Stellungnahme zum BIPAM-Gesetz

KBV: Vertreter-Regelung für Pflegebedürftige statt favorisierter Apotheken

Berlin - 31.10.2024, 12:15 Uhr

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält nichts von der geplanten Möglichkeit für Pflegebedürftige, eine favorisierte Apotheke festzulegen. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält nichts von der geplanten Möglichkeit für Pflegebedürftige, eine favorisierte Apotheke festzulegen. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)


Nicht nur die ABDA, auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht das Vorhaben kritisch, dass Pflegebedürftige künftig eine favorisierte Apotheke benennen können sollen, die nach Aufforderung selbstständig die E-Rezepte des Versicherten aus dem Fachdienst abrufen darf. In ihrer Stellungnahme zum sogenannten BIPAM-Gesetz schlägt die KBV vor, von diesem Plan Abstand zu nehmen. Stattdessen sollen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um institutionelle Vertreter einzusetzen.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit (BIPAM-Gesetz) sollen zum Jahreswechsel einige für Apotheken relevante Änderungen kommen. Unter anderem will der Gesetzgeber die Impf- und Testbefugnisse für Apothekerinnen und Apotheker ausweiten und die Heimversorgung erleichtern. Bei bestehendem Versorgungsvertrag sollen Ärztinnen und Ärzte E-Rezepte via KIM direkt an die versorgende Apotheke weiterleiten dürfen. Diese Regelungen fanden sich ursprünglich in der Apothekenreform – da diese jedoch ins Stocken geraten ist, schleusten die Ampel-Partner diese Vorhaben über Änderungsanträge in das sogenannte BIPAM-Gesetz ein, um ein rasches Inkrafttreten sicherzustellen.

Mehr zum Thema

Einige Regelungen kommen nun per „Omnibus“ / Favorisierte Apotheken für Pflegebedürftige

Ampel filetiert die Apothekenreform

Interview mit Matthias Mieves (SPD) Teil 2

„Das Fremdbesitzverbot bleibt“

Neu ist darüber hinaus der Plan, pflegebedürftigen Menschen die Möglichkeit einzuräumen, eine favorisierte Apotheke festzulegen, die dann auf Aufforderung selbstständig die E-Rezepte des Versicherten aus dem Fachdienst abrufen können soll. Die ABDA ist alarmiert: In ihrer Stellungnahme zu den Änderungsanträgen warnt sie davor, dass diese Option als Einfallstor dienen könnte, um bestehende Versorgungsverträge auszuhebeln. Zudem sieht sie dadurch die freie Apothekenwahl in Gefahr – aus Sicht der apothekerlichen Standesvertretung ist eine solche Regelung auch gar nicht nötig, da über die Gematik-App und per CardLink bereits zwei volldigitale Einlösewege für E-Rezepte existieren.

KBV sieht favorisierte Apotheken skeptisch

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht das Vorhaben mit Argwohn: „Angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen für die Garantie der Identität des Versicherten in den anderen drei Verfahren eRezept App, Stecken der eGK oder Tokenausdruck überrascht, dass in diesem Verfahren eine formlose fernmündliche oder schriftliche Beauftragung ausreichend sein soll“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme zu den fachfremden Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf. Zwar unterstütze sie ausdrücklich das Ansinnen, einen volldigitalen Einlöseweg für pflegebedürftige Versicherte zu schaffen, mahnt aber mit Blick auf die vorgesehene Regelung unter anderem die Garantie der freien Apothekenwahl an. Die KBV regt stattdessen an, die technische Umsetzung der institutionellen Vertretung von Pflegebedürftigen auf dem E-Rezept-Fachdienst voranzutreiben. „Dabei könnte die institutionelle Vertretung durch das Pflegeheim oder den Pflegedienst im Auftrag des pflegebedürftigen Versicherten die digitale Einlösung von Verordnungen übernehmen und wäre gleichzeitig in alle Informationen zur Verordnung (z.B. Dosierangaben) unmittelbar eingebunden“, hebt sie hervor.

Was das Weiterleiten von E-Rezepten aus der Praxis an die heimversorgende Apotheke betrifft, begrüßen die Kassenärzte, dass damit eine eindeutige rechtliche Vorgabe geschaffen werde. „Die vorgesehene Regelung greift allerdings nur im Fall von Heimversorgungsverträgen“, schränkt die KBV ein. Zusätzlich müssen demnach die Patientinnen und Patienten der Versorgung durch die heimversorgende Apotheke zugestimmt haben. „Für alle anderen Szenarien, in denen die Einlösung von E-Rezepten durch die Pflege erfolgt, ist weiterhin keine volldigitale Lösung möglich.“ Mittelfristig sollte daher ein Zugriff der Pflege auf den E-Rezept‐Fachdienst ermöglicht werden. „Hiermit könnte die Pflege in Situationen, in denen die Verordnungen nicht durch die Patienten selbst oder ihre Angehörigen eingelöst werden können, als Vertreterin diese Aufgabe übernehmen.“ Hierzu habe die KBV gemeinsam mit dem Deutschen Apothekerverband und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege einen Vorschlag erarbeitet, der dem Bundesministerium für Gesundheit vorliege.

KBV: Impfen und Testen sind ärztliche Aufgaben

Wenig überraschend lehnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung überdies die erweiterten Impf- und Testbefugnisse für Apotheken grundsätzlich ab. Im Besonderen weist sie darauf hin, dass mit der geplanten Änderung des Heilmittelwerbegesetzes, wonach Apotheken für ihr Testangebot werben dürfen sollen, ein Ungleichgewicht zwischen den Professionen mit sich bringt – denn für Ärztinnen und Ärzte bleibe das Werbeverbot bestehen. „Testungen zur Diagnostik von Krankheiten sind eine originär ärztliche Aufgabe und werden von Ärzten durchgeführt“, schreibt die KBV. „Soweit anderen Berufsgruppen die Durchführung von Testungen gestattet wird, darf dies nur unter denselben Wettbewerbsbedingungen geschehen. Wenn jedoch einer unter mehreren Berufsgruppen erlaubt wird, für eine von beiden Berufsgruppen durchgeführte Leistung zu werben, während die andere Berufsgruppe weiterhin vom Werbeverbot, dessen Verletzung zudem mit Bußgeldern bewährt sein kann, betroffen ist, entstehen erhebliche Wettbewerbsverzerrungen.“ Dem Adressaten der Werbung werde suggeriert, dass die Apotheken die primären oder sogar die einzigen Anbieter der entsprechenden Testungen sind. „Hiermit sind für Ärzte erhebliche Wettbewerbsnachteile verbunden.“

Das Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit soll Mitte November in 2./3. Lesung im Bundestag beraten werden. Der zweite Durchgang im Bundesrat ist für den 20. Dezember vorgesehen. Inkrafttreten soll es dann am 1. Januar 2025.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.