Deutscher Apothekertag 2023

DAT-Anträge nehmen Arzneimittelwerbung ins Visier

Berlin - 10.08.2023, 15:15 Uhr

In den sozialen Medien werben Influencer immer häufiger auch für Arzneimittel. Der Kammer Hessen geht das zu weit. (Foto: imago images / Zoonar)

In den sozialen Medien werben Influencer immer häufiger auch für Arzneimittel. Der Kammer Hessen geht das zu weit. (Foto: imago images / Zoonar)


Gleich mehrere Anträge zum DAT 2023 beschäftigen sich mit Arzneimittelwerbung außerhalb der Fachkreise. Die Kammer Hessen fordert, das Heilmittelwerbegesetz an die modernen Werbeformate – insbesondere Social Media – anzupassen, um der Bagatellisierung von Medikamenten entgegenzuwirken. Die Kammer Nordrhein widmet sich der Vermittlung von Rx-Arzneien über Online-Plattformen mit Sitz im Nicht-EU-Ausland.

Ob Ozempic oder Elotrans: Die sozialen Medien sind zu einer wichtigen Werbeplattform für Arzneimittel geworden. Influencer preisen die Produkte an wie sonst Mascara, Sneakers und Energydrinks. Damit geht auch die Gefahr einher, dass Medikamente mit Lifestyle-Produkten auf eine Stufe gestellt werden und vom Publikum nicht mehr als Waren der besonderen Art wahrgenommen werden. 

Diesem Trend will die Landesapothekerkammer Hessen jetzt entgegenwirken: In einem Antrag zum Deutschen Apothekertag 2023 fordert sie den Gesetzgeber auf, dieser Art der Werbung einen Riegel vorzuschieben.


„Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, die gesetzlichen Regelungen an die heutigen modernen Werbeformate anzupassen, sodass das Arzneimittel eine Ware besonderer Art bleibt und nicht weiter bagatellisiert wird.“

Antrag der Landesapothekerkammer Hessen zum Deutschen Apothekertag 2023


Plattformen und soziale Medien nehmen inzwischen bei an Verbraucher gerichteter Werbung und Information zu Arzneimitteln eine besondere Stellung ein, erläutert die Kammer dazu in ihrer Begründung zum Antrag. Gerade Influencerinnen und Influencer kommt dabei eine tragende Rolle zu. „Besonders prominente Beispiele im letzten Jahr waren ein Pulver zur Herstellung einer Elektrolytlösung im Off-Label-Use als Katermittel und verschiedene Antidiabetika zur Gewichtsreduktion.“ 

Die damit verbundene Aufmerksamkeit habe sowohl zur Berichterstattung in den Massenmedien als auch zu erheblichen Lieferengpässen geführt. „In einem der beschriebenen Beispiele wurde zudem ein Off-Label-Use beworben, welcher bei falscher Anwendung eine Gesundheitsgefährdung der Anwender darstellen kann“, betont Hessen. „Um Arzneimittel nicht weiter zu bagatellisieren, fordern wir den Gesetzgeber auf, die gesetzlichen Regelungen zu überarbeiten und anzupassen.“

Auch die Apothekerkammer Nordrhein fasst das Thema Internetwerbung und Arzneimittel an, allerdings aus einer etwas anderen Perspektive. In ihrem Antrag geht es um Plattformen, auf denen Anbieter verschreibungspflichtige Medikamente anpreisen – zumeist in Verbindung mit telemedizinischen Services über mit der Plattform verbundene, im Ausland ansässige Ärztinnen und Ärzte, die eine Verschreibung ausstellen. Dabei stehen den Antragstellern zufolge nicht nur Lifestyle-Produkte im Fokus, sondern manchmal sogar Antibiotika. Daher sei jetzt die Politik gefragt, die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben nachzuschärfen, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen als bisher.


„Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem Internetseiten mit gesundheitsbezogenen Angeboten, die gegen geltendes Recht verstoßen, durch einen entsprechenden Antrag gesperrt werden können.“

Antrag der Apothekerkammer Nordrhein zum Deutschen Apothekertag 2023


„Etliche Online-Plattformen bieten Verbrauchern über eine in deutscher Sprache gehaltene und regelmäßig unter einer ‚.de‘-Domain betriebene Website gesundheitsbezogene Dienstleistungen an“, heißt es dazu in der Begründung. „Konkret bestehen diese darin, dass zunächst ein Krankheitsbild ausführlich beschrieben wird, und dann dem Nutzer angeboten wird, hierfür geeignete – namentlich benannte – verschreibungspflichtige Arzneimittel zu vermitteln.“ Diese Verordnung bekomme die Patientin oder der Patient „jedoch nie zu Gesicht, weil sie unmittelbar an eine ebenfalls vertraglich oder zum Teil auch gesellschaftsrechtlich verbundene, ebenfalls im Ausland sitzende Versandapotheke weitergeleitet wird“.

Solche Online-Geschäftsmodelle bieten der Kammer Nordrhein zufolge eine Vielzahl von Angriffspunkten: So sei zum Beispiel die Werbung bei Laien für verschreibungspflichtige Arzneimittel laut § 10 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verboten. Und auch eine Beratung durch eine Apotheke – wie nach § 20 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in Deutschland vorgeschrieben – sei weder vorgesehen noch möglich. Um unseriöse Angebote zurückzudrängen, seien verschiedene Ansätze denkbar:

  • Internetseiten mit gesundheitsbezogenen Angeboten, die gegen geltendes Recht verstoßen, könnten durch einen entsprechenden Antrag gesperrt werden, so wie dies durch Jugendschutzbehörden im Zusammenhang mit Internetseiten mit pornografischem Inhalt oder extremer politischer Hetze bereits möglich ist.
  • Die Verpflichtung, dass Internetseiten mit gesundheitsbezogenem Content – insbesondere zu Therapien, Arzneimitteln und/oder Medizinprodukten – eine in der EU gelegene Zustelladresse besitzen müssen.
  • Bessere Identifizierung der Domain-Inhaber. Zumindest in den Fällen, in denen auf einer Internetseite gesundheitsbezogene Leistungen angeboten werden, überwiegt die Möglichkeit der Kontrolle dieser Seiten über etwaigen datenschutzrechtlichen Belangen.
  • Erweiterte Haftung des Domain-Inhabers bei rechtsverletzenden Inhalten von Internetseiten im Gesundheitsbereich.

„Bei den Betreibern der beanstandeten Internetplattformen handelt es sich überwiegend um Personen, die die bestehenden Vollzugsdefizite zwischen den EU-Mitgliedstaaten insbesondere im Verhältnis zu Drittstaaten gezielt ausnutzen, um Angebote zu unterbreiten, die massiv gegen gesundheitsschützende Normen verstoßen“, führen die Antragsteller aus. „Hier besteht ein erhebliches Gefährdungspotenzial für arglose Internetnutzer, dessen sich die Politik annehmen muss, um den hohen Verbraucher- und Gesundheitsschutz auch in digitalen Zeiten weiter sicherzustellen.“

ABDA will OTC-Werbung mit Rabatten einschränken

Der Trivialisierung und dem Mehrgebrauch von Arzneimitteln will auch der Geschäftsführende ABDA-Vorstand entgegenwirken. Er nimmt in seinem Antrag allerdings insbesondere Werbung in den Blick, die mit Rabatten für OTC-Präparate arbeitet. Dies sei – anders als bei verschreibungspflichtigen Medikamenten – zwar unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Allerdings habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2022 „EUROAPTIEKA“ (Az. C-530/20) eine verbindliche Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vorgenommen, die einer solchen Ausnahmeregelung nach Einschätzung des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands entgegensteht. „Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten verbieten müssen, dass in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Elemente einbezogen werden, die den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern können (Rz. 63, 64 a.a.O.).“

Werbeelemente, die den Verbraucher über den Preis zum Kauf von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln veranlassen, förderten einen solchen unzweckmäßigen Einsatz, weil „der Verbraucher dieses Arzneimittel kauft und einnimmt, ohne dass eine sachliche Prüfung anhand der therapeutischen Eigenschaften des Arzneimittels und des konkreten medizinischen Bedarfs vorgenommen wird“. Die Werbevorschriften des deutschen Heilmittelwerbegesetzes müssten dementsprechend an diese unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden.


„Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, die heilmittelwerberechtlichen Vorschriften zur Rabatt- und Preiswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an die unionsrechtlichen Vorgaben gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) anzupassen.“

Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands zum Deutschen Apothekertag 2023


Während die freie OTC-Preisbildung und die sachliche Information über diese Preise auch nach dem genannten EuGH-Urteil als zulässig einzustufen seien, müssen laut der Begründung zum Antrag „unzweckmäßige“ Werbeformen wie Rabatte bei Erreichen von Mindestbestellwerten oder -mengen untersagt werden.

Der Deutsche Apothekertag findet in diesem Jahr vom 27. bis 29. September in Düsseldorf statt. Die Anträge, die der DAZ vorliegen, sind bereits von der Antragskommission bearbeitet worden und müssen nun noch den ABDA-Gesamtvorstand passieren. Das soll in der Sitzung am 17. August geschehen.

Karten für den DAT 

Sie sind approbierte Apothekerin bzw. approbierter Apotheker und möchten sich auf dem Deutschen Apothekertag anschauen, was die Hauptversammlung so macht? Dann buchen Sie auf www.deutscher-apothekertag.de ein Ticket. Das ist seit dem 1. August möglich.

Kosten fallen für die Karten nicht an. Beworben wird von der ABDA allerdings der Erwerb eines Kombi-Tickets, das neben dem Zutritt zum Deutschen Apothekertag auch zum Besuch der Expopharm an allen Messetagen genutzt werden kann. Dieses Ticket kostet 65 Euro, was dem Preis für eine Expopharm-Dauerkarte entspricht.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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1 Kommentar

Brot und Spiele

von EDI am 10.08.2023 um 16:21 Uhr

Schon seit vielen Jahunderten von allen Machthabern der Welt so praktiziert
Das Brot hat man uns leider genommen
Aber die Spiele,hier in Form der DAT Anträge, die läßt man uns noch. Außer der Beschäftigung mit sich selbst, haben die aber keine Wirkung. Politische Forderungen der ABDA sind zum Treppenwitz verkommen und führen meist zu genau gegenteiligen Entscheidungen in der Politik

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