Analyse der Noventi-Geschäftszahlen für 2023

Neuausrichtung bei Noventi bringt mehr Umsatz und weniger Kosten

27.06.2024, 09:00 Uhr

Noventi (hier der Messestand auf der Expopharm) scheint wieder auf Kurs zu sein. (Foto: DAZ/Schelbert)

Noventi (hier der Messestand auf der Expopharm) scheint wieder auf Kurs zu sein. (Foto: DAZ/Schelbert)


Im Geschäftsbericht über das Jahr 2023 beschreibt Noventi die Erfolge bei der Fokussierung auf das Kerngeschäft. DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn zeigt in einer Analyse, wie sich dies in der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens niederschlägt. Die Umsätze sind gestiegen, die Personalkosten und sonstigen Aufwendungen gesunken. Die Zinsaufwendungen bleiben allerdings eine Herausforderung für Rechenzentren, die vorzeitige Zahlungen anbieten.

Noventi ist bei der angekündigten „Rückbesinnung auf die Wurzeln“ des Unternehmens gut vorangekommen. Dies ist die zentrale Botschaft des gerade veröffentlichten Berichts über das „Fokussierungsjahr“ 2023. Mit dem Kerngeschäft sind vor allem die Rezeptabrechnung und die Apotheken-IT gemeint. Der Geschäftsbericht für 2023 war mit Spannung erwartet worden, nachdem das Traditionsunternehmen im Vorjahr für 2022 einen Rekordverlust von 133 Millionen Euro gemeldet hatte (siehe DAZ.online vom 27. 9. 23). Bereits im Herbst 2022, als bekannt wurde, wie es um Noventi steht, hatte sich das Unternehmen die neue Strategie „Fokussierung 2025“ verordnet.

Vorstand sieht großen Erfolg

Im jüngsten Geschäftsbericht über das Jahr 2023 erklärt der Vorstand, Noventi wieder in sicheres Fahrwasser gebracht zu haben. Seit Mitte 2023 würden positive Ergebnisse erzielt, sodass das Gesamtjahr 2023 über den Planzahlen liege. Es sei mit einem wesentlich geringeren Verlust als erwartet abgeschlossen worden. Als Konzernjahresfehlbetrag werden 11,0 Millionen Euro ausgewiesen. Für den Vorstand ist das „ein sehr großer, gemeinsamer Erfolg“. Für 2024 erwartet der Vorstand einen Gewinn. Der Aufsichtsrat erklärt, die Refinanzierung sei Anfang 2023 durch mehrjährige Laufzeiten der Kreditlinien gesichert worden. Dies sei eine wesentliche Grundlage für die Rezeptabrechnung, bei der Noventi mit 31 Milliarden Euro Abrechnungsvolumen unangefochtener Marktführer sei. Der Aufsichtsrat betont die Sicherheit der Auszahlungen und die Stabilität des Finanzierungsmodells.

Selbstkritik zum Kundenservice

Zu den anderen Geschäftsfeldern gibt es dagegen selbstkritische Signale. Der Aufsichtsrat betont, dass nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten und Beteiligungen beendet wurden. Noventi habe das Jahr 2023 mit vier statt fünf Warenwirtschaftssystemen und drei statt vier Branchensystemen für Gesundheitsfachberufe abgeschlossen. Diese Konsolidierung werde 2024 weitergeführt. Der Aufsichtsrat räumt ein, dass die Qualität von Produkten und Kundenservice bei den Warenwirtschaftssystemen verbessert werden mussten. Dies solle durch Investitionen und die Reduzierung der Produktlinien erreicht werden. Bei der Hotline habe es „erhebliche Arbeitsrückstände“ gegeben, die bis Mai 2024 abgebaut worden seien. Das E-Rezept habe die Erreichung der gesetzten Meilensteine um einige Monate verzögert.

Deutliche Verbesserungen in der Gewinn- und Verlustrechnung

Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt, was die Neuorientierung in Zahlen bedeutet. Der Umsatz ist auf 262,1 Millionen und damit um fast 12 Prozent gegenüber 2022 gestiegen. Beim Abbau von Geschäftsfeldern ist das erstaunlich und praktisch nur durch erhöhte Preise zu erklären. Nachdem die für 2021 ausgewiesenen hohen aktivierten Eigenleistungen als zu optimistische Darstellung kritisiert worden waren, betrugen diese 2022 und 2023 nur noch jeweils gut 2 Millionen Euro und sind daher nun unproblematisch. Der um 39,5 Millionen Euro auf 117,4 Millionen Euro gesunkene Personalaufwand ist ein deutliches Zeichen für die wirksame Konsolidierung. Dass der höhere Umsatz offenbar mit deutlich weniger Beschäftigten erzielt wurde und dass dies bereits im ersten Jahr nach Beginn der Umstrukturierung gelungen ist, erscheint bemerkenswert. Noch deutlicher zeigt sich der Wandel bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen, die um 73,1 Millionen Euro auf 85,1 Millionen Euro gesunken sind. Das ergibt sich wohl aus den weggefallenen Geschäftsfeldern und Marketingaktivitäten sowie dem hohen Vergleichswert. Offenbar wurde ein großer Teil der Umstrukturierungskosten bereits 2022 wirksam. Insgesamt hat der neue Vorstand demnach wirksame Wege zum Sparen gefunden.

Zinsen sind Herausforderung für Rechenzentren

Allerdings sind die Zinsaufwendungen von 10,0 Millionen Euro auf 36,5 Millionen Euro gestiegen, sicherlich auch wegen der veränderten Zinslandschaft. Daneben gab es 2,2 Millionen Euro Zinserträge. Doch hier zeigt sich die Achillesferse der Rezeptabrechnung, die mit den gestiegenen Zinsen wirksam wird. Wenn Rechenzentren schon vor der Zahlung der Krankenkassen Geld für die Rezepte anbieten, ist das für viele Apotheken ein wichtiges Argument, zunehmend wohl sogar eine notwendige Säule der Finanzierung. Bei niedrigen Zinsen konnten Rechenzentren dies relativ gut finanzieren, aber inzwischen schlägt das Grundproblem dieses Konzepts durch. Dies liegt in den finanziellen Relationen. Die abgerechneten Beträge liegen in ganz anderen Dimensionen als der eigene Geschäftsbetrieb der Rechenzentren. Die Abrechnung ist ein Geschäft mit winzigen Margen. Minimale Zinsänderungen bei der Zwischenfinanzierung können im Verhältnis zum eigenen Geschäftsbetrieb zu beträchtlichen Kosten führen und so das Rechenzentrum belasten.

Im Beispiel Noventi sieht das so aus: Das Unternehmen hat im Berichtsjahr Rezepte für 31 Milliarden Euro abgerechnet. Mit den Forderungen werden Factoringgeschäfte getätigt, aber es sind auch Kredite für die Zwischenfinanzierung nötig. Zum Stichtag am Jahresultimo 2023 weist die Bilanz 1,02 Milliarden Euro als Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten aus. Bei einem solchen Betrag würde schon ein Prozentpunkt mehr Zinsen 10 Millionen Euro zusätzlichen Aufwand ausmachen. Bei Noventis Konzernjahresfehlbetrag von 11,0 Millionen Euro kann ein solcher Betrag darüber entscheiden, ob ein Geschäftsjahr mit Gewinn oder Verlust abgeschlossen wird. Dies zeigt, wie bedeutend das Zinsmanagement generell für den Erfolg von Rechenzentren ist. Für Noventi lassen die Größenordnungen von Umsatz und Kostenpositionen zudem erkennen, dass noch viel zu tun ist, um den für 2022 ausgewiesenen Verlust auszugleichen. Mit der Rückkehr in die Gewinnzone ist dafür ein wichtiges Zwischenziel erreicht.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Kommentierende Analyse zur Unruhe bei Noventi

Finanzierung ist für Rechenzentren wichtiger als Marketing

Noventi: Kommentierende Analyse der aktuellen Situation und Blick in die Zukunft

Finanzierung wichtiger als Marketing

Auch 2023 noch Verlust erwartet, 2024 soll es zurück in die Gewinnzone gehen

Noventi mit 133 Mio. Euro Verlust

Jahresabschluss 2022

Noventi mit Rekordverlust

Neue Strategie und neue Unternehmensführung

Kehrtwende bei Noventi

Geschäftsergebnis 2023

Noventi sieht sich wieder auf Kurs

Keine Treuhandgelder in der Bilanz

Weitere Insolvenzanträge aus der AvP-Gruppe

Endgültige Geschäftszahlen erstes Quartal 

Redcare Pharmacy weiter mit Verlust

0 Kommentare

Kommentar abgeben

 

Ich akzeptiere die allgemeinen Verhaltensregeln (Netiquette).

Ich möchte über Antworten auf diesen Kommentar per E-Mail benachrichtigt werden.

Sie müssen alle Felder ausfüllen und die allgemeinen Verhaltensregeln akzeptieren, um fortfahren zu können.