Männer erhalten öfter Analgetika

Werden Schmerzen bei Frauen unterschätzt?

02.12.2024, 17:50 Uhr

Frauen mussten in der Notaufnahme 30 Minuten länger warten und bekamen seltener Analgetika verordnet als Männer, so eine Analyse aus Israel und USA. (Foto: toodtuphoto/AdobeStock) 

Frauen mussten in der Notaufnahme 30 Minuten länger warten und bekamen seltener Analgetika verordnet als Männer, so eine Analyse aus Israel und USA. (Foto: toodtuphoto/AdobeStock) 


In einer aktuellen Studie aus den USA und Israel erhielten Frauen in Notfallaufnahmen bei der Entlassung weniger Schmerzmittel als Männer mit vergleichbaren Schmerzen. 

Medizinische Leitlinien sehen vor, dass insbesondere starke Schmerzen mit Schmerzmitteln behandelt werden sollten, um die Entstehung chronischer Schmerzen zu vermeiden. Da Schmerzen jedoch nur schwer objektivierbar sind, ist das medizinische Personal auf die subjektive Beschreibung der Patientin oder des Patienten angewiesen. Dabei könnte es zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Einschätzung der Schmerzintensität kommen. 

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Die Daten einer aktuellen Studie stammen aus den elektronischen Patientenakten von 21.851 Patienten, die in Notaufnahmen in den USA oder Israel vorstellig wurden und Schmerzen angaben. Ziel war es herauszufinden, ob Frauen seltener ein Schmerzmittel verschrieben bekommen als Männer.

Geschlechtsspezifische Unterschiede 

Die Wahrscheinlichkeit in Israel ein Schmerzmedikament verordnet zu bekommen, war für Frauen allgemein geringer als für Männer (38% vs. 47%, p < 0,001). Dieser Unterschied bestand auch beim Vergleich verschiedener Altersgruppen, Schmerzintensitäten von leicht bis schwer und war unabhängig vom Geschlecht des medizinischen Personals. Auch die Wahrscheinlichkeit ein Opioid-Analgetikum verordnet zu bekommen, war bei Frauen geringer als bei Männern (19% vs. 25%, p < 0,001). Die Daten aus den USA bestätigen die Analyse aus Israel, auch wenn die Prozentzahlen etwas abweichen. Die meisten Patientendaten (N = 17.576) stammten aus Israel. In zusätzliche Analysen wurde gezeigt, dass Frauen eine um 10% geringere Wahrscheinlichkeit hatten, dass ihr Schmerzscore von Krankenschwestern erfasst wird. Außerdem war die Wartezeit in der Notaufnahme für Frauen um 30 Minuten länger als für Männer.  
Die Studienautoren vermuten als Grund für den geschlechtsspezifischen Unterschied das Vorurteil, dass Frauen bei der Beschreibung ihrer Schmerzen im Vergleich zu Männern „übertreiben“ würden. Dieses Vorurteil bestehe auch bei den behandelnden Ärzten und führe dazu, dass Frauen weniger Schmerzmedikamente verschrieben bekämen.

Weiteres Experiment bestätigt Ergebnisse 

Ein weiteres Kontrollexperiment wurde am University of Missouri Health Care Hospital durchgeführt. Insgesamt nahmen 109 Personen teil, hauptsächlich Pflegepersonal. Sowohl männliche als auch weibliche Patienten beschrieben starke Rückenschmerzen, wobei sich die Beschreibungen zwischen Männern und Frauen nicht unterschieden. Das Experiment bestätigte die vorherigen Ergebnisse: Die Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 100 wurde bei den Patientinnen als geringer eingestuft als bei den männlichen Patienten (Frauen: 72,00 vs. Männer: 80,37).  
Die Studienautoren warnen, dass die Unterbehandlung von Schmerzpatientinnen zu chronischen Schmerzen und damit zu einer Belastung des Gesundheitssystems führen kann. Medizinisches Personal sollte daher für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Schmerzbehandlung sensibilisiert und geschult werden. Inwieweit die Ergebnisse der Studie auf andere Länder wie Deutschland übertragbar sind, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Literatur 
Guzikevits M, Gordon-Hecker T, Rekhtman D et al. Sex bias in pain management decisions. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) August 2024, doi: doi.org/10.1073/pnas.240133112 ;


Oliver Nossek, Apotheker


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