Gekündigte Hilfstaxe

Barmer: Rezeptursubstanzen nur anteilig abrechnen!

Berlin - 25.01.2024, 15:00 Uhr

Bei Rezepturen sind sich DAV und GKV-Spitzenverband uneins, wie viel eines verwendeten Stoffes abgerechnet werden kann. (Foto: ABDA)

Bei Rezepturen sind sich DAV und GKV-Spitzenverband uneins, wie viel eines verwendeten Stoffes abgerechnet werden kann. (Foto: ABDA)


Seit dem 1. Januar 2024 können Rezepturen nicht mehr nach der Hilfstaxe abgerechnet werden. Jetzt ist die Arzneimittelpreisverordnung einschlägig. Doch DAV und GKV-Spitzenverband sind sich uneins, welche Mengen abgerechnet werden können, wenn nicht die ganze Rezeptursubstanz aufgebraucht wird. Die Barmer stellt nun in einem Schreiben an die Apotheken klar: Sie folgt der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes, wonach nur anteilig abgerechnet werden darf.  

Nach wie vor herrscht bei Rezepturen ein vertragsloser Zustand. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte im vergangenen Jahr die Anlagen 1 (Stoffe) und 2 (Gefäße) der Hilfstaxe gekündigt – und eine Nachfolgeregelung konnte mit dem GKV-Spitzenverband nicht erreicht werden. Daher kommen seit Anfang dieses Jahres die allgemeinen Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung zur Anwendung, wenn abgerechnet wird (§§ 4 und 5 AMPreisV).

Der Festzuschlag von 90 Prozent auf Rezepturbestandteile und von 100 Prozent auf Substanzen, die die Apotheke unverarbeitet abgibt, wird jetzt also nicht mehr auf den Listenpreis der Hilfstaxe, sondern auf den tatsächlichen Einkaufspreis der Apotheke aufgeschlagen. Auch die Preise für Gefäße und nicht-verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel werden ausgehend vom tatsächlichen Einkaufspreis berechnet.

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Dissens zwischen DAV und GKV-Spitzenverband besteht jedoch bei der Frage, ob für Rezeptursubstanzen die gesamte Packung abzurechnen ist (DAV) oder aber die tatsächlich verarbeiteten Mengen (GKV). 

Der DAV verweist auf den Wortlaut in den Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung, wonach der „Einkaufspreis der üblichen Abpackung“ (§ 4 Abs. 2 bzw. § 5 Abs. 2 Ziffer 1 AMPreisV) maßgebend sei. Der GKV-Spitzenverband meint hingegen, dass nur der tatsächlich verarbeitete Anteil der Packung abgerechnet werden kann.

Barmer teilt Auffassung des GKV-Spitzenverbandes

Die Barmer schließt sich nun ausdrücklich der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes an. Diese Woche ging ein Schreiben an Apotheken raus, das dies klarstellt: „Wir vertreten die Auffassung, dass nur die Rezeptur erforderliche Stoffmenge, d. h. nur die anteilige Packung zu Lasten der GKV abgerechnet werden kann“, heißt es darin. Und: „Restmengen können für die Herstellung nachfolgender Rezepturen verwendet werden, die Abrechnung als Verwurf ist nicht zulässig.“

Des Weiteren bittet die Barmer die Apotheken, für die Herstellung die wirtschaftlichste Packung als Grundlage der Abrechnung zu verwenden – dabei verweist sie auf das in § 12 Sozialgesetzbuch V verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot. Und: Die Einkaufsnachweise möge man für Rückfragen aufheben.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

war da nicht was.....?

von Thomas B am 27.01.2024 um 10:11 Uhr

Bei häufig gebrauchten Substanzen oder Grundlagen kann ich die Denkweise der kranken Kassen sogar nachvollziehen und da werden wir auch weiterhin nur anteilig berechnen. Aber wer zieht wo die Grenze? Und wie unterbindet man wirkungsvoll sowohl Missbrauch der Apotheken als auch Kassenwillkür?
Das Problem könnte man lösen: Gegen Ersatz des Arbeitsaufwands (zB 1 €/Min) können die Retaxstellen gerne die Rechnung(en) als Nachweis(e) fordern. Eine tagesaktuelle Rechnung für die benötigte Menge begründet die Verwurfsberechnung. Bei berechtigter Retax entfällt die Erstattung des Aufwands. Oder alternativ: Retaxversuch und als Einsatz der komplette Monatsabschlag der jeweiligen Kasse, falls sich herausstellen sollte, dass ökonomisch gehandelt wurde wurde, ähnlich wie bei ungerechtfertigten Absetzungen ja eigentlich ohnehin vorgegeben....

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Vorschlag zur Güte

von Andreas Grünebaum am 25.01.2024 um 20:42 Uhr

90% aller Individualrezepturen würden bei korrekter Berechnung der Vollkosten in sehr kurzer Zeit zugunsten von FAM Geschichte - und das wäre gut so!

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Exkurs: Definition Wirtschaftlichkeit

von Dr. House am 25.01.2024 um 18:37 Uhr

In unserer heutigen Begriffbestimmung befassen wir uns mit der "Wirtschaftlichkeit", da dieser ja unser aller Honorierung zugrunde liegt.
Dafür betrachten wir zunächst den Begriff aus Sicht eines Hardcorekapitalisten, eines Anhängers der sozialen Marktwirtschaft und last but not least einem Genossen der Planwirtschaft. Fangen wir mal mit der goldenen Mitte an. Was bedeutet Wirtschaftlichkeit in einer sozialen Marktwirtschaft? Die hier zu berücksichtigen Parteien sind: der Unternehmer, der Kunde bzw Patient und schließlich der Staat als Steuereintreiber, bzw die Selbstverwaltung des Gesundheitssystems, welches sparsam mit den Beiträgen umgehen muss. Der Preis eines Pruduktes ist hier so zu wählen, dass erstens gegeben ist, dass der Unternehmer ein Labor unterhält, seine angestellten Fachkräfte angemessen bezahlen kann und selber einen so hohen Gewinn einfährt, dass er motiviert ist den Job überhaupt zu machen. Dazu muss der Gewinn in Relation zur Verantwortung stehen - etwa bei der Herstellung überlebenswichtiger Kapseln für Kinder - und in Relation zum Gewinn vergleichbarer Branchen. Desweiteren darf dieses Honorar nicht eingefroren sein, sondern muss sich mindestens an der Inflation orientieren. Die Krankenkasse hat zu prüfen, ob eine Abrechnung von Verwürfen sinnvoll ist, zb anhand von Daten wie oft in einer Betriebsstätte bestimmte Stoffe vorkommen, wie deren Haltbarkeit ist. Bei einer ehrlichen Betrachtung würde sie zum Schluss kommen, dass die Apotheke ohne die Abrechnung von Verwürfen die gewöhnliche Rezeptur als Zuschussgeschäft betreiben müsste, bzw in Form einer Mischkalkulation. Dann sei die Frage gestattet, welch ander Topf der Apothekenvergütung einen solch hohen Überschuss hat, dass man heute noch von einer funktionierenden Mischkalkulation sprechen kann. Bei einer jahrzehnte lang eingefrorenen Mischkalkulation von Wirtschaftlichkeit zu sprechen wäre blanker Hohn und darauf würde gewiss nur ein besonders duckmäuserischer Berufsstand reinfallen.
Perspektive des Vollblutkapitlalisten (siehe USA). Solange die Herstellung keinen ordentlichen Gewinn einfährt, erfolgt keine Herstellung, bzw die Krankenkasse kann sich dann alleine um die Versorgung kümmern. Wirtschaftlichkeit besteht, wenn Geschäftsführer und Aktionäre neben hinreichenden Gewinnen stetiges Wachstum verzeichnen können
Planwirtschaftliche Perspektive: Die Krankenkasse strukturiert sich so, dass Überwachungsstelle 1 den Ausgabentopf für Rezepturen überwacht, jedoch nicht eingewiesen in das eigentliche Fachgebiet ist und Überwachungsstelle 2 die Verfügbarkeit von Rezeptursubstanzen, Praktikabilität, Annforderungen ans Labor, Mitarbeiterqualifikationen und Löhne, also alle Kostenfaktoren. Dabei ist zu beachten, dass Überwachungsstelle 1 niemals mit Überwachungsstelle 2 in Kontakt treten darf. Besser noch, die beiden Überwachungsstellen wissen gar nichts von ihrer Existenz. Gleichzeitig ist festgelegt, dass sämtlichen Mitarbeitern das Konzept der Inflation völlig unbekannt ist. Retaxstellen und medizinische Mitarbeiter werden gegen die Leistungserbringer eingeschworen. Wirtschaftlichkeit bedeutet, dass kein Gewinn eingefahren werden darf. Besser ist es, dass die Qualität leitet, etwa durch abgelaufenen Substanzen oder unqualifizierte Mitarbeiter. Damit den Apothekenmitarbeitern die Erkenntnis ihrer Selbstversklavung verwehrt bleibt, ist die Selbstverwaltung angehalten regelmäßig neue fantasievolle bürokratische Fallstricke zu erfinden und sie als alternativlos verbindlich einzuführen.

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