Interview mit Holger Gnekow

„Ich will ein Präsident der innovativen Apotheken sein“

Berlin - 02.04.2024, 07:00 Uhr

Kammerpräsident Holger Gnekow will den Nachwuchs stärken. (Bildnachweis: DAZ)

Kammerpräsident Holger Gnekow will den Nachwuchs stärken. (Bildnachweis: DAZ)


Holger Gnekow steht seit Januar dieses Jahres an der Spitze der Apothekerkammer Hamburg. Im Gespräch mit der DAZ erläutert er, welche Ziele er sich gesetzt hat, wie er den apothekerlichen Notdienst von Grund auf neu ordnen würde und weshalb es sich die Apothekerinnen und Apotheker mit den pharmazeutischen Dienstleistungen unnötig schwer machen.

DAZ: Herr Gnekow, Sie haben im Januar bei der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Hamburg überraschend für das Präsidentenamt kandidiert und sich gegen den bisherigen Amtsinhaber Kai-Peter Siemsen durchgesetzt. Weshalb sind Sie angetreten und wie spontan kam es tatsächlich zu dieser Entscheidung?

Gnekow: Natürlich habe ich mir im Vorfeld meine Gedanken gemacht, ob ich kandidieren soll oder nicht. Und die Entscheidung anzutreten, war richtig – insbesondere die jüngeren Kollegen haben mich breit unterstützt. Mein Ziel ist es, dass wir als Berufsstand stärker als bisher Ideen und Lösungen für aktuelle Probleme entwickeln und wegkommen von dieser oft sehr ablehnenden Haltung Neuem gegenüber. Wir müssen der Politik Angebote machen, das vermisse ich aktuell.

DAZ: Wie erklären Sie sich den Rückhalt unter den jungen Apothekerinnen und Apothekern?

Gnekow: Wir sind dafür bekannt, dass wir zukunftsorientiert sind, uns für neue Ideen öffnen und sehr pharmazeutisch agieren. Das kommt beim approbierten Nachwuchs gut an.

DAZ: Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen?

Gnekow: Mir liegen vor allem die pharmazeutischen Dienstleistungen sehr am Herzen. Der Berufsstand hat 30 Jahre lang dafür gekämpft, solche Leistungen anbieten und abrechnen zu dürfen, jetzt sollten wir die Chance auch nutzen und damit unsere pharmazeutische Kompetenz unterstreichen. Die bürokratischen Hürden sind inzwischen deutlich gesunken, wir haben dafür gute EDV-Unterstützung, technisch steht uns nichts mehr im Weg. Natürlich mangelt es uns allen an Personal, aber mache Leistungen wie die Inhalatorschulung erbringen wir doch eh nebenbei. Da geht es ja nur noch um das Abrechnen.

Nun sind Ihre Apotheken vergleichsweise groß und vermutlich auch umsatzstark. Was sagen Sie Kolleginnen und Kollegen mit eher kleinen Betrieben, die Konzepte wie komplexe pharmazeutische Dienstleistungen nicht so einfach umsetzen können?

Gnekow: Das ist vor allem eine Frage der Motivation. Und manchmal stehen wir uns mit unserem Anspruch auch selbst im Weg – bei der Medikationsanalyse etwa muss man sich nicht immer die hochkomplexen Fälle aussuchen. Es ist nicht schlimm, wenn man einfach mal einen Patienten darin bestärken kann, dass mit seiner Medikation alles okay ist. Wir gehen doch auch zum Zahnarzt zur Prophylaxe und wollen gar nicht, dass er was findet. Bezogen auf die Medikation kann bereits die simple Bestätigung, dass alles in Ordnung ist, die Adhärenz verbessern. Das ist wertvoll genug.

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Reicht die Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen aus?

Gnekow: Ich glaube, wir haben keine Chance, die Honorierung nochmals mit dem GKV-Spitzenverband zu verhandeln. Und sie ist auch ausreichend, wenn man effektiv und strukturiert arbeitet. Bevor es die pharmazeutischen Dienstleistungen gab, haben wir uns in einem Modellprojekt mit der Techniker Krankenkasse engagiert, das in eine ähnliche Richtung ging. Da war die Vergütung noch niedriger. Zudem bin ich überzeugt, dass wir nicht eine einzige Medikationsanalyse mehr durchführen werden, nur weil es 20 Prozent mehr Honorar gibt. Die wesentlichen Aspekte in diesem Zusammenhang sind Organisation und Übung. Wenn diese Punkte passen, lassen sich die Dienstleistungen auch mit der aktuellen Vergütung wirtschaftlich darstellen.

Einige Inhaberinnen und Inhaber kleinerer Betriebe werden Ihnen vermutlich widersprechen. Hand aufs Herz: Sind Sie ein Präsident der großen Apotheken?

Gnekow: Ich will ein Präsident der innovativen Apotheken sein. Das hat mit der Größe nichts zu tun, sondern mit der Einstellung. Ich bin fest überzeugt, dass auch kleine Apotheken in der Lage sind, komplexe Dienstleistungen wie die Medikationsanalyse anzubieten, wenn das Engagement passt. Man muss sich gut organisieren und Zeitfenster freischaufeln, in denen man Termine anbieten kann, aber dann ist das für die meisten durchaus möglich.

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Als Kammerpräsident sind Sie jetzt auch Teil der Mitgliederversammlung, dem höchsten Gremium der ABDA. Welche Impulse wollen Sie in Berlin setzen?

Gnekow: Ich wünsche mir schnellere Entscheidungsprozesse und einen intensiveren Austausch untereinander als bisher. Oft hat eine Kammer für ein Problem bereits eine tolle Lösung entwickelt, da müssen die anderen sich nicht auch noch dran abarbeiten, sondern man kann voneinander profitieren. Zudem möchte ich das Thema Notdienst neu denken, auch wenn das eher auf die Ebene der Bundesapothekerkammer gehört. Wir müssen uns überlegen, ob es wirklich nötig ist, dass in städtischen Gebieten wie Hamburg jede Nacht so viele Apotheken dienstbereit sind wie es derzeit der Fall ist. Vielleicht können wir in diesem Zusammenhang die neuen Möglichkeiten nutzen, die uns das E-Rezept bietet. Patienten könnten zum Beispiel nachts einfach ihre Rezepte elektronisch an die Apotheke übermitteln und die Apotheke könnte das verschriebene Arzneimittel in Notfällen liefern. Denkbar wäre, dass die Lieferung nicht über einen hauseigenen Botendienst erfolgt, sondern dass wir zum Beispiel gemeinschaftlich einen Kooperationsvertrag mit einem Taxiunternehmen schließen, das dann diesen Part übernimmt.

Wie ließe sich so eine Kooperation finanzieren?

Gnekow: Dafür müsste man es ermöglichen, die finanziellen Mittel aus dem Nacht- und Notdienstfonds flexibler einzusetzen als bisher. Eine bundeseinheitliche Lösung für das Notdienstproblem zu finden, wird sicher schwierig. Dafür sind etwa die Anforderungen in den Stadtstaaten zu unterschiedlich von jenen in den Flächenländern. Aber regional könnte es Ansätze geben, die auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmt sind. Ich könnte mir vorstellen, dass den Kammern anteilig nach ihrer Einzahlquote ein Budget aus dem NNF zur Verfügung gestellt wird und sie in Kooperation mit den Verbänden die Verteilung übernehmen, je nachdem, was für ein Notdienstsystem sie aufgesetzt haben. Für Hamburg käme dann zum Beispiel infrage, die Zahl der diensthabenden Apotheken während der Notdienstzeiten deutlich zu reduzieren, für die verbleibenden die Notdienstpauschale zu erhöhen und – in welcher Form auch immer – Botendienste anzubieten. Das hätte auch für die Patienten Vorteile. Denn es ist in sich nicht stimmig, dass der Notarzt nach Hause kommt, aber das Medikament abgeholt werden muss. Auch wenn das vielleicht noch nicht die ultimative Lösung ist: Wichtig ist mir, dass wir in die Diskussion kommen und versuchen, Wege zu finden, wie wir in Zukunft mit dem Thema Notdienst umgehen wollen.

Damit Ihr Konzept aufgehen kann, muss das E-Rezept einwandfrei funktionieren. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand?

Gnekow: Da ist noch viel zu tun. Die morgendlichen Ausfälle, die wir erlebt haben, sind vollkommen inakzeptabel. Zudem sind viele Prozesse nicht sauber durchdacht. Ich bin ein Freund EDV-gestützter Innovationen und befürworte im Kern auch die Einführung des E-Rezepts. Aber dass wir Apotheker Gefahr laufen, retaxiert zu werden, weil die technischen Abläufe noch nicht ausgefeilt sind, darf nicht sein. Da hätte das BMG frühzeitig und entschieden einschreiten und zumindest Bedenken zerstreuen müssen. So fühlt es sich an, als ließe die Politik uns hängen.

Im BMG beschäftigt man sich gerade auf andere Weise mit den Apotheken: Bundesgesundheitsminister Lauterbach will es unter anderem ermöglichen, PTA Filialen leiten zu lassen, sofern eine telepharmazeutische Unterstützung durch eine Apothekerin oder einen Apotheker gewährleistet ist. Können Sie diesem Ansatz etwas abgewinnen?

Gnekow: Nein, absolut nicht. Es mangelt uns eh schon an PTA, und jetzt sollen wir auch noch welche finden, die bereit sind, eine Filiale zu leiten? Wer solche Aufgaben übernimmt, möchte berechtigterweise auch ein höheres Gehalt als andere Angestellte. Das ergibt dann aber aus wirtschaftlicher Sicht für den Inhaber keinen Sinn mehr. Und Apotheker bei Bedarf zuzuschalten, ist völlig am Thema vorbei. Der Kunde steht jetzt vor mir und möchte eine Antwort auf seine Frage haben. Das ist nach meinem Verständnis auch keine Telepharmazie.

Im Eckpunktepapier aus dem BMG zur Apothekenreform ist auch eine Umschichtung des Apothekenhonorars vorgesehen, die letztlich einen Umverteilungseffekt erzielen soll – weg von den großen, umsatzstarken Betrieben hin zu kleinen Landapotheken. Wie stehen Sie zu dem Vorhaben, die Drei-Prozent-Marge auf 2 Prozent zu senken und die freiwerdenden Mittel in eine Erhöhung des Fixums zu stecken?

Gnekow: Das ist der völlig verkehrte Weg. Nur weil eine Apotheke viel Umsatz macht, ist nicht automatisch auch der Rohgewinn hoch. Dem Ganzen liegt die Annahme zugrunde, dass man mit Hochpreisern viel Geld verdienen könnte, aber das stimmt so nicht. Ich sehe in den Plänen des Ministers eher die Gefahr, dass immer weniger Apotheken bereit sein werden, Hochpreiser abzugeben. Denn der Kapitaleinsatz und das Risiko sind hoch. Die Konsequenz daraus könnte sein, dass wir diesen Markt gänzlich verlieren und die Industrie ihre Produkte direkt an die Patienten vertreibt. Das darf nicht passieren.

Wie kann der Berufsstand den Minister jetzt noch erreichen und zu Zugeständnissen bewegen?

Gnekow: Wir sollten ihm etwas anbieten, idealerweise Lösungen zu Problemen, die ihn gerade umtreiben. Das sind zum Beispiel die Lieferengpässe, das Thema Notfallversorgung und die Gesundheitskioske. Wie können wir beispielsweise dazu beitragen, Lieferengpässe effektiver zu managen als bisher? Darüber sollten wir uns Gedanken machen und Konzepte vorlegen. Im Gegenzug muss der erhöhte Kassenabschlag sofort zurückgenommen werden und eine gesetzgeberische Initiative her, um Skonti, wie wir sie kennen, weiter möglich zu machen.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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6 Kommentare

Na - was denn nun?

von Uwe Hansmann am 04.04.2024 um 8:51 Uhr

Gnekow: Ich glaube, wir haben keine Chance, die Honorierung nochmals mit dem GKV-Spitzenverband zu verhandeln. Und sie ist auch ausreichend, wenn man effektiv und strukturiert arbeitet.

Und einen Artikel tiefer . . .

Der Verein innovativer Apotheken (via) hat ein neues Fünf-Punkte-Programm veröffentlicht. Oberste Forderung ist die Anpassung der Apothekenhonorare. Aber auch die Erweiterung der Filialstruktur, GmbH-Apotheken und die Einrichtung von „Minilabs“ zur Entlastung von Arztpraxen stehen auf der neuen Agenda.




1. Via fordert in seinem Programm an erster Stelle eine Erhöhung der Fixvergütung. Und zwar eine noch deutlichere als die ABDA, die um 12 Euro kämpft. 15 Euro will via – die zusätzlichen 3 Prozent können bleiben. Zudem sei eine „anschließende Dynamisierung durch Bindung des Fixums an die Vertragsarzthonoraranpassung“ nötig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ok

von Karl Friedrich Müller am 02.04.2024 um 13:37 Uhr

Dann zahlen auch nur die „innovativen Apotheken“ Beiträge.
Den anderen ist es nicht zuzumuten.
Auch eine ehrliche Aussage, dass man bei Kammern, DAV und ABDA selektiert. Die vermeintlich unnützen Apotheken sollen sich vom Acker machen.
Ich finde mit der offenen Einstellung sind Kamnern und Verbände nicht mehr als Sprecher und Vertreter aller Apotheken akzeptabel.
Auf zur freien Apothekerschaft.

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.

von Anita Peter am 02.04.2024 um 12:37 Uhr

Na endlich werden uns die Augen geöffnet. Es liegt am fehlenden Engagement.

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Präsident der innovativen Apotheken.

von Roland Mückschel am 02.04.2024 um 11:47 Uhr

Verstehe, also kein Budenpräsident!

Hatten wir schon, brauchen wir nicht. Tschüss!

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Mischkalkulation und PDL

von Dr. House am 02.04.2024 um 9:36 Uhr

Die PDL so wie sie jetzt sind sind Nebelkerzen. Sie werden dem Beruf weder ein neues Gesicht geben (Denn Apotheken, die auf diesem Gebiet kompetent sind, bieten diese Leistungen seit mindestens 10 Jahren an und ein Großteil kann sie sich schlicht wirtschaftlich nicht leisten), noch werden sie irgendetwas an der sehr festgefahrenen Meinung der Gesundheitspolitiker am Apothekerberuf ändern. Aber lasst uns ruhig diese Ablenkungs- und Selbsttäuschungsstrategie bis in den Untergang verfolgen. Dann hat man nämlich einen Buhmann analog zur Pandemie der Ungeimpften: das Apothekensterben der Nicht-PDL'ierenden

Neulich hatte ich wieder selbst ein schönes "PDL" Beispiel. Arzt hat Patient zwei Statine aufgeschrieben. Das ganze kurz per Anruf geklärt. Sicherlich hätte man daraus eine abrechenbare PDL machen können, es war mir schlicht zu aufwendig und zu blöde die Unterschriften einzutreiben. Und da ich durch das verlorengegangene Simvastatin eh Honorar eingebüßt hatte, wollte ich mit diesem Vorgang so wenig Zeit und Bürokratie wie möglich verschwenden. Aber natürlich ist und war es für den Großteil aller Apotheken (auch derer, die PDL nicht bewerben und an die große GLocke hängen) selbstverständlich solche Probleme auf dem kurzen Dienstweg zu lösen. Deswegen kann eine vernünftige und bürokratiearme Honorierung der PDL nur in einem vollständigen und gesunden Mischhonorar liegen. Jetzt sitzen wir in der Sackgasse. Weder das Honorar für die PDL, noch die Mischkalkulation (die ihren Namen schon lange nicht mehr verdient) wird an die Inflation angepasst. Das habe ich auch schon an der BTM ,- und Botendienst-Pauschale kritisiert. Ein bisschen gierig haben wir ohne uns groß aufzulehnen die gierigen Fingerchen nach diesen Silberlingen ausgestreckt ohne zu merken, dass man damit die Grundpfeiler unserer Honorierung zum Abschuss freigegeben hat.

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AW: Mischkalkulation und PDL

von Anita Peter am 02.04.2024 um 12:42 Uhr

Alles was der Typ labert ist pro Großbudenbesitzer. Skonti muss weiterhin bleuben, davon profitieren die Großen natürlich am stärksten. Umverteilung, zB über einen gestaffeten Kassenanbschlag, ist natürlich pfui. Lieber die kleine Konkurrenz platt machen um noch größer zu werden.
Unsere Stadnesvertretung hat die Apotheken unterhalb des Durchschnitts längst aufgebeben. Vielen Dank dafür.

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