Kritik an Apotheken-Reformplänen

Mehr Geld ins System – warum ein SPD-Politiker Lauterbach widerspricht

Stuttgart - 18.01.2024, 13:45 Uhr

Karima Ballout gibt Dirk Heidenblut Einblicke in den Apothekenalltag. (Foto: Dirk Heidenblut)

Karima Ballout gibt Dirk Heidenblut Einblicke in den Apothekenalltag. (Foto: Dirk Heidenblut)


Beim Vor-Ort-Besuch in der Bottroper Apotheke von Karima Ballout hat sich Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut (SPD) über die Arbeit und die Probleme in Apotheken informiert. Ballout ist Vorstandsmitglied des Apothekerverbands Westfalen-Lippe und hat mit Heidenblut über die Reformpläne von Gesundheitsminister Lauterbach gesprochen. Nach dem Besuch kritisiert Heidenblut die Pläne: „Es muss mehr Geld ins System. Das Honorar muss steigen.“

Karima Ballout hat bei SPD-Politiker Dirk Heidenblut offenbar Eindruck hinterlassen. Kein Wunder, die 40-Jährige ist eine echte Powerfrau. Die dreifache Mutter und Inhaberin zweier Apotheken in Bottrop kämpft voller Leidenschaft für ihren Berufsstand. In ihrer Funktion als Vorstandsmitglied beim Apothekerverband Westfalen-Lippe hat sie Heidenblut in ihre Apotheken eingeladen, um dort den Alltag mit Lieferengpässen, E-Rezepten, Retaxationen und Honorierung zu erklären und vorzuführen. „Das war wichtig, denn viele Vorstellungen der Politiker entsprechen nicht den Tatsachen“, sagt Karima Ballout. 

Die 40-Jährige hat 2022 zwei Apotheken mit zentralem Standort übernommen, mitten in der 120.000-Einwohner-Stadt Bottrop im Ruhrgebiet, wo jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat. „Eigentlich bin ich aus Frust selbstständig geworden, weil ich zu oft ausgebremst wurde“, erzählt sie und lacht. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern (20, 12, 9 Jahre) hat selbst einen Migrationshintergrund und arbeitete davor 15 Jahre als angestellte Apothekerin.

Kostenabrechnungen offengelegt

Zwei Stunden hat sie dem SPD-Politiker die Abläufe gezeigt, Kostenabrechnungen und ihre betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) offengelegt, Hintergründe erklärt und Fragen beantwortet. Heidenblut ist länger geblieben als geplant, insgesamt zwei Stunden war er in der Post Apotheke in Bottrop. 

Anschließend postete er in den sozialen Medien auf Instagram: „Einblick in eine hochmoderne Apotheke mit umfangreichem Kundenservice gab mir heute Karima Ballout. Digitale Technik, gute Zusammenarbeit im Team, Fortbildung und die Übernahme neuer Aufgaben (wie das Impfen) haben die Post Apotheke in Bottrop schnell zu einem starken Partner für Patientinnen und Patienten gemacht.“ Und weiter: „Ganz sicher ein Verdienst der hochmotivierten Inhaberin. Genau solches Engagement leisten viele Apotheken und das benötigen wir dringend.“ 

Lauterbachs Pläne kosten Apothekerin 10.000 Euro pro Jahr und Apotheke

Dieses Engagement soll künftig allerdings deutlich schlechter bezahlt werden, wenn es nach den Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht. In seiner Apotheken-Strukturreform, deren Eckpunkte er kurz vor Weihnachten vorgestellt hat, sieht er eine Umverteilung des Honorars vor. Damit will er angeblich kleine Apotheken, vor allem auf dem Land, sichern. 

De facto würde die Lauterbach-Reform eine Kürzung des Apothekenhonorars zur Folge haben, sagt Karima Ballout – auch für eine normale Durchschnittsapotheke wie ihre. „Für mich wären das unter dem Strich 10.000 Euro pro Jahr und Apotheke weniger“, stellt sie fest. Für Apotheken, deren Betriebsergebnis schon jetzt gegen Null geht, bedeutet dies das Aus. 

„Er war doch überrascht“

Ballout hat die Rechnung anhand der einzelnen Eckpunkte für sich am Beispiel ihrer Apotheke durchgerechnet – und hat ihre Kostenstruktur in Excel-Tabellen bis ins Jahr 2026 auch Dirk Heidenblut vorgelegt. „Ich habe Herrn Heidenblut transparent alles offengelegt“, erzählt Ballout. „Er war doch überrascht über viele Punkte“, erzählt sie. 

Beispielsweise könnten viele Apotheken innovative Arzneimittel im Wert von vier- oder fünfstelligen Beträgen dann nicht mehr vorfinanzieren. „Apotheken, die solche hochpreisigen Arzneimittel abgeben, werden dann schnell defizitär“, ist sich die Apothekerin sicher. Das Apothekensterben würde sich weiter beschleunigen, vor allem auch bei kleinen Apotheken auf dem Land, sagt sie. 

Kritik übt Ballout auch an den Plänen Lauterbachs, dass nicht mehr in jeder Apotheke ein Apotheker vor Ort sein müsse: „Seine Pläne werden für die Patienten Leistungskürzungen zur Folge haben“, ist sich die Apothekerin sicher. 

Heidenblut fordert: Das Honorar muss steigen

Erste Überzeugungsarbeit hat sie offenbar geleistet, denn der SPD-Gesundheitspolitiker Heidenblut sagt nach dem Besuch bei Ballout: „Honorar-Umverteilungen reichen nicht, schon gar nicht, wenn sie zu Kürzungen führen. Es muss mehr Geld ins System.“ Bei Präventionsfragen, beim Impfen und in vielen anderen Feldern will er die Apotheken stärken. „Das Honorar muss steigen – und zwar so, dass überall im Land Apotheken auch für ältere Menschen in erreichbarer Nähe bewahrt werden können“, sagt er beim Besuch in Bottrop.

In erreichbarer Nähe und zentral im Einkaufscenter liegt auch Ballouts Post Apotheke. Der Traum der Apothekerin ist ein Präventionszentrum mit niedrigschwelligem Angebot – also genau den pharmazeutischen Dienstleistungen, die sich Lauterbach in Zukunft verstärkt von den Apothekern wünscht.

Die moderne Apotheke

Die Apothekerin hat sehr genaue Vorstellungen von einer modernen Apotheke. Digitalisierung, Lagerautomat, Vier-Tage-Woche und viel Eigenverantwortung für die Mitarbeiter, transparente Kommunikation, weniger Verkaufsfläche und ein großer Beratungsraum, um Dienstleistungen und Impfungen durchzuführen – viele ihrer Ideen hat sie bereits umgesetzt. 

Auch deshalb ist Karima Ballout sehr verärgert über die „absurden Vorstellungen und verstaubten Ansichten vom reichen Apotheker“. Die Reformpläne verurteilt sie. „Damit werden 98 Prozent der Apotheken bestraft – ich kann doch nicht das Kollektiv bestrafen, wenn ich ein paar wenige treffen will“, ereifert sich Ballout, „Dann bricht das ganze System zusammen. Unsere Arbeit sichert doch auch den sozialen Frieden.“

„Das wird harte Arbeit“ 

Dennoch sieht Ballout noch Chancen, die Reformvorschläge zu verändern oder der Realität anzupassen. „Das wird harte Arbeit, aber wir können Dinge noch bewegen. Der parlamentarische und demokratische Prozess ist wichtig.“ Das Gesetzgebungsverfahren beginnt erst, bisher liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor. 

Ballout sieht sich selbst als Vertreterin einer neuen Apotheker-Generation, sie will gegen Stereotype und Vorurteile des Apothekerberufs angehen und sagt über sich selbst: „Ich bin ein Beispiel für den Apotheker der Zukunft, wie ihn sich die Politik und die Gesellschaft wünscht – mit einem neuen Mindset und transparenter Kommunikation.“ 

Der Kracher zum Schluss

Bei Dirk Heidenblut ist die Botschaft jedenfalls angekommen. Sein Gesundheitsminister will im Februar einen ersten Referentenentwurf vorlegen, bis zur Sommerpause soll der Gesetzentwurf dann ins Parlament. Sobald der Referentenentwurf vorliegt, will Heidenblut das Papier mit Karima Ballout „Punkt für Punkt durchgehen“ – das hat er der Apothekerin bei seinem Besuch angekündigt. „Das war zum Abschluss des Besuchs der Kracher“, erzählt die 40-Jährige – und war kurz sprachlos.


Stefanie Keppler, DAZ-Ressortleiterin
skeppler@daz.online


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1 Kommentar

Wow!

von Dr. Radman am 18.01.2024 um 15:17 Uhr

Wow, Was für eine Apothekerin. Dieser Elan und Sachverstand hätte ich mir von den ABDA-Funktionären gewünscht. Weier so....

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