Politische Orientierung und Gehirnstruktur

Gibt es Neuropolitik?

15.10.2024, 07:00 Uhr

Haben politisch rechts eingestellte Menschen wirklich größere rechte Mandelkerne? (Symbolfoto: Thomas Reimer/AdobeStock)

Haben politisch rechts eingestellte Menschen wirklich größere rechte Mandelkerne? (Symbolfoto: Thomas Reimer/AdobeStock)


Wer sich auf einen politischen Diskurs mit Andersdenkenden einlässt, dem mag der Gedanke kommen: Wie kann das sein, was im Kopf meines Widersachers vorgeht – sieht sein Gehirn am Ende ganz anders aus als meines? Aus dieser Frage hat sich das Feld der Neuropolitik entwickelt. 

Der Hirnforscher Ryota Kanai postulierte 2011: Politisch rechts eingestellte Menschen haben größere rechte Mandelkerne – eine Region, die für Emotionen wie Angst und Trauer wichtig ist. Linke hingegen haben einen größeren anterioren cingulären Cortex (ACC), der bei der Affektregulation eine Rolle spielt. Kanai ließ die Probanden ihre Einstellung auf einer Skala von 1 (sehr liberal) bis 5 (sehr konservativ) an­geben. Seine Kritiker entgegneten, Ideologie sei komplexer als ein lineares Spektrum von links bis rechts. 

Hirnforscher in Amsterdam haben nun einen differenzierteren Ansatz gewählt. Mithilfe eines Fragebogens fragten sie 928 Niederländer auch nach ihren Einstellungen zu Themen wie LGBTIQ-Rechten oder Einkommensungleichheit. Groß angelegte MRT-Scans lieferten dann die Bilder ihrer Gehirne. 

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Wie schon von Kanai beschrieben, hatten Probanden, die eine eher konservative Weltsicht teilten, rechte Mandelkerne, die etwa ein Sesamkorn größer waren als die der liberal eingestellten. Außerdem schien ihre Ideologie mit einer anderen, etwas größeren Hirnstruktur zusammenzuhängen, der sogenannten Spindelwindung. Sie scheint wichtig zu sein, um verschiedene Gesichter zu unterscheiden und sie den sozialen Kategorien und Stereotypen zuzuordnen, die wir mit ihnen verbinden.

Vorsicht Stereo­type!

Die Korrelationen waren jedoch sehr schwach. Die Autoren betonen: Es sei falsch zu glauben, dass sich die Gehirne von Liberalen und Konserva­tiven grundlegend unterscheiden. Diese Fehleinschätzung fördere Stereo­type, die die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben und die demokratische Teilhabe untergraben. 

Bei der nächsten Debatte sollte man sich daher mehr auf die Inhalte des Gegenübers konzentrieren als auf dessen Gehirn. 

Literatur

Petalas DP et al. Is political ideology correlated with brain structure? A preregistered replication. iScience 2024, 110532, 19. September 2024, doi: 10.1016/j.isci.2024.110532

Kanai R, Feilden T, Firth C, Rees G. Political orientations are correlated with brain structure in young adults. Curr Biol 21 (2011), 677-680


Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


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