Bei manchen Referenten war in Vorgesprächen eine gewisse Sorge zu spüren, welche Wellen eine Schulungstätigkeit für Apotheker schlagen könnte“, erklärte AKNR-Präsident Hoffmann dazu.
In ihren Dankesworten betonten Kaufhold und Menn die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit, gerade bei Impfungen. Selten habe sie so motivierte Kolleginnen und Kollegen erlebt, sagte Kaufhold. Impfen sei eine sehr sinnvolle Tätigkeit und daher sei es wichtig, sie auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch Menn hält die Kooperation von Ärzten und Apothekern für sehr wichtig: „Medizin ist keine Naturwissenschaft“, betonte er und ergänzte mit Blick auf das Beispiel Australien: „Wir sind gemeinsam heilberuflich tätig, das ist gut so und in anderen Ländern Alltag.“ Während der 112 Seminare für die Apothekerinnen und Apotheker in Nordrhein seien ihm Fragen gestellt worden, „die man sonst nicht oft hört“. Etwa die nach der sinnvollen Länge einer Kanüle, wenn es um die Impfung in sehr voluminöse Oberarme geht, erzählte er schmunzelnd.
Der betriebswirtschaftliche Blick unter die „Corona-Decke“
Doch in der Vertreterversammlung musste auch auf die Schattenseiten der aktuellen Situation für den Berufsstand und die Apotheken geblickt werden. In einem Impulsvortrag stellte Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, die aktuelle Branchenentwicklung vor. Diener betont seit geraumer Zeit, dass man unbedingt unter die „Corona-Decke“ blicken müsse. Damit meint er, dass die betriebswirtschaftlichen Zahlen der Apotheken nach Abzug der pandemiebedingten Sondereffekte alles andere als rosig aussehen. Während im ersten Halbjahr 2021 83 Prozent der Betriebe noch ein Umsatzplus verzeichneten, sind es ein Jahr später nur noch 56 Prozent. In einer durchschnittlichen Apotheke in Deutschland registrierte die Treuhand in diesem Zeitraum einen sinkenden Umsatz mit OTC-Präparaten (406.000 auf 354.000 Euro), einen sinkenden Rohertrag (373.000 auf 338.000 Euro) sowie ein geringeres Betriebsergebnis vor Steuern (74.0000 statt 119.000 Euro). Einzig der Umsatz mit Arzneimitteln zulasten der GKV (1,134 Mio. auf 1,217 Mio. Euro) sowie die Kosten (254.000 auf 264.000 Euro) seien gestiegen.
Diener konstatierte mit Blick auf den GKV-Umsatz: „Hochpreisige Arzneimittel sind inzwischen zum Normalfall geworden.“ Betrug ihr Umsatzanteil im Jahr 2003 noch drei Prozent, sind es inzwischen 41 Prozent. Dabei würden Hochpreiser die umsatzvariablen Kosten erhöhen. Dazu zählt er die prozentualen Einkaufskosten, die Gebühren für die Vorfinanzierung sowie Verfall-. Bruch- und Retaxrisiken. Kompensieren könnten die Apotheken diese ganze Entwicklung nur schwer. Im apothekenpflichtigen OTC-Sortiment wäre eine Preisveränderung nach oben zwar prinzipiell denkbar, um sinkende Margen im GKV-Segment sowie die immer höheren Kosten auszugleichen. Doch den Wettbewerb mit dem seit fast 20 Jahren erlaubten Versandhandel dürfe man nicht unterschätzen. Die im Durchschnitt 20-prozentige Preisdifferenz habe zum inzwischen auf 20 Prozent angewachsenen OTC-Marktanteil der Versender geführt. Und: Die Rückgewinnung „verlorener“ OTC-Kunden hält Diener für schwierig. Einzig positiv sei die Tatsache, dass auch der Versandhandel neue OTC-Kunden aktuell nur sehr langsam gewinnt und in der Bevölkerung die Sensibilität für einen Zusammenhang zwischen Offizin- und Versandpreisen nur schwach ausgeprägt ist.
Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) initiierte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nannte Diener einen „Akt der Verzweiflung“. Der in den nächsten beiden Jahren auf zwei Euro erhöhte Kassenabschlag belaste die Apotheken enorm. Hinzu kämen die Margenkompression vor allem im Rx-Bereich, höhere Kosten, schlechtere Einkaufskonditionen, Personalknappheit und die Schließung von Arztpraxen. In den Apothekenteams bereite sich zunehmend Frust und Überforderung aus. Trotzdem müssten sich die Betriebe auf die Einführung des E-Rezepts und die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen vorbereiten.
Spargesetz: Gefahr der flächendeckenden Demotivation
Diese Herausforderungen nahm auch AKNR-Präsident Hoffman zum Anlass für seinen Bericht. Er sieht im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Gefahr zu flächendeckenden Demotivation. Doch es habe eine breite politische Zustimmung zum Gesetz gegeben und viele Maßnahmen wurden trotz aller Kritik und Warnungen dennoch ergriffen. Im Rahmen der für 2023 angekündigten GKV-Strukturreform müsse die Apothekerschaft unbedingt selbst Vorschläge machen. In NRW laufe derzeit eine Studie zur flächendeckenden Versorgung. Für die Nacht- und Notdienst stellt man sich im Bundesland eher vor, den Botendienst auszuweiten als zuzulassen, dass ein ärztliches Dispensierrecht kommt.
In den honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen sieht Hoffmann die „Chance, ein umfassendes neues Honorierungsmodell auf- und auszubauen“. Die Einführung seit Juni 2022 sei aber schwierig und komplex gewesen: „Dienstleistungen sind noch kein Erfolgsmodell“. Damit sie in den meisten Apotheken gelingen, müsste dringend an Erleichterungen bei der Einführung und Umsetzung gearbeitet werden.
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