Zulassungserweiterung für Tyrosinkinase-Hemmer

Avapritinib zugelassen bei indolenter systemischer Mastozytose

Stuttgart - 10.05.2024, 14:59 Uhr

Quaddeln und Exantheme am Rumpf und den Oberschenkeln sind typisch für indolente systemische Mastozytose. (Foto: Cookson H, G Clive 2016)

Quaddeln und Exantheme am Rumpf und den Oberschenkeln sind typisch für indolente systemische Mastozytose. (Foto: Cookson H, G Clive 2016)


Bereits Ende Dezember 2023 hat die Europäische Arzneimittel-Agentur den Tyrosinkinase-Inhibitor Avapritinib für die seltene genetische Mastozytose-Form zugelassen. Wie wirkt der Arzneistoff und was ist die indolente systemische Mastozytose überhaupt?

Haben Sie schon einmal von der indolenten systemischen Mastozytose (ISM) gehört? Bei dieser seltenen Erkrankung kommt es durch eine Mutation des KIT D816V-Gens zur Fehlregulation der Mastzellproliferation. Dadurch akkumulieren Mastzellen in verschiedenen Organen und als Folge der Histamin-Ausschüttung kommt es zu diversen Symptomen. Häufig sind Exantheme an den Oberschenkeln und am Rumpf, sowie Juckreiz und Quaddeln. Auch Diarrhö und abdominelle Krämpfe können auftreten, sowie Atemnot, Depressionen oder Muskelschmerzen und langfristig  kann sich möglicherweise eine Osteoporose entwickeln. Außerdem ist das Risiko einer Anaphylaxie erhöht, wenn es durch eine allergische Reaktion zur massiven Ausschüttung von Histamin kommt. 

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Durch die Diversität der Symptome ist die indolente systemische Mastozytose schwer zu diagnostizieren. Treten die typischen Exantheme an Oberschenkeln und Rumpf auf oder unspezifische Beschwerden mehrerer Organsysteme, sollte an ISM gedacht werden. Zur Diagnose wird meist zunächst der Tryptase-Spiegel bestimmt: Ein Wert über 20 ng/ml erhärtet den Verdacht einer ISM. Tryptasen sind Serinproteasen, die in Mastzellen gebildet und bei deren Aktivierung freigesetzt werden. Der Nachweis der Mutation, die der Erkrankung zugrunde liegt, und das Vorhandensein von Mastzellnestern im Knochenmark bestätigen dann das Vorliegen der Erkrankung.

Tyrosinkinase-Hemmer wirkt ursächlich, nicht nur symptomatisch

Zur Therapie der indolenten systemischen Mastozytose werden Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren zur Symptomkontrolle eingesetzt. Nun gibt es eine neue Therapieoption, die die Ursache der ISM angeht: Der Tyrosinkinase-Hemmer Avapritinib (Ayvakyt®) verhindert, dass das mutierte Gen aktiviert wird (durch Autophosphorylierung von KIT D816V); Mastzellprolieferation und -aktivierung bleiben aus. 

Der Wirkstoff ist in deutlich höherer Dosierung (200 mg) bereits bei fortgeschrittener systemischer Mastozytose, einer schwerwiegenden, seltenen Mastozytose-Form, zugelassen. Außerdem ist der Arzneistoff bereits zugelassen zur Behandlung von fortgeschrittenen gastrointestinalen Stromatumore. Im Dezember 2023 wurde die Zulassung bei ISM erweitert.

Avapritinib wird oral eingenommen

Bei ISM kann Avapritinib eingesetzt werden, wenn der Patient oder die Patientin auf die symptomatische Therapie nicht angesprochen hat. Das Arzneimittel wird oral auf nüchternen Magen eingenommen. Die gleichzeitige Anwendung mit starken oder moderaten CYP3A-Inhibitoren sollte vermieden werden, da dies die Plasmakonzentration von Avapritinib erhöhen kann. Es können verstärkt Nebenwirkungen auftretet. Lässt sich eine gleichzeitige Anwendung nicht vermeiden, so sollte eine Reduktion der Avapritinib-Dosis bedacht werden.

Die Zulassungsstudie mit ISM-Patienten

In der Zulassungsstudie konnte der Total Symptom Score (TSS) der Avapritinib-Gruppe nach 24 Wochen durchschnittlich um 15,6 Punkte gesenkt werden (95%- Konfidenzintervall [KI] -18,6 bis -12,6) und in der Placebogruppe um 9,2 Punkte (-13,1 bis -5,2). Der TSS umfasste 11 ISM-Symptome und erstreckt sich von 0 bis 110 Punkten. Je höher der Score, desto schwerwiegender sind die Beschwerden.

212 Patienten und Patientinnen mit ISM nehmen an der Studie teil, die aufgrund der Beobachtung etwaiger Langzeiteffekte noch nicht abgeschlossen ist. 141 Teilnehmende in der Verumgruppe nahmen täglich eine Tablette mit 25 mg Avapritinib über 24 Wochen ein. Bei 25% dieser Patienten sank der TSS-Score um mehr als die Hälfte. Die häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung waren periphere Ödeme.

Literatur

Ayvakyt (avapritinib). EMA Januar 2024, Ayvakyt; INN-avapritinib (europa.eu)

Cookson H, Clive G. An update on mast cell disorders. Clin Med December 2016,  An update on mast cell disorders | RCP Journals

Gotlib J et al.  Avapritinib versus Placebo in Indolent Systemic Mastocytosis. New England Journal of Medicine 23. Mai 2023, Avapritinib versus Placebo in Indolent Systemic Mastocytosis | NEJM Evidence


Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


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