Noventi-Krise

Eigentümerverein FSA will Schadensersatz von Ex-Vorständen

Stuttgart - 23.03.2023, 16:45 Uhr

Der FSA-Vorsitzende Jürgen Frasch stellte sich in Stuttgart den Fragen der Mitglieder. (Foto: DAZ) 

Der FSA-Vorsitzende Jürgen Frasch stellte sich in Stuttgart den Fragen der Mitglieder. (Foto: DAZ) 


Am gestrigen Mittwoch befürworteten die Mitglieder des LAV Baden-Württemberg, dass ihr Verband sich an einem Darlehen für die angeschlagene Noventi beteiligt. Im Vorfeld stellten sich die aktuellen Noventi-Vorstände und FSA-Vorsitzenden den Fragen der Anwesenden. Letztere schilderten zudem die Geschehnisse aus ihrer Sicht und erklärten, dass sie die ehemaligen Noventi-Vorstände auf Schadenersatz verklagen würden. Man sei positiv gestimmt, dass man nachweisen könne, dass wissentlich Schaden verursacht wurde.

Warum haben der FSA, der Eigentümerverein der Noventi, und der Aufsichtsrat auf die Geschehnisse bei der Noventi erst so spät reagiert? Mit dieser Frage mussten sich die beiden Vorsitzenden und in dieser Funktion auch Noventi-Aufsichtsräte Andreas Buck und Jürgen Frasch am gestrigen Mittwoch bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg auseinandersetzen. Der Verband hatte seine Mitglieder aufgerufen, über ein Darlehen für die angeschlagene Noventi Health SE zu entscheiden.

Dass der Konzern zuletzt mehr Geld ausgab, als er verdiente, hatte die LAV-Präsidentin Tatjana Zambo schonungslos offengelegt. Bereits 2020 wurde die Bilanz mit sogenannten aktivierten Eigenleistungen geschönt. Dahinter stecken selbst entwickelte Softwareprodukte, die auf der Habenseite verbucht werden. Ohne die wäre man bereits 2021 in die roten Zahlen gerutscht. 2022 reichten auch aktivierte Eigenleistungen nicht mehr. Obwohl diese in Rekordhöhe von 13 Millionen Euro verbucht wurden, war das EBIT negativ – woraufhin ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben wurde.

Diese Zahlen sollten auch dem Aufsichtsrat bekannt gewesen sein. Zudem wunderten sich Marktbeobachter und auch Apotheker:innen seit langem, für welche Dinge im Haus Noventi Geld ausgegeben wird – genannt wird hier ein Tennisturnier. Überdies erfolgte 2019 ein Umzug in größere Räumlichkeiten, die „Macherei“, obwohl wohl schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alles rosig lief. Wo sei da der Aufsichtsrat gewesen, fragten Mitglieder des LAV.

Jürgen Frasch, in seiner Funktion als FSA-Vorsitzender auch Aufsichtsratsmitglied, erklärte, es hieß damals vom Vorstand, man müsste im Wettbewerb um Fachkräfte ein attraktives Arbeitsumfeld bieten. Anfang 2022 habe sich dann der FSA mit einem Fragenkatalog an die Vorstände gewandt. Hintergrund war die absolute Unzufriedenheit mit Abrechnung und Software, also dem, was Noventi als Kerngeschäft bezeichnet. Die telefonische Erreichbarkeit und der Service seien unterirdisch gewesen, schilderte Frasch. Man habe Noventi vorgeworfen, alle möglichen Projekte für die Zukunft zu machen und viel zu investieren, man sehe aber keine Rückflüsse. Darüber habe man die Geschäftsfelder, die gut liefen, vernachlässigt und die Bilanz über immaterielle Vermögensgegenstände hingebogen, die bereits genannten aktivierten Eigenleistungen. Man habe seitens des FSA zu diesem Zeitpunkt versucht, die Dinge in die richtige Bahn zu lenken, so der Apotheker weiter. Die Antwort des Noventi-Vorstandes sei nicht akzeptabel gewesen. 

„Wir waren gutgläubig“

Auch der Aufsichtsrat habe dann Fragen gestellt, unter anderem Beratern, die im Haus waren. Das habe dem Vorstand nicht geschmeckt. Das Resultat sei bekannt: Im September 2022 sind nach einer Aufsichtsratssitzung bis vier Uhr morgens zwei Vorstände vor die Tür gesetzt worden. Die Erkenntnis: „Wenn wir jetzt nicht handeln, ist unser Geld weg.“ Frasch räumte ein, dass man seitens des FSA gutgläubig gewesen sei und das Geld größtenteils im Unternehmen belassen habe. Schließlich sollte Noventi wachsen. Diese Strategie habe sich aber als nicht zielführend erwiesen.

Wohl gut geplante Machenschaften

Einer der entlassenen Vorstände werde klagen, so Frasch. Allerdings nicht gegen die Freisetzung, sondern auf Zahlung seiner Bezüge. Und auch der FSA selbst will Frasch zufolge vor Gericht ziehen: „Wir wollen Schadenersatz und uns so viel Geld wie möglich zurückholen“, erklärte er. Noch ist die Sache allerdings im „Urkundenprozess“. Man sei aber positiv gestimmt, dass es gelinge nachzuweisen, dass wissentlich Schaden verursacht wurde.

Damit gaben sich die Mitglieder vor Ort aber nicht zufrieden. Spätestens mit dem Sponsoring des Tennisturniers hätte man merken müssen, dass etwas nicht stimmt und fragen müssen, was mit dem Geld passiert. Laut Jürgen Frasch habe man tatsächlich seitens des FSA durchaus immer wieder Dinge hinterfragt. „Aber wenn Sie von dem anderen wissentlich angelogen werden, haben Sie keine Chance“, sagte er. Ohne entsprechende Hinweise seien die Machenschaften der Ex-Vorstände nicht aufzudecken gewesen, das habe ein Gutachter bestätigt, beteuerte Frasch. „Man muss davon ausgehen, dass die Machenschaften gut geplant waren.“

Sein FSA-Kollege Andreas Buck sprang ihm bei, dass die Aufklärung noch laufe. Dazu könne er aufgrund des Aktiengesetzes nichts sagen. Man habe aber als FSA dem Noventi-Vorstand seit 2021 immer wieder erklärt, man solle sich auf Kerngeschäft konzentrieren und nicht auf Tennisturniere und den Papst. Aber wer sich im Aktiengeschäft auskenne, wisse, dass die Vorstände das Sagen haben. Mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen habe der FSA nicht erkennen können, dass Geld verbrannt wurde. „Wir haben aber nun Vertrauen in die neuen Vorstände Frank Steimel und Marc Böhm“, so Buck.

Die neue Noventi

Und auch die stellten sich den Fragen der Mitglieder. Es gab durchaus Bedenken, dass die Noventi das Darlehen nicht zurückzahlen könne, auch wenn die Verantwortlichen beim LAV davon nicht ausgehen. Daher betonten Frank Steimel und Mark Böhm wiederholt, was in Zukunft alles besser werden soll. So habe es bislang kein Vier-Augen-Prinzip gegeben, doch mit der Einzelvertretungsberechtigung sei es nun vorbei. Zudem habe man Regelungen zu Auskunftspflichten zwischen Aufsichtsrat und Vorstand und zwischen Unternehmen und Eigentümern geschaffen, betonte Finanzvorstand Steimel. Diese neue Governance sei so gestaltet, dass auch Nachfolger sie nicht einfach wieder abschaffen könnten. „Trotz unternehmerischer Freiheit, geht es nur noch mit Absprache“, sagte er. „Der Aufsichtsrat soll kontrollieren und beraten und gegebenenfalls auf die Finger hauen.“ Ein großes Stück mehr Bescheidenheit stehe der Noventi gut zu Gesicht. Als Anspruch formulierte er: „Wir wollen in dem, was wir tun, also Abrechnung, Warenwirtschaft und Branchensoftware, richtig gut werden“. Die Mehrjahresplanung sehe vor, dass Noventi am Ende Geld verdient. Sie muss Geld verdienen. Zwar nicht wie ein Aktienunternehmen, aber wie eines, das dem Eigentümer Rechnung trage. „Noventi steht stabil da. Punkt“, so der Finanzvorstand. Letzteres brachte ihm Applaus ein, aber auch die Frage, warum man dann das Geld der Apotheker brauche.

Kein Fremdkapital

Zudem kam die Frage auf, wer den Kredit denn zurückzahle – das seien ja wohl die Apotheker mit ihren Beiträgen und Gebühren. Wenn die Preise stiegen und Apotheken deswegen absprängen, bräche das Konstrukt dann zusammen? Diese Gefahr sieht Böhm anscheinend nicht: „Wir können keine Mondpreise aufrufen, sondern müssen marktadäquate Preise bieten.“

Betont wurde auch, dass man auf keinen Fall Fremdkapital im Unternehmen wolle – es gebe durchaus Anfragen, was die Noventi koste. Aber so ein Investor wollte auch eine entsprechende Verzinsung, deswegen setze man auf „family and friends“, sprich die Verbände. „Wir wollen die Noventi schließlich keiner Heuschrecke zum Fraß vorwerfen“, so LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth.

Letztendlich konnten viele, aber nicht alle Zweifller überzeugt werden. Mit 78 Ja- und 15 Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde dem Darlehen zur Rettung der Noventi zugestimmt. Das Geld ist an die Noventi bereits geflossen unter Freistellung des LAV: Hätten die LAV-Mitglieder nicht zugestimmt, hätten die übrigen Gesellschafter, die B.A.G und der BAV, das Darlehen alleine tragen müssen.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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