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Wie kann die Arzneimittelversorgung und der Fortbestand der Apotheken gesichert werden? Das haben Gesundheitsexperten am Donnerstag interessierten Zuschauern erläutert. Auch der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) war dabei und ging auf Distanz zu den Plänen des Bundesgesundheitsministers.
Bei einem Expertentalk haben am Donnerstag der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD), der Staatssekretär im Ministerium für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein Oliver Grundei (CDU), der Apotheker Bernhard Ebbert und ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening über die Hintergründe des Apothekensterbens und der Medikamentenengpässe informiert. Die Online-Zuschauer*innen des von der Neuen Osnabrücker Zeitung veranstalteten Gesprächs konnten Fragen an die Expertenrunde formulieren.
Länder nehmen Apothekenforderungen ernst
Gesundheitsminister Philippi machte sehr deutlich, was er von den Plänen seines Parteikollegen Karl Lauterbach zur Apotheke ohne Apotheker hält: Statt einer „Apotheke Light“ bräuchten die Apotheken eine realistische Perspektive, um mehr Geld zu verdienen. Zudem müssten mehr Studienplätze im Bereich Pharmazie und Ausbildungsplätze für PTA geschaffen werden.
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Staatssekretär Grundei machte deutlich, dass der Bundesrat und die Länder in den letzten Jahren die Sichtweise und Forderungen der Apotheken ernst genommen und in Richtung Bundespolitik adressiert hätten. Dem stimmte ABDA-Präsidentin Overwiening voll zu: Sie bedankte sich bei den Ländern: „Sie sehen, was wir leisten.“
Dass der niedersächsische Gesundheitsminister bei der Apothekenreform eine andere Meinung hat als das BMG, ist nicht neu. Auch die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hatte ihre Ablehnung der Apotheke ohne Apotheker bereits deutlich gemacht. Auf Länderebene und auch im Bundeskabinett wächst der Widerstand gegen dieses Vorhaben.
BMG verweigert Dialog
Overwiening wünscht sich vor allem einen konstruktiven Dialog mit dem Bundesgesundheitsministerium. Doch Lauterbach habe ihr klargemacht, dass er nur bereit sei, über seine Ideen zu sprechen und nicht über die der ABDA. Nach einem letzten Treffen im Juni – unmittelbar vor der Bekanntgabe des Referentenentwurfs in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – habe der Minister auf weitere Gesprächsgesuche der ABDA-Präsidentin nicht beantwortet.
Ob sich der Bundesgesundheitsminister umstimmen lassen könnte, wollte ein Zuschauer wissen. Philippi erzählte von einem „Kaminabend“ mit den Landesgesundheitsministern und Lauterbach. Dort habe man Lauterbach mit Blick auf das Skonto-Urteil auf den Weg gegeben, das Verbot rückgängig zu machen. Man könne schon auf Lauterbach Einfluss nehmen, meint Philippi.
Vorhaltepauschalen für Apotheken
Um das Problem des Apothekensterbens gerade in unterversorgten Regionen zu stoppen habe er angeregt – analog zur geplanten Krankenhausreform – auch bei Apotheken über Vorhaltepauschalen nachzudenken. Das könnte gerade für kleine Apotheken in ländlichen Regionen eine Perspektive sein. Er zeigte sich zuversichtlich, bei den Reformplänen doch etwas bewegen zu können.
Schnelle Lösungen für Lieferengpässe
Auch die anhaltenden Lieferengpässe waren ein Thema der Expertenrunde. Overwiening wies darauf hin, dass tagesaktuell 498 Arzneimittel in der Lieferengpassliste des BfArM aufgeführt waren. Apotheker Ebbert erzählt davon, dass er Pateint*innen teilweise nach Dänemark schicken musste, weil Mittel nicht verfügbar waren. Es sei auch vorgekommen, dass ein Austausch mit Arzneimitteln aus Österreich möglich gewesen wäre – was dann aber aufgrund bürokratischer Hürden untersagt wurde. Zwar sei langfristig auch der Ausbau der Pharmaproduktion in Europa wichtig. Für die Bewältigung der Lieferengpässe brauche es aber zudem „einfache und schnelle Lösungen“, wie vereinfachte Bürokratie beim Austauschprozedere und eine Wiederzulassung der Skonti.
Versender operieren im rechtsfreien Raum
Inwiefern die Konkurrenz zu den niederländischen Versendern mit den Apotheken vor Ort für deren Krise verantwortlich ist, wollten Zuschauer wissen. Overwiening zufolge führe der Versandhandel zu einer „Bagatellisierung von Arzneimitteln“. Die Versender „leisten der Fehlmedikation Vorschub“, macht Staatssekretär Grundei deutlich. Apotheker Ebbert spricht von einem „rechtsfreien Raum“ an der deutsch-niederländischen Grenze, in dem weder deutsche noch niederländische Behörden effektiv die Qualitätsstandards kontrollieren würden.
Gesundheitsminister Philippi sicherte zu, auch zu diesem Punkt nochmal bei Lauterbach nachzuhaken – schließlich gehe der auch immer ans Telefon, wenn er anrufe.
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