Vom achtsamen Umgang im Apothekenteam

Eine respektvolle Atmosphäre schaffen

06.11.2024, 13:45 Uhr

(Foto: Adobe Stock/Syda Productions)

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Wahrscheinlich wünscht sich jeder Apothekenleiter und jede Apothekenleiterin Respekt von den Mitarbeitenden. Auch umgekehrt gilt: Das Team erwartet und fordert von der Leitung, respektvoll behandelt zu werden. Wie etabliert man in der Apotheke also ein Klima, das von gegenseitiger Achtung ge­prägt ist? 

Was ist unter Respekt zu verstehen? Klug und zielführend ist es, wenn sich das Apothekenteam auf eine Definition verständigt und dieses gemeinsame Respektverständnis nicht nur zur Grundlage des Umgangs miteinander macht, sondern auch zum Fundament für die Interaktionen mit den Kunden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit denken Apothekenleiter und Mitarbeiter, die Respekt erwarten oder einfordern, weniger an eine ehrfürchtige und demutsvolle Haltung oder gar einen „Heidenrespekt“, der sich fast schon in die Richtung eines ängstlichen Verhaltens bewegt. Vielmehr geht es um die grundsätzliche Wertschätzung des Gegenübers, die umso wichtiger ist, je mehr die eigene Vorstellungswelt im Kontrast zu der Vorstellungswelt des Gegenübers steht. Das heißt: Ein respektvoller Umgang zeigt sich, wenn jeder in der Apotheke den anderen und sein Verhalten um seiner selbst willen achtet und akzeptiert und nicht erwartet, der andere müsse die eigenen Präferenzen übernehmen.

Respektvoller Umgang mit Menschen

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der ältere und konservativ eingestellte Mitarbeiter legt vielleicht großen Wert auf den Begrüßungshandschlag. Der jüngere Kollege ist anders sozialisiert worden und begrüßt seine Kolleginnen und Kollegen anders, jedenfalls nicht mit einem Handschlag. Oft erwarten die Beteiligten in solchen Situationen, dass das Gegenüber sich anpassen solle. Der ältere Kollege zum Beispiel argumentiert: „Ich bin der Ältere, also soll sich der junge Kollege bitte schön anpassen.“ Das jedoch ist genau das Gegenteil eines achtsamen Umgangs miteinander. Eine wertschätzende Haltung wäre in diesem Fall ein tolerantes Vorgehen, das akzeptiert, dass es andere Begrüßungszeremonien gibt als diejenige, die man selbst favorisiert. Mit anderen Worten: Respektvolle Verhaltensweisen bedeuten, vom anderen gerade nicht zu erwarten, sich anzupassen.

Selbstverständlich gilt dies für beide Beteiligte, also auch für die jungen Kollegen, die überlegen könnten, ob es nicht ein Zeichen des Respekts wäre, den Älteren mit einem Handschlag zu begrüßen. Schon für Adolph Freiherr von Knigge, den Ahnherrn der gesellschaftlichen Umgangsformen und den Autor des sprichwörtlichen „Knigge“, stand im Mittelpunkt seines Buches „Über den Umgang mit Menschen“, den anderen in seinem Sosein zu achten – auch und vor allem, wenn der andere anders tickt als man selbst.

Entscheidend ist daher, von den eigenen Überzeugungen abzusehen – aber ohne sich zu verbiegen! – und sich gemeinsam Verhaltensweisen zu überlegen, mit denen niemand vor den Kopf gestoßen wird. Respekt ist etwas, was im Einzelfall erst diskutiert und ausgehandelt werden muss und ausgehandelt werden sollte.

Kunden so behandeln, wie sie behandelt werden möchten

Unter den Kolleg*innen in der Apotheke und im Team ist es möglich, verbindliche Respektregeln aufzustellen. Die Menschen kennen sich gut genug, um sich auf eine gemeinsame Linie des respektvollen Umgangs zu verständigen. Anders sieht es bei der Kommunikation und den Interaktionen mit den Kundinnen und Kunden aus. Hier könnte das Motto in dem Leitsatz bestehen: „Wir behandeln die Kunden so, wie sie behandelt werden möchten.“ Deren Erwartungen, Wünsche und Zielsetzungen bilden die Basis respektvoller Verhaltensweisen. Nach wie vor gilt: „Der Kunde ist König!“

Eine besondere Herausforderung ergibt sich, wenn sich ein Kunde einem Mitarbeiter oder der Apothekenleitung gegenüber respektlos verhält. Welche Reaktion ist angemessen? Manche sind der Meinung: „Wem kein Respekt entgegengebracht wird, der sollte dies mit gleicher Münze zurückzahlen dürfen!“ Im Binnenverhältnis in der Apotheke mag dies gerechtfertigt sein. Allerdings droht so häufig die Eskalation der Situation. Darum ist es zielführender, über den eigenen Schatten zu springen und selbst größte Respektlosigkeiten mit einer wertschätzenden Haltung zu kontern, so schwierig dies im Einzelfall auch sein mag. Der Vorteil: Dem Gegenüber wird auf diese Weise der Wind aus den Segeln genommen, das konstruktive Verhalten trägt meistens zur Deeskalation bei. Eines ist klar: Im Kontakt mit dem Kunden verbietet sich das Vorgehen, Respektlosigkeiten mit gleicher Münze heimzuzahlen. Zumal die „respektlose“ Person es vielleicht gar nicht so gemeint hat.

Natürlich muss sich niemand beleidigen lassen oder es akzeptieren, vom Kunden beschimpft oder unsachlich angegangen zu werden. Das ist die rote Linie, die der Kunde aus der Sicht des Apothekenteams nicht überschreiten darf. Bis dahin allerdings gilt die zuvor erwähnte Platinregel der Kommunikation: „Wir behandeln die Kunden so, wie sie behandelt werden möchten.“

Respektstrategien entwickeln und leben

Es gibt respektvolle Vorgehensstrategien, die Apotheker und ihre Teams grundsätzlich in ihrem Verhaltensrepertoire verankern sollten. Dazu zählt die Beantwortung der Frage, was man vom anderen erwartet, um dann diese subjektive Respekterwartung auf das eigene Vorgehen zu übertragen, getreu dem Motto „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Einfaches Beispiel: Wer es verabscheut, vom Gesprächspartner niedergebrüllt oder permanent unterbrochen zu werden, sollte in der Lage sein, solche Verhaltensweisen selbst nicht einzusetzen. Es ist eine Frage des Respekts, Verhaltensweisen, mit denen man selbst nicht konfrontiert werden will, für die eigene Kommunikation strikt abzulehnen.

Eine weitere wertschätzende Vorgehensstrategie besteht darin, den Zeitfaktor zu berücksichtigen. Nicht nur, aber vor allem Chefs tendieren dazu, es an Respekt mangeln zu lassen, wenn sie unter Zeitdruck stehen und z. B. schwierige Entscheidungen rasch fällen und durchboxen müssen. Derartige Situationen treten im Apothekenalltag immer wieder auf. In solchen Momenten sollte die Apothekenleitung über die Kompetenz, Empathie und Rücksichtnahme verfügen, quasi zur Seite zu treten und das eigene Handeln zu reflektieren: „Aufgrund der Rahmenbedingungen droht die Gefahr, dass du sich, ohne es zu wollen, respektlos verhältst. Also Achtung und die Respektbrille aufsetzen!“

Die Macht der Vorbildwirkung nutzen

Apothekenleiter*innen, die respektvoll kommunizieren und agieren, dürfen hoffen, als positive und nachahmungswerte Vorbilder wahrgenommen zu werden. Die Mitarbeiter übertragen das beobachtete Verhalten auf ihre eigene Kommunikation mit den Kollegen und dem Apothekenleiter. Insofern ist einmal mehr die Vorbildwirkung ein machtvolles Instrument, um ein erwünschtes Verhalten aktiv herbeizuführen. Wer seinem Gegenüber mit Respekt, Wertschätzung und Achtung begegnet, erhöht die Wahrscheinlichkeit, seinerseits respektvoll behandelt zu werden. Wie die Apothekenleitung in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Und das Beste dabei: Die Mitarbeiter werden nun auch mit den Kunden noch wertschätzender kommunizieren.


Dr. Michael Madel


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