Was mit den Bostoner Patienten bereits klar wurde: Eine Stammzelltransplantation heilt also nicht automatisch eine HIV-Infektion. In einer kürzlich veröffentlichten Kohorten-Analyse wurden die Daten von 30 Patienten aufgearbeitet, die in Europa und im Vereinigten Königreich zwischen 2009 und 2019 wegen verschiedener hämatopoetischer Erkrankungen eine Stammzelltransplantation erhalten hatten und im sogenannten IciStem-Programm registriert waren (www.icistem.org). IciStem ist ein Expertengremium aus Hämatologen, Virologen und Immunologen, das das Potenzial einer Stammzellspende für die Heilung einer HIV-Infektion erforscht.
Die verschiedenen Stammzellspender waren nicht bezüglich der CCR5-delta32-Mutation selektioniert, weshalb nur 9 der 30 Patienten Zellen erhielten, die homozygot für die Mutation waren; eine Stammzellspende war heterozygot. Allen anderen Patienten wurden Stammzellen mit der Wildtypausstattung des CCR5-Co-Rezeptors transplantiert. Unabhängig davon, welche Stammzellen verwendet wurden, waren keine HI-Viren mehr in den Patienten nachweisbar, nachdem die neuen Zellen das alte Immunsystem ersetzt hatten. Auch die Untersuchung verschiedener Lymphgewebe, die als Reservoir infizierter Zellen dienen könnten, zeigte eine deutliche Reduktion der Viruslast durch die Stammzelltransplantation.
Drei Patienten, die Stammzellen mit Wildtyp-CCR5-Co-Rezeptoren erhalten hatten, setzten die antiretrovirale Therapie ab. Bei einem Patienten waren auch 18 Monate später keine Viren nachweisbar, bei den anderen beiden waren die Viren nach einem bzw. drei Monaten wieder detektierbar. Die meisten der transplantierten Patienten führten jedoch die antiretrovirale Therapie fort, so dass keine Aussage darüber möglich ist, ob sie auch von ihrer HIV-Infektion geheilt worden waren.
Ernüchternd war, dass 14 der 30 Patienten entweder an der hämatopoetischen Grunderkrankung oder am Prozedere der Stammzelltransplantation verstarben – zehn allein in den ersten vier Monaten. Diese Therapie ist nach wie vor kein Ansatz, um damit „einfach mal“ eine HIV-Infektion zu heilen. Spannend bleibt aber, welche Erkenntnisse aus den einzelnen Fällen – seien es erfolgreiche oder auch nicht erfolgreiche Heilungen – gewonnen werden können.
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