„Etliche Online-Plattformen bieten Verbrauchern über eine in deutscher Sprache gehaltene und regelmäßig unter einer ‚.de‘-Domain betriebene Website gesundheitsbezogene Dienstleistungen an“, heißt es dazu in der Begründung. „Konkret bestehen diese darin, dass zunächst ein Krankheitsbild ausführlich beschrieben wird, und dann dem Nutzer angeboten wird, hierfür geeignete – namentlich benannte – verschreibungspflichtige Arzneimittel zu vermitteln.“ Diese Verordnung bekomme die Patientin oder der Patient „jedoch nie zu Gesicht, weil sie unmittelbar an eine ebenfalls vertraglich oder zum Teil auch gesellschaftsrechtlich verbundene, ebenfalls im Ausland sitzende Versandapotheke weitergeleitet wird“.
Solche Online-Geschäftsmodelle bieten der Kammer Nordrhein zufolge eine Vielzahl von Angriffspunkten: So sei zum Beispiel die Werbung bei Laien für verschreibungspflichtige Arzneimittel laut § 10 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verboten. Und auch eine Beratung durch eine Apotheke – wie nach § 20 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in Deutschland vorgeschrieben – sei weder vorgesehen noch möglich. Um unseriöse Angebote zurückzudrängen, seien verschiedene Ansätze denkbar:
- Internetseiten mit gesundheitsbezogenen Angeboten, die gegen geltendes Recht verstoßen, könnten durch einen entsprechenden Antrag gesperrt werden, so wie dies durch Jugendschutzbehörden im Zusammenhang mit Internetseiten mit pornografischem Inhalt oder extremer politischer Hetze bereits möglich ist.
- Die Verpflichtung, dass Internetseiten mit gesundheitsbezogenem Content – insbesondere zu Therapien, Arzneimitteln und/oder Medizinprodukten – eine in der EU gelegene Zustelladresse besitzen müssen.
- Bessere Identifizierung der Domain-Inhaber. Zumindest in den Fällen, in denen auf einer Internetseite gesundheitsbezogene Leistungen angeboten werden, überwiegt die Möglichkeit der Kontrolle dieser Seiten über etwaigen datenschutzrechtlichen Belangen.
- Erweiterte Haftung des Domain-Inhabers bei rechtsverletzenden Inhalten von Internetseiten im Gesundheitsbereich.
„Bei den Betreibern der beanstandeten Internetplattformen handelt es sich überwiegend um Personen, die die bestehenden Vollzugsdefizite zwischen den EU-Mitgliedstaaten insbesondere im Verhältnis zu Drittstaaten gezielt ausnutzen, um Angebote zu unterbreiten, die massiv gegen gesundheitsschützende Normen verstoßen“, führen die Antragsteller aus. „Hier besteht ein erhebliches Gefährdungspotenzial für arglose Internetnutzer, dessen sich die Politik annehmen muss, um den hohen Verbraucher- und Gesundheitsschutz auch in digitalen Zeiten weiter sicherzustellen.“
ABDA will OTC-Werbung mit Rabatten einschränken
Der Trivialisierung und dem Mehrgebrauch von Arzneimitteln will auch der Geschäftsführende ABDA-Vorstand entgegenwirken. Er nimmt in seinem Antrag allerdings insbesondere Werbung in den Blick, die mit Rabatten für OTC-Präparate arbeitet. Dies sei – anders als bei verschreibungspflichtigen Medikamenten – zwar unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Allerdings habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2022 „EUROAPTIEKA“ (Az. C-530/20) eine verbindliche Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vorgenommen, die einer solchen Ausnahmeregelung nach Einschätzung des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands entgegensteht. „Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten verbieten müssen, dass in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Elemente einbezogen werden, die den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern können (Rz. 63, 64 a.a.O.).“
Werbeelemente, die den Verbraucher über den Preis zum Kauf von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln veranlassen, förderten einen solchen unzweckmäßigen Einsatz, weil „der Verbraucher dieses Arzneimittel kauft und einnimmt, ohne dass eine sachliche Prüfung anhand der therapeutischen Eigenschaften des Arzneimittels und des konkreten medizinischen Bedarfs vorgenommen wird“. Die Werbevorschriften des deutschen Heilmittelwerbegesetzes müssten dementsprechend an diese unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden.
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Brot und Spiele
von EDI am 10.08.2023 um 16:21 Uhr
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