Nachwuchsmangel herrschte bisher auch in der Standespolitik. Inzwischen begegnet man doch regelmäßig vergleichsweise jungen Kolleginnen und Kollegen. Vollzieht sich in der Berufspolitik gerade ein Generationenwechsel?
Das ist durchaus möglich und sicher auch nötig. Unser Berufsbild befindet sich im Wandel. Und diesen Wandel müssen wir gestalten. Da ist das Engagement der jungen Approbierten, die vielleicht noch 20 bis 30 Jahre in der Apotheke arbeiten möchten, bestimmt besonders groß. Am Ende geht es aber vor allem um die Einstellung. Dass Holger Gnekow in Hamburg zum Kammerpräsidenten gewählt wurde, empfinde ich zum Beispiel als Bereicherung für den Berufsstand, obwohl er eher nicht mehr zum Nachwuchs zählt.
Als Berliner Kammerpräsidentin profitieren Sie auch von einer gewissen räumlichen Nähe zu den Büros der Bundestagsabgeordneten. Welche Botschaft nehmen Sie mit in die Gespräche?
Die Apothekerschaft kann und will Versorgungsangebote machen, die den Patientinnen und Patienten wirklich nutzen. In unserer derzeitigen wirtschaftlichen Lage lässt sich aber kaum noch etwas Neues etablieren. Wir stehen bereit, um zukunftsträchtige Konzepte zu entwickeln, brauchen aber im ersten Schritt eine Honoraranpassung, um wieder Luft zum Atmen zu haben und investieren zu können. Das muss sich nicht auf eine Erhöhung des Fixums beschränken. Denkbar wären auch zusätzliche Säulen, etwa eine Vergütung der Beratungsleistungen, die wir abseits der unmittelbaren Arzneimittelabgabe erbringen. Im zweiten Schritt bringen wir gern innovative Angebote in die Fläche. Aber die Abfolge muss klar sein: Zunächst gilt es, uns wirtschaftlich in die Lage zu versetzen, Neues anzubieten. Erst dann können wir die Versorgung der Zukunft gestalten. Denn wem jetzt schon das Wasser bis zum Hals steht, der wird kaum in der Lage sein, innovative Angebote zu machen. Und wir müssen deutlich machen, was bei Fehlentscheidungen auf dem Spiel steht – nämlich die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.
Welche neuen Versorgungsangebote könnten Apotheken perspektivisch machen?
Wenn wir den demografischen Wandel bewältigen wollen, muss die Gesellschaft insgesamt gesünder werden. Dazu können wir beitragen, zum Beispiel durch Präventionsangebote und eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Dafür brauchen die Menschen das persönliche Gespräch vor Ort – keine KI kann das ersetzen.
Zurück in die Hauptstadt – Berlin wird in der Politik gern als Beispiel herangezogen dafür, wo Apotheken verzichtbar sind. Denn hier gibt es vermeintlich genug bis zu viele. Was halten Sie dem entgegen?
Wir haben in Berlin inzwischen gerade einmal noch 700 Apotheken. Bei rund vier Millionen Einwohnern bedeutet das, dass jede von ihnen etwa 6.000 Menschen versorgt. Das ist eine enorm große Zahl. Wir müssen uns in den Großstädten eine gewisse Dichte an Betriebsstätten leisten, um dem Bedarf gerecht werden zu können. Auch die Arzneimittelversender können das nicht auffangen. Ich sehe und höre immer wieder, dass die Patientinnen und Patienten in den Apotheken Schlange stehen. Das zeigt doch, dass der persönliche Kontakt gewünscht ist, obwohl es bestimmt bequemer wäre, die Medikamente vom Sofa aus zu bestellen. Gleichzeitig stoßen bereits jetzt viele von uns an ihre Kapazitätsgrenze. Und ich möchte es nicht erleben, dass Leute unversorgt vor der Tür stehenbleiben, wenn ich um 20 Uhr schließe. Natürlich könnte ich meine Apotheke auch bis 21 oder 22 Uhr geöffnet halten. Aber wenn nicht genug Geld da ist, um meine Mitarbeitenden fair zu bezahlen, finde ich dafür kein Personal. Damit sind wir wieder kein Kernthema: Wir brauchen eine faire Vergütung, um die Herausforderungen, vor denen wir stehen, bewältigen zu können.
Frau Lucas, vielen Dank für das Gespräch!
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.