ALBVVG-Kabinettsentwurf

Freier Austausch nach zwei Großhandelsanfragen – aber kein Retax-Schutz

Berlin - 28.03.2023, 12:00 Uhr

Die bei Arzneimittel-Engpässen beanspruchten Großhändler sollen auch einen finanziellen Zuschlag erhalten. (Foto: IMAGO / Eibner Europa)

Die bei Arzneimittel-Engpässen beanspruchten Großhändler sollen auch einen finanziellen Zuschlag erhalten. (Foto: IMAGO / Eibner Europa)


Der Entwurf für das Engpassgesetz, den das Kabinett am morgigen Mittwoch beschließen soll, ist bei den erweiterten Austauschregelungen nachjustiert worden: Eine Beschränkung auf Arzneimittel einer neuen BfArM-Liste ist vom Tisch. Nur noch „Nichtverfügbarkeit“ ist notwendig – aber die muss vom Großhandel doppelt belegt werden. Keine Änderung gibt es hingegen bei den 50 Cent für den Austauschaufwand der Apotheken. 

Die Spannung war groß – würde das Bundesgesundheitsministerium seinen Referentenentwurf für das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) entscheidend nachbessern? Worauf würde sich das Kabinett nach der Ressortabstimmung einlassen? Nun ist klar: Es wurde nochmals an einigen Ecken und Enden gefeilt. Und zwar auch an der für die Apotheken so bedeutsamen Anschlussregelung für die auslaufenden (und vorläufig verlängerten) Pandemie-Sonderregeln zum Austausch nicht lieferbarer Arzneimittel. Das zeigt der jetzt für die morgige Kabinettsabstimmung vorliegende Gesetzentwurf (Stand 18. März 2023).

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Während der Referentenentwurf die seit fast drei Jahren bewährten erweiterten Austauschregeln auf spezielle Arzneimittel beschränken wollte, die zuvor das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als versorgungsrelevant und versorgungskritisch auf einer Liste vermerken sollte, ist die jetzt vorgesehene Regelung weiter gefasst. 

Konkret soll folgender neuer Absatz 2a in § 129 SGB V eingefügt werden:

(2a) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels, das verordnete Arzneimittel gegen ein lieferfähiges wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen beim pharmazeutischen Großhandel nach § 52b des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:

1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,

2. die Packungsanzahl,

3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und

4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.

Damit wird die Austauschbarkeit verordneter Arzneimittel bei Nichtverfügbarkeit im Vergleich zur vorher geplanten Regelung sicher erleichtert. Ganz umsonst gibt es das aber nicht – zwei unterschiedliche Großhandelsanfragen sind nötig. Und darauf, dass diese ernst zu nehmen und zu belegen sind, weist der Wegfall eines anderen im Referentenentwurf (und der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung) noch enthaltenen Passus hin: Nicht mehr vorgesehen ist nun der Ausschluss von Beanstandungen und Retaxationen bei einem solchen Austausch. Die Kassen würden mit einer solchen Regelung bei der Rechnungsprüfung sicher besonders wachsam sein.

Es bleibt bei 50 Cent für das Lieferengpass-Management

Und was ist mit den 50 Cent für den Austausch? Den Zuschlag, den die Apothekerschaft so deutlich als unverschämt und Missachtung ihres Berufsstands zurückweist? Hier bleibt es im Entwurf beim Alten: Findet ein Austausch nach dem neuen § 129 Abs. 2a SGB V statt, steht der Apotheke ein 50-Cent-Zuschlag (plus Umsatzsteuer) nach der Arzneimittelpreisverordnung zu.

Neu ist hingegen: Die jetzt ebenfalls beanspruchten Großhändler sollen in diesen Fällen ebenfalls einen Zuschlag erhalten. 20 Cent soll es dafür geben – oder auch 50 Cent, doch das steht laut Entwurf noch unter „Leitungsvorbehalt“. 

Durch die Lieferengpasszuschläge für die Apotheken und den pharmazeutischen Großhandel rechnet die Bundesregierung mit geschätzten jährlichen Mehrausgaben in Höhe von rund 10 Millionen Euro für die Kassen. Die Höhe hänge einerseits von der Anzahl und vom Umfang der Lieferengpässe und andererseits von der Wahrnehmung des vereinfachten Austausches durch die Apotheken ab, heißt es in der Begründung.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Überschlagsrechnung

von Tom Dupke am 28.03.2023 um 19:59 Uhr

Mal andersrum überlegt: Das managen der Lieferengpässe benötigt pro Apotheke 10% einer Ganztags-PKA und 10% eines Apothekers (völlig frei angenommen - in der Realität sicher um ein vielfaches mehr!), dann bedeuten das aktuell Mehrausgaben auf Apothekenseite von ca. 4000€ pro Jahr und PKA und ca. 7500€ pro Jahr und Apotheker, in Summe 11.500€ pro Jahr und Apotheke. Auf 19.000 Apotheken ergibt sich ein jährlicher Mehr-Personal-Aufwand i.H.v. 218 Mio €. Das BMG plant davon 10 Mio € zu erstatten (<5%)!

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Mal kurz nachgedacht

von Stefan Haydn am 28.03.2023 um 19:42 Uhr

Man rechnet mit Kosten von 10 Millionen für die Krankenkassen.

Mal kurz eingeworfen, die Kinderärzte erhalten 42 Millionen für den durch Lieferschwierigkeiten bedingten Mehraufwand.

Finde den Fehler!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

"Engpässe" hausgemacht

von Sabine Wegener am 28.03.2023 um 18:58 Uhr

Es war ein Lobbyist Lauterbach, der im Hintergrund der Gesundheitsministerinnen Andrea Schmidt(Grüne) und Ursula Schmidt (SPD) unter der Regierung Schröder saß und die Monster GMG, AMNOG, die Globalisierung der Arzneimittelherstellung etc. in die Welt setzte. Schon damals sagten wir, dass das "Verlagern" der Arzneistoffproduktion in Billigländer böse enden wird. Aber wir waren schon damals "Schwurbler" und "Verschwörungstheoretiker" im Jahr 1999/2000. Es ist eingetroffen! Wir haben ohne Not eine sehr gute Arzneimittelproduktion aus D "verlagert", in de neuen Bundesländern alles aufkaufen lassen und nun stehen wir vor leeren Schubladen. Die einizge Konsequenz aus diesem Desaster wäre, dass Lauterbach zurück tritt. Er hat sich in die Dienste der Billig - noch billiger, am besten kostenlos Krankenkassen begeben und sich der Pharmalobba angedient. Die Leidtragenden sind die Patienten und wir, die wir über 50 Cent ach sooo glücklich sind...

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Bürokraten aller Länder vereinigt euch....

von Thomas B am 28.03.2023 um 17:47 Uhr

Ich fasse zusammen:
- statt 1 x Doku Nichtlieferbarkeit künftig 2x
- 50 ct - Verhöhnung bleibt von Karl´s Gnaden
- Retax-Wut wird weiter befeuert statt beschränkt
- der GH erhält - sicher völlig berechtigt - 20 bis 50 ct , die
Verhältnismässigkeit wirft allerdings noch mehr Fragen
auf.....
- von inflationsbedingter und rückwirkender
Honoraranpassung lese ich nix
- Forderung nach 3-monatiger Lagerhaltung für
Rabattvertragsarzneimittel - Vergütung für neue Aufgabe?

Herr Lauterbach zündet nahezu jeden Tag eine neue Eskalationsstufe in seinem Krieg gegen die öffentlichen Apotheken .....

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Großhandelsabfrage

von Thomas Kreusch am 28.03.2023 um 14:32 Uhr

Hab ich das richtig verstanden? Wenn der Großhandel keine Ware hat, bekommt er pro Anfrage 20 Cent? Das könnte ja ein Geschäftsmodell werden, nichts an Lager lohnt sich dann so richtig.

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Austauschen erleichtert?

von Andreas Kronsbein am 28.03.2023 um 12:55 Uhr

Solange das Austauschen nicht durch ein Verzicht der Krankenkassen auf eine Voll-Retax gestützt wird, ist die Regelung nicht wirklich hilfreich. Von einer Erleichterung kann dann keine Rede sein. Eine Vollabsetzung wegen Verletzung von Fornalien muss endlich der Vergangenheit angehören.

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