Reform Arzneimittelrecht

EU-Pharmapaket: Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

Berlin - 09.04.2024, 15:15 Uhr

Der EU-Parlamentarier Peter Liese wirbt für das Pharmapaket. (Foto: IMAGO / Future Image)

Der EU-Parlamentarier Peter Liese wirbt für das Pharmapaket. (Foto: IMAGO / Future Image)


An diesem Mittwoch soll im EU-Parlament das Pharmapaket verabschiedet werden. Darin enthalten sind unter anderem strengere Regelungen für den Einsatz von Antibiotika. Für die Pharmaindustrie hingegen sollen Anreize geschaffen werden, neue Antibiotika zu entwickeln – wie das gehen soll, das erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese, in einem Pressegespräch.

Mit Blick auf die Entwicklung neuer Antibiotika gibt es ein „Marktversagen“. Das steht im Entwurf für eine Reform des Arzneimittelrechts, über den diese Woche Mittwoch im EU-Parlament abgestimmt wird. Die Konsequenzen dieses Marktversagens sind gravierend: Mehr als 35.000 Menschen sterben jährlich in der EU, weil sie sich mit einem Keim angesteckt haben, Tendenz steigend.

Von einer „stillen Pandemie“ sei oft die Rede, da das Thema nicht die notwendige Beachtung finde. Das sagte der gesundheitspolitische Sprecher der EVP, Peter Liese, bei einem Pressegespräch am Dienstag, bei dem es ausschließlich um diesen Aspekt des neuen Pharmapakets ging. Geladen war auch Prof. Volkhard Kempf von der Universitätsklinik Frankfurt/Main.

Der Mikrobiologe sprach in diesem Zusammenhang von zwei Szenarien. Zum einen gebe es die höchstresistenten Erreger, die von Patientinnen und Patienten aus dem Ausland eingeschleppt werden. In zunehmendem Maß sei man allerdings auch bei der einheimischen Bevölkerung mit solchen Keimen konfrontiert. Es handle sich dabei um eine „ganz neue Dimension“, die sich in Europa aufbaue.

Um dem etwas entgegenzusetzen, soll durch das Pharmapaket die Verwendung strenger reguliert werden. Zum einen soll sichergestellt werden, dass der Einsatz von Antibiotika „zielgerichtet“ ist. Das bedeutet unter anderem, dass durch einen Schnelltest geklärt werden soll, ob es sich überhaupt um einen Keim und nicht vielleicht ein Virus handelt.

Engere Überwachung und „Awareness-Karte“

Der Einsatz von Antibiotika soll zudem enger überwacht werden. Darüber hinaus ist auch eine „Awareness-Karte“ in den einzelnen Packungen vorgesehen, auf der dazu aufgerufen wird, das Arzneimittel nur zu nehmen, wenn es einem auch persönlich verschrieben wurde. Als letzten Punkt nannte Liese, dass Antibiotika in der EU generell verschreibungspflichtig werden müssten – in einigen EU-Mitgliedstaaten ist das noch nicht der Fall.

Kaum neue Antibiotika in vergangenen Jahrzehnten

Auf Ebene einer Verordnung soll nun das eingangs erwähnte Marktversagen bei der Produktion neuer Antibiotika angegangen werden. In den vergangenen Jahrzehnten seien kaum neue Mittel auf den Markt gekommen, so Liese. Der Grund sei, dass die Pharmaindustrie sich zurückhalte, weil die Antibiotika, die gegen die höchstresistenten Erreger gebraucht werden würden, nur in seltenen Fällen zur Anwendung kämen, die Patentschutzzeit aber zu kurz sei, dass sich die Entwicklung lohne.

Antwort darauf könnte das geplante Voucher-System sein, das Liese in diesem Zusammenhang noch einmal erläuterte. Für die Entwicklung sogenannter Priority Antimicrobials soll es eine Art Gutschein geben, der die Zeit des Unterlagenschutzes verlängert – und zwar nicht unbedingt für das entwickelte Antibiotikum, sondern ein beliebiges zugelassenes Arzneimittel.

Voucher und Marktexklusivität

Das heißt: Wer ein spezielles Antibiotikum entwickelt, bekommt einen Voucher, der dann für viel Geld an ein anderes Unternehmen verkauft werden kann, das sich für ein eigenes Mittel den verlängerten Unterlagenschutz sichert.

Die „Marktexklusivität“ ließe sich also übertragen. Liese nannte als Beispiel, dass Eli Lilly sich von einem Unternehmen, das ein „Priority Antimicrobial“ entwickelte, den Voucher kaufen und für seine Abnehmspritze verwenden könnte.

Hohe Hürden für „Priority Antimicrobial“

Allerdings sind die Hürden für eine Einstufung als „Priority Antimicrobial“ hoch. In dem Entwurf geht die EU davon aus, dass in den kommenden 15 Jahren nicht mehr als zehn Antibiotika diesen Status erhalten sollen.

Aus der forschenden Pharmaindustrie habe man positive Rückmeldungen bekommen, so Liese. Die Rede sei von einem „Gamechanger“. Die Krankenkassen hingegen würden „auf die Bremse treten“. Man müsste sich jedoch der „Herausforderung“ stellen. Wenn jemand ein kostengünstigeres Modell habe, so Liese, soll er es „auf den Tisch legen“. Er habe bislang aber noch keines gesehen.

Die Chancen jedenfalls, dass das Pharmapaket am Mittwoch verabschiedet wird, bewertete Liese als hoch. Allerdings sei der EU-Rat noch nicht so weit. Er hoffe, dass der Trilog nach der EU-Wahl im Juni beginnen werde.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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