Interview mit Matthias Mieves (SPD) Teil 2

„Das Fremdbesitzverbot bleibt“

Berlin - 21.10.2024, 17:50 Uhr

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves wirft der Apothekerschaft vor, mit der Apotheke ohne Apotheker eine Horrorvision zu verbreiten. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves wirft der Apothekerschaft vor, mit der Apotheke ohne Apotheker eine Horrorvision zu verbreiten. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)


Der Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves ist innerhalb der SPD-Fraktion für die Schnittmenge zwischen Gesundheit und Digitalisierung zuständig. Lesen Sie im zweiten Teil des DAZ-Interviews, wie er zu den Apotheken ohne Apotheker steht, was es mit den sogenannten favorisierten Apotheken auf sich hat und welche Rolle er für die Präsenzapotheken in der digitalen Welt sieht.

Herr Mieves, auf Ihre Initiative hin legt der Gesetzgeber nun auch Hand an die Heimversorgung. Konkret soll es erlaubt werden, dass bei bestehendem Versorgungsvertrag Praxen E-Rezepte direkt via KIM an die versorgende Apotheke übermitteln. Ursprünglich fand sich dieses Vorhaben im Apotheken-Reformgesetz, jüngst wurde es per Änderungsantrag in das Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit überführt. Glauben Sie nicht mehr daran, dass die Apothekenreform bald kommt?

Dieses Problem hätte ich lieber heute als morgen gelöst. Dafür suche ich mir den schnellstmöglichen Weg. Und das angesprochene BIPAM-Gesetz wird mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor der Apothekenreform verabschiedet werden. Deshalb halte ich es für eine gute Sache, wenn wir einige Initiativen dort unterbringen können. Auch die Apothekenreform hätten wir innerhalb der SPD-Fraktion gern schnell auf den Weg gebracht, sie wird aktuell aber von der FDP blockiert. Ich weiß, dass es darin kontroverse Passagen gibt, über die wir sprechen sollten. Das geschieht üblicherweise im parlamentarischen Verfahren. Es wäre aus meiner Sicht besser gewesen, in diesem Zuge Anpassungen und Ergänzungen vorzunehmen, statt den Entwurf komplett auf Eis zu legen.

Hintergrund der Blockade ist das Vorhaben, Apotheken ohne Apotheker zu ermöglichen. Wie stehen Sie dazu?

Es wird keine Apotheken ohne Apotheker geben. Diesen Begriff bringt allein die Apothekerschaft als Horrorvision in die Diskussion ein und das ist ein Stück weit unseriös. Uns geht es darum, Telepharmazie auf den Weg zu bringen und letztlich auch Homeoffice-Arbeit für Apothekerinnen und Apotheker zu ermöglichen. Niemand will den Grundsatz antasten, dass eine Apotheke in die Hände einer Apothekerin oder eines Apothekers gehört. Das Fremdbesitzverbot bleibt, dazu stehen wir als SPD. Wir müssen uns aber überlegen, wie wir im Apothekenwesen attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen. Vor allem in den nachrückenden Generationen gibt es viele, die nicht mehr sechs Tage die Woche physisch in der Offizin anwesend sein können oder möchten. Die geplante Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen kommt am Ende den Apothekerinnen und Apothekern zugute. Ich wünsche mir, dass wir dazu in eine lösungsorientierte, sachliche Diskussion kommen.

Der Berufsstand versteht unter dem Stichwort Telepharmazie etwas ganz anderes als Minister Lauterbach. Wie definieren Sie den Begriff?

Die Art von Telepharmazie, wie sie die Apothekenreform vorsieht, ist nur ein Aspekt von vielen. Telepharmazie kann und soll mehr sein als das. Für mich bedeutet Telepharmazie, dass die Leistungen, die eine Apotheke anbietet, ortsunabhängig über digitale Wege erbracht werden können. Da ist deutlich mehr denkbar als die virtuelle Unterstützung des Teams durch eine Apothekerin oder einen Apotheker.

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Mit dem Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit sollen jetzt auch sogenannte favorisierte Apotheken kommen. Was steckt dahinter?

Wenig digitalaffine Patientinnen und Patienten, die aktuell ein E-Rezept in ihrer Apotheke einlösen möchten, müssen im Regelfall dort entweder den Token auf Papier oder ihre Gesundheitskarte vorlegen. Das ist vor allem für Menschen mit eingeschränkter Mobilität nicht praktikabel. Wir wollen es möglich machen, dass zum Beispiel pflegebedürftige Personen die Apotheke in ihrem Ort als favorisierte Apotheke festlegen können, die dann auf Wunsch dieser Person ohne Vorlage des Tokens oder der Karte selbstständig deren E-Rezepte aus dem Fachdienst abrufen kann und die verschriebenen Arzneimittel per Botendienst liefert. Darin sehe ich eine starke Vereinfachung für die Versicherten, aber auch für die Apotheken.

Die ABDA lehnt Ihren Vorstoß ab mit dem Argument, es gefährde die freie Apothekenwahl – insbesondere von den EU-Versendern gehe dabei eine große Gefahr aus. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Wir brauchen pragmatische Lösungen. Daher unterstütze ich die Änderungsanträge zu favorisierten Apotheken und der Heimversorgung. Ich setze mich seit Monaten für Lösungen in diesem Bereich ein. Die ABDA-Stellungnahme ist an dieser Stelle nicht hilfreich.

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Welche Rolle spielen die Präsenzapotheken für Sie in der digitalen Welt?

Apotheken sind mehr als Arzneimittellogistiker: Sie sind eine wichtige Säule unserer Gesundheitsversorgung. Die Menschen kommen zu ihnen, weil sie ihnen vertrauen und gut beraten werden möchten. Diese Standorte müssen wir erhalten und uns gleichzeitig fragen, wie wir sie weiterentwickeln und aufwerten können. Ein Baustein kann die Beratung rund um die ePA sein, ebenso wie weitere Impfangebote und perspektivisch die Pflege des digitalen Impfpasses. Viel Potenzial sehe ich zudem im Bereich Prävention. Die Vorsorge kommt in Deutschland bisher zu kurz, da können die Apotheken helfen, eine Lücke zu füllen.

Die Delegierten haben beim DAT in München einige Anträge verabschiedet, die genau in diese Richtung gehen. Nehmen Sie solche Vorstöße wahr in Berlin?

Ja, ich nehme sie wahr und beziehe sie aktiv in unsere Arbeit und unsere Verhandlungen ein. Wenn wir etwa im Zuge der Digitalisierung neue Elemente einführen, müssen wir uns von Anfang an überlegen, welche Leistungserbringenden welche Aufgaben übernehmen können. Da sehe ich die Apotheken ganz weit vorne und es bestärkt mich, wenn der Berufsstand Bereitschaft signalisiert, an solchen Projekten mitzuwirken.

Herr Mieves, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Matthias David Mieves sitzt seit dem Jahr 2021 im Deutschen Bundestag. Der 38-jährige Diplomkaufmann gewann im Wahlkreis 209 (Kaiserslautern) das Direktmandat. Im Bundestag ist er Mitglied der SPD-Fraktion und ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Digitales. Zudem ist Mieves Miteigentümer der sanabene GmbH für ambulante Pflege und Mitglied unter anderem bei ver.di und Greenpeace. Vor dem Jahr 2021 hat Mieves für die Deutsche Telekom gearbeitet, zuletzt als Head of Innovation Portfolio & Investment Management.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

„Das Fremdbesitzverbot bleibt“

von Torben Schreiner am 22.10.2024 um 15:32 Uhr

...Bleibt solange, bis das Versorgungnetz der inhabergeführten Apotheken ausgeblutet ist. Erst dann wird so richtig umstrukturiert.
Herr Mieves ist jung, man sollte ihn in 5-10 Jahren mit dieser Aussage konfrontieren!
Schnelle und kompetente Versorgung, sowie Arbeisplätze und Steuereinnahmen gehen zwar flöten, aber das ist
Alles zum Wohle des Volkes!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: KIM

von Torben Schreiner am 22.10.2024 um 16:23 Uhr

Habe mit den umliegenden Arztpraxen das Thema KIM versucht zu besprechen.. die meisten können es (noch) nicht, bzw. wissen nicht, wie KIM funkioniert, die anderen wollen KIM nicht verwenden.
Kenne also bisher noch keine Praxis, bei welcher die Komunikation über KIM praktikabel wäre.
Wieso sollte sich diese Einstellung der Ärzteschaft gegenüber KIM jetzt ändern?

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