Wie sich Apotheken vor Starkregen und Hochwasser schützen können

Die nächste Flut kommt bestimmt

13.06.2024, 07:00 Uhr

Hochwasser kann in einer Apotheke enormen Schaden anrichten. Welche Vorsorgemaßnahmen sollten Apothekenleiter treffen? (Foto: IMAGO / Daniel Kubirski)

Hochwasser kann in einer Apotheke enormen Schaden anrichten. Welche Vorsorgemaßnahmen sollten Apothekenleiter treffen? (Foto: IMAGO / Daniel Kubirski)


Gehören Gummistiefel bald zur unverzichtbaren Berufskleidung in Apotheken? Vor wenigen Jahren wäre verständnisloses Kopfschütteln wohl die einzige Antwort auf diese Frage gewesen. Doch mittlerweile hat sich die Situation geändert. Sicher, auch künftig ist nicht damit zu rechnen, dass Gummi­stiefel neben der Präzisionswaage und dem Mikroskop als Pflichtausstattung revisionsrelevant werden, doch die sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ treten in immer kürzeren Abständen auf, überschwemmen Siedlungen und auch Apotheken. 

Heftige Wetterphänomene wie Starkregen, Hochwasser, Hagelschlag und Stürme sowie deren Folgen wie Überschwemmungen, Hangrutsche oder auch Waldbrände nehmen zu. Mittlerweile hat die verharmlosende Aussage „das hatten wir noch nie“ so gut wie überall ausgedient. Extremwetter sind fast schon Normalität, an die wir uns gewöhnt haben. Ein paar Gummistiefel reichen also längst nicht mehr, um Apothekensicherheit neu herzustellen – sie können aber nützlich sein.

Hochwasser gefährdet Apotheken ganz besonders

Einer Untersuchung des Helmholtz-Zentrums Potsdam [1] zufolge gab es im Zeitraum von 1952 bis 1977 nur halb so viele extreme Hochwasser wie im Zeitraum 1978 bis 2002. Und in den vergangenen Jahren wurde es aufgrund der Klimaerwärmung noch schlimmer. Grundsätzlich gilt die Faustregel: Bei 1 Grad Erwärmung können rund 7 Prozent mehr Wasserdampf von der Luft aufgenommen werden [2]. Die daraus folgenden Wetter­risiken mussten wir in diesem Jahr schon zweimal erleben: Zum Jahreswechsel bedrohten steigende Pegel in Niedersachsen viele Apotheken, für die das bisher nie ein Thema war. Die Aller bei Celle „erwischte“ beispielsweise gleich zwei Filialen eines Inhabers. Und im Mai/Juni suchten die Wassermassen den Süden der Republik fast schon flächendeckend heim.  
Was Extremwetter für einen Apotheker bedeuten kann, musste 2021 auch der Inhaber zweier Apotheken in Bonn und Bad Neuenahr erleben. Weil ein zentrales Regenwasser-Abflussrohr dem Starkregen nicht mehr standhalten konnte, wurde das gesamte Bonner Maximiliancenter unter Wasser gesetzt. Das Center war wochenlang geschlossen, auch weil ein durch das Wasser verursachter Kurzschluss im Inneren zu einem Brand geführt hatte. Die dortige Apotheke erlitt einen Totalschaden. Nur Tage später traf es die zweite Apotheke des Inhabers in Bad Neuenahr, hier wurde sogar das gesamte Haus Opfer der Wassermassen. Beide Apotheken wurden nicht wieder eröffnet; unter anderem, weil sie nicht hinreichend versichert waren. Und damit waren sie nicht allein, denn direkt nach der „Jahrhundertflut“ 2021 mussten rund 70 Apotheken geschlossen bleiben. Mehrere hundert Apotheken waren schwer beschädigt. Man hörte allerorten von unzulänglicher Schadenregulierung. 

Dabei zahlen Versicherer nach Unwettern viel Geld. Allein 2023 mussten sie aufgrund von Extremwettern Schäden in Höhe von 4,9 Milliarden Euro regulieren, wie Jörg Asmussen, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), berichtete [3]. Vor allem der Sommer hatte es in sich: Allein im August verursachten schwere Unwetter versicherte Schäden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, so der GDV.

Konsequenzen für die Apothekenversicherung

Woran liegt es also, dass gerade Apotheken oft nicht die Schadensummen erstattet bekommen, die sie für eine Wiedereröffnung brauchen? Die Antwort ist einfach: Vor allem an den zwingend einzuhaltenden Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), in der sehr viele Passagen im direkten Gegensatz zu den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AGB) der hierzulande aktiven Gebäude- und Werteversicherer stehen. Die Details würden den Rahmen dieses Artikels bei Weitem sprengen. 

TIPP: Wir empfehlen das DAV-Standardwerk „Versicherungen für Apotheken“. Dieses Nachschlagewerk erklärt alle Bedingungselemente und Klauseln, welche die Apothekenpolice auch in Bezug auf das Apothekenrecht und die immer häufiger werdenden Großschadenslagen rechtsverbindlich ordnungsgemäß absichern. 

Ergänzende Elementarschaden-Versicherung schützt vor den Fluten

Die in diesem Zusammenhang wichtigste zu klärende Frage für alle Apothekeninhaber ist die nach dem Vorhandensein einer Elementarschaden-Deckung, die den Schutz der Gebäudeversicherung sowie gewerblicher Inhaltsversicherungen um Hochwasser- und Starkregenschäden erweitert. Und zweitens empfiehlt sich ein Blick auf die aktuell vereinbarten Versicherungssummen, denn diese sollten mindestens der Summe entsprechen, die einem Totalschaden am Gebäude entsprechen sowie eine komplette Neuausstattung der Apothekenein­richtung erlauben. Und das, wenn möglich, zu heutigen Bau- und Anschaffungskosten.   

Eine solche Absicherung ist aber keine Selbstverständlichkeit: Denn weitverbreitete Klauseln für Starkregenschäden haben in vielen Tarifen die Leistungshürden von Versicherern hochgesetzt. Versicherungsnehmer müssen daher unbedingt prüfen, ob etwa eingebaute Rückstauklappen als Obliegenheit vorausgesetzt werden. Dazu sollte auch die Bauordnung der Kommune geprüft werden. Oder das Thema wird an einen Experten überantwortet.  
Weitere Einschränkungen: Nach einem Schaden ist eine Absicherung bei einem Anbieter deutlich schwerer erhältlich. Risikofragen der Versicherer greifen die letzten zehn Jahre ab. Daher sollte eine Versicherung unbedingt vor einer Jahrhundertflut abgeschlossen werden. Und Achtung: Manche Tarife enthalten eine Wartezeit. 

Ebenfalls auf den Prüfstand sollte der Betriebsunterbrechungs-Schutz. Viel zu oft ist dieser als sogenannte „Klein-BU“ (BU steht in diesem Fall für Betriebsunterbrechung) nur im Rahmen der Inhaltsversicherung mitversichert. Dann steht aber für Sachschäden und Unterbrechung nur eine Versicherungssumme zur Verfügung. Und das ist bei Apotheken, die aufgrund von Großschäden schließen müssen, so gut wie immer zu wenig, weil die Kosten einer schadenbedingten Apothekenschließung deutlich höher sind als der Gesamtwert der Einrichtung. Deshalb sind Klein-BUs ein Hauptfaktor für Apothekeninsolvenzen. Diese kleinen Lösungen gehören deshalb gegen eigenständige Betriebsunterbrechungspolicen mit angemessenen und separaten Deckungen ausgetauscht. 

Zonierungssystem definiert Gefährdungslagen

Nach einem Großschaden nimmt die Versicherungswirtschaft betroffene Apotheken oft nicht mehr oder nur zu sehr hohen Prämien als Neukunden an. Zudem teilt das Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (ZÜRS Geo) mehr als 22 Millionen Standorte in vier Gefährdungsklassen (GK) ein. Das führt dazu, dass Gefahrenstandorte teurer oder nicht versicherbar sind. Die gute Nachricht: Noch fallen mehr als 92 Prozent der Standorte unter die Gefährdungsklasse 1, die keine Hochwassergefahr durch größere Gewässer erkennt. Nur 0,4 Prozent der Standorte fallen unter die GK 4. Diese sind kaum versicherbar, weil die Versicherer mit mindestens einem Hochwasser in zehn Jahren rechnen. Zudem gibt es noch eine separate Klassifizierung für die Gefahr, die von Starkregen ausgeht. Hier gelten knapp 66 Prozent der Standorte als ungefährdet. Dem GDV zufolge sind aber mehr als 300.000 Adressen hochwassergefährdet [4]. Angesichts immer neuer Temperaturrekorde ist Eile geboten, denn die Häufung von Extremwettern schränkt eine einfache Versicherbarkeit immer  
weiter ein, und obendrein verteuern Schäden die Policen für Versicherungsnehmer.


Sven Fuhrmeister


Heiko Beckert
redaktion@daz.online


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