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Apothekerkammer Schleswig-Holstein: Die Hypophyse: ein kleines Organ mit großer
Die Hypophyse besteht aus zwei weitgehend getrennten Teilen mit unterschiedlicher Entwicklungsgeschichte. Während der Hinterlappen (Neurohypophyse) zum Gehirn gehört und sich aus dem Zwischenhirn entwickelt, ist der Vorderlappen (Adenohypophyse) nicht Teil des Gehirns. Die Hormone des Hypophysenhinterlappens werden im Hypothalamus gebildet und nach neuronalem Transport in den Hinterlappen von dort ins Blut abgegeben. Die hormonelle Aktivität des Hypophysenvorderlappens unterliegt der Kontrolle hypothalamischer Hormone, die über ein besonderes Gefäßsystem (Pfortadersystem, Portalgefäße) direkt zur Hypophyse gelangen.
Funktionsstörungen durch Tumoren Aufgrund dieser Trennung ist ein Tumor des Hypophysenvorderlappens kein Hirntumor. Adenome des Hypophysenvorderlappens sind prinzipiell gutartig, können aber dennoch zu beträchtlichen Störungen führen. Durch die Nähe zum Sehnerv sind bei entsprechender Tumorausdehnung Sehstörungen mit starken Gesichtsfeldausfällen möglich. In solchen Fällen kann eine Operation Abhilfe schaffen, die inzwischen vorzugsweise durch die Nase erfolgt. Damit läßt sich eine Schädeltrepanation umgehen und die Gefahr bleibender Schäden durch die Operation verringern. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Carotisarterie sind Hypophysentumoren allerdings oft nur teilweise operabel. Tumoren, die die Hypophyse zerstören, beeinträchtigen die verschiedensten Körperfunktionen. Die Patienten machen eine apathischen Eindruck, die Muskulatur bildet sich zurück, die Sexualfunktionen sind beeinträchtigt, die Schambehaarung geht verloren, es treten Zyklusstörungen auf, und die Patienten haben Unterzuckerungszustände und niedrigen Blutdruck. Aufgrund der uncharakteristischen Vielfalt der Symptome werden Hypophysentumoren im allgemeinen erst nach 6 bis 15 Jahren diagnostiziert. Bei Kindern kommt als deutliches Symptom Minderwuchs hinzu. Große Tumoren können zudem den Abfluß des Gehirnwassers behindern und einen Hydrocephalus hervorrufen.
Hypophysenhormone Die vielfältigen Wirkungen eines Hypophysenausfalls sind durch die Vielzahl der ausgeschütteten Hypophysenhormone und die durch sie gesteuerten peripheren Prozesse begründet. Die Vorderlappenhormone wie Gonadotropine (Follikelstimulierendes Hormon, Luteotropes Hormon und Choriongonadotropin), Adrenocorticotropes Hormon (ACTH, Corticotropin), Thyreotropes Hormon und Wachstumshormon sind jeweils in eine hormonelle Steuerungskaskade eingebunden, die stets am Hypothalamus beginnt. Dieser setzt Releasing-Hormone, wie z.B. das Corticotropin-Releasing-Hormon, frei, die die Hypophysentätigkeit steuern. Daraufhin schüttet die Hypophyse ihrerseits ACTH aus, das dann die Nebennierenrinde zur Cortisol-Produktion veranlaßt. Das Cortisol seinerseits hemmt die beschriebene Kaskade durch negative Rückkopplung. Für die anderen Hormone des Hypophysenvorderlappens gelten entsprechende Mechanismen.
Substitutionsbehandlung mit peripheren Hormonen Fällt der Hypophysenvorderlappen beispielsweise infolge eines Tumors oder operativer Entfernung aus, steht die Substitution des lebensnotwendigen Cortisols im Vordergrund, da die Nebennierenrinde nicht mehr zur Produktion veranlaßt wird. Eine solche Cortisol-Substitution darf keinesfalls mit einer pharmakodynamischen Therapie mit Corticoiden, z.B. bei Asthma, verwechselt werden. Bei der Substitution sind keine Nebenwirkungen zu befürchten, wenn die Dosierung hinsichtlich Menge und Zeitpunkt an den wechselnden Bedarf angepaßt wird. Im allgemeinen sollten etwa zwei Drittel der Tagesdosis am Morgen und ein Drittel am Abend genommen werden. Nachtarbeit oder andere individuelle Abweichungen vom üblichen Tagesablauf sind zu beachten. Während die Standarddosis meist 20mg Hydrocortison pro Tag beträgt, ist bei besonderer Aktivität, Streßsituationen oder akuten Erkrankungen, z.B. fieberhaften Infektionen, die Dosis zeitweilig auf das 3- bis 5fache zu erhöhen. Kommt es bei diesen Patienten zum Erbrechen, müssen sie hospitalisiert werden und Hydrocortison intravenös erhalten, da einerseits die Tabletten nicht zur Wirkung kommen und andererseits besonderer Cortisol-Bedarf besteht. Werden die Hypophysenvorderlappenhormone nicht mehr produziert, müssen auch andere periphere Hormone ersetzt werden, jedoch sind akute Notsituationen nur bei fehlender Cortisol-Substition zu befürchten. Da die Halbwertszeit der Schilddrüsenhormone etwa eine Woche beträgt, entstehen Mangelsituationen erst im Laufe von Wochen.
Die Frequenz macht die Wirkung Aufgrund der Vielzahl der Körperfunktionen, die durch Hypophysenhormone gesteuert werden, bietet dieses Organ auch eine breite Palette von Interventionsmöglichkeiten bei den verschiedensten Krankheiten. Doch muß für eine erfolgreiche Therapie nicht nur das richtige Hormon in der richtigen Dosis gegeben werden. Mindestens ebenso wichtig ist die richtige Anwendungsfrequenz. So führt die einmal stündliche Gabe eines Pulses Gonadorelin zu einer hohen und pulsatilen Freisetzung des Luteotropen Hormons (LH) und des Follikelstimulierenden Hormons (FSH). Wird Gonadorelin dagegen über 5 Pulse pro Stunde gegeben, sinken die LH- und FSH-Konzentration stark ab. Bei einer kontinuierlichen Gabe von Gonadorelin, z.B. mit einem Depotpräparat, sinken die LH- und FSH-Spiegel noch weiter ab. Vermutlich vermindert die Dauerstimulation die Anzahl der hypophysären Rezeptoren und macht daher die Hypophyse für diese Reize unempfindlich. Der gleiche Wirkstoff hat somit in Abhängigkeit von der Freisetzungsrate sogar gegensätzliche Wirkungen. Die Anwendungsfrequenz stellt neben Dosis und Anwendungszeitpunkt eine zusätzliche Einflußgröße dar, die in Zukunft voraussichtlich auch bei anderen Arzneistoffen Bedeutung erlangen wird, so vermutlich beim Parathormon.
Hemmung durch Dauerstimulation Die Hemmung der Gonatropinausschüttung durch eine Dauerstimulation der Hypophyse wird bei der Therapie des metastasierenden Prostatakarzinoms mit Gonadorelin-Superagonisten, z.B. Buserelin und Goserelin, ausgenutzt. Die Affinität dieser Superagonisten zum Zielorgan ist um den Faktor 50 bis 100 erhöht. Sie enthalten im Gegensatz zu den Glykoproteiden der Gonadoreline jeweils eine rechts-drehende Aminosäure, sind damit für Peptidasen schlechter angreifbar und erreichen so deutlich längere Halbwertszeiten. Während der natürliche Agonist wegen der pulsatilen Wirkung schnell abbaubar sein muß, ist hier das Gegenteil gefragt. Da bei dieser Anwendung ohnehin hoch dosiert wird, sind mögliche Schwankungen der Bioverfügbarkeit bei der Applikation der Gonadorelin-Superagonisten über die Nasenschleimhaut unproblematisch. Die verbesserte Compliance gegenüber injizierbaren Zubereitungen ist hingegen ein Vorteil. Zu Beginn der Anwendung eines Gonadorelin-Superagonisten steigt zunächst der LH-Spiegel und daraufhin die Testosteron-Produktion. Um eine Verschlechterung des Krankheitsbildes in dieser Zeit zu vermeiden, kann eine Blockade der Androgenrezeptoren mit Antiandrogenen vorgenommen werden. Nach etwa zwei Wochen setzt der beabsichtigte Effekt ein, und nach etwa vier Wochen entsteht eine reversible chemische Kastration. Ziel der Behandlung ist, die Testosteron-Bildung weitgehend zu unterbinden, um das Wachstum eines hormonabhängigen Prostatakarzinoms aufzuhalten. Als adjuvante Therapie kann sie vor einer Operation die Tumorgröße verringern und Mikrometastasen beseitigen. Eine weitere Indikation für die Dauerstimulation mit Gonadorelin-Superagonisten ist die Pubertas praecox. Das gleiche Therapieprinzip wird bei Frauen eingesetzt, um die Bildung ovarieller Hormone zu verhindern, z.B. bei einer Endometriose. Als Alternative zur Dauerstimulation mit Gonadorelin-Superagonisten, die durch die extreme Stimulation antagonistisch wirken, erscheint der Einsatz von "echten" Antagonisten. Solche Substanzen befinden sich in Entwicklung, doch scheiterte ihr Einsatz bisher an der schlechten Verträglichkeit.
Pulsatile Stimulation oder Gonadotropin-Substitution Während die Dauerstimulation der Hypophyse zu einer Downregulation der entsprechenden Hypophysenhormone führt, regt die pulsatile Stimulation die Hypophyse an. Bei Gonadotropin-Mangel wird das kurzwirksame Gonadorelin (Gonadotropin-Releasing-Hormon) eingesetzt, da die langwirksamen Derivate nicht pulsatil wirken können. So kann die pulsatile Gabe von Gonadorelin bei einer verzögerten Pubertät diese in Gang setzen, denn der Beginn der Pubertät ist aus dem Blickwinkel der Hypophyse mit dem Anspringen des Pulsgenerators gleichzusetzen. Eine weitere Indikation ist der hypogonadotrope Hypogonadismus, d.h. eine Fertilitätsstörung, bei der die Funktionsunfähigkeit der Keimdrüsen durch den Ausfall eines übergeordneten Zentrums begründet ist. Eine therapeutische Alternative zur Stimulation der Hypophyse bei diesen Krankheiten ist die unmittelbare Stimulation der Keimdrüsen durch Substitution der hypophysären Hormone. Hierbei werden in einer Kombinationstherapie FSH und humanes Choriongonadotropin eingesetzt, das aus dem Urin von Schwangeren gewonnen wird und in seiner Wirkung ungefähr dem LH entspricht. FSH ist aus Menopausenharn zu gewinnen, wird inzwischen aber auch gentechnisch hergestellt, während rekombinantes LH bisher nicht verfügbar ist. Die pulsatile Therapie mit Gonadorelin über eine entsprechend programmierte Pumpe ist im Vergleich zum Einsatz von FSH und Choriongonadotropin teurer, aber schneller wirksam. Beruht die Fertilitätsstörung dagegen auf einer Erkrankung der Keimdrüsen und sind die übergeordneten Zentren funktionstüchtig, d.h. im Falle eines hypergonadotropen Hypogonadismus, sind die beschriebenen hormonellen Therapieansätze nicht durchführbar.
Wachstumshormon: nicht nur für Kinder Neben FSH und LH gehört auch das Wachstumshormon (Somatropin, Growth Hormone, GH) zu den Hypophysenvorderlappenhormonen. Seine Freisetzung wird durch Hypothalamushormone gesteuert; das GH-Releasing-Hormon (GHRH) fördert die Produktion und Freisetzung des GH, während Somatostatin die Freisetzung bremst. Die Ausschüttung des GHRH wird seinerseits durch Catecholamine gefördert. Acetylcholin, Arginin und GABA hemmen die Somatostatin-Freisetzung und erhöhen damit ebenfalls die GH-Freisetzung. Dieser Effekt läßt sich in eiweißreichen Diäten ausnutzen, die auch die Wirkung von therapeutisch angewendetem Wachstumshormon verstärken. Das Wachstumshormon selbst wirkt sowohl direkt als auch indirekt. Direkt führt es zu Lipolyse sowie zu Salz- und Wasserretention, es erhöht gleichzeitig Insulin- und Glucosespiegel und wirkt diabetogen. Es vermittelt offenbar eine Insulinresistenz, woraus möglicherweise Erkenntnisse über die Entstehung von Diabetes mellitus und künftige Therapieansätze abzuleiten sind. Als indirekte Wirkung vermittelt das Wachstumshormon die Ausschüttung des insulinähnlichen Wachstumsfaktors IGF-1, der auch als Somatomedin-C bezeichnet wird. Dieser vermehrt seinerseits die Proteinsynthese, den Aminosäuretransport, das Muskel- und Knorpelwachstum, die DNA- und RNA-Synthese und die Zellproliferation. Der therapeutische Einsatz des rekombinanten Wachstumshormons, das gentechnisch hergestellt wird, ist klar indiziert bei nachgewiesenem GH-Mangel, der in der Kindheit zu Minderwuchs führt. Weiterhin vergrößert es die Einsatzmöglichkeiten mancher Operationsverfahren, da es den postoperativen Muskelschwund vermindern kann. Außerdem gibt es Argumente für einen Einsatz bei erworbener Hypophyseninsuffizienz. Bei den herkömmlichen Substitutionstherapien haben diese Patienten eine deutlich geringere Lebenserwartung aufgrund vermehrter kardiovaskulärer Erkrankungen. Vermutlich fehlt der fördernde Effekt des Wachtumshormons auf die kardiale Auswurfleistung. Doch liegen über die diskutierte Langzeitsubstitution keine Erfahrungen vor, da das rekombinante Wachstumshormon noch nicht so lange verfügbar ist. Ob es langfristig Tumoren aktiviert, läßt sich daher noch nicht sicher beantworten. Als weitere Anwendung wird gelegentlich die Leistungssteigerung bei Tumorpatienten diskutiert.
Auch zuviel Wachstum ist behandelbar Ganz andere therapeutische Möglichkeiten ergeben sich für das analog zu Somatostatin wirksame Octreotid. Da Somatostatin selbst nur eine Halbwertszeit von 2 Minuten aufweist, führt es nach kurzer Zeit durch einen "Rebound"-Effekt zu einer verstärkten Freisetzung des Wachstumshormons. Dieser Effekt läßt sich mit dem deutlich länger wirksamen Oktapeptid Octreotid umgehen. Hiermit läßt sich der Riesenwuchs bei Kindern stoppen. Außerdem kommt es bei der Akromegalie zum Einsatz. Die deutliche Vergrößerung der Akren im Erwachsenenalter beruht auf einer erhöhten GH-Freisetzung, die im allgemeinen durch einen Hypophysentumor verursacht ist. Zudem dient Octreotid zur Operationsvorbereitung bei Hypophysentumoren, die teilweise erst durch eine solche Verkleinerung operabel werden.
Viele Arzneistoffe wirken auf Prolactinspiegel Ein weiteres Hypophysenvorderlappenhormon ist das Prolactin, dessen wichtigste physiologische Wirkung die Milchbildung darstellt. Bereits in der Schwangerschaft steigt der Prolactinspiegel beträchtlich, doch wird die Milchproduktion durch die hohen Gestagen- und Östrogenkonzentrationen unterbunden, was nach der Geburt entfällt. Während der Stillzeit hemmt wiederum das Prolactin die Bildung von Progesteron und Estradiol und verhindert damit im allgemeinen die Entwicklung eines Menstruationszyklus, doch gewährleistet dieser Effekt keine sichere Empfängnisverhütung. Kommt es, beispielsweise durch ein Prolaktinom, zu einer ungebremsten, stark erhöhten Prolactinfreisetzung, hemmt die hohe Prolactinkonzentration die Gonadorelinausschüttung und damit indirekt die pulsatile FSH- und LH-Freisetzung, was zu Fertilitätsstörungen führt. Die Prolactinfreisetzung wird durch Thyroliberin, Östrogene, Histamin, Serotonin und den Saugreiz des Kindes an der Brust gefördert und durch Dopamin gehemmt. Hieraus ergeben sich verschiedene Effekte von Arzneimitteln auf die Prolactinproduktion (siehe Abb. 2); so erhöhen Dopaminantagonisten die Prolactinfreisetzung. Auch die Arzneimittel, die therapeutisch zur Senkung des Prolactinspiegels eingesetzt werden, greifen an Dopaminrezeptoren an. Diese Substanzen, wie Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Metergolin, das in Deutschland nicht für die Behandlung der Hyperprolactinämie zugelassene Pergolid und das relativ neue Quinagolid, sind Mutterkornalkaloid-Derivate und greifen vorzugsweise an D2-Rezeptoren an. Die Restwirkung auf D1-Rezeptoren kann zu Blutdruckabfall führen, weshalb eine Einnahme zur Nacht empfohlen wird. Die Stimulation von a1-Rezeptoren kann Durchblutungsstörungen in den Akren und Angina-pectoris-Anfälle hervorrufen. Durch die lange Halbwertszeit von Cabergolin und Quinagolid gelten diese Substanzen als besser verträglich, doch läßt sich auch mit den anderen Substanzen durch die Einnahme mit einer Mahlzeit eine Art "Retardierung" erreichen. Der gebräuchlichste Prolactinhemmstoff ist Bromocriptin, das unbedingt einschleichend dosiert werden sollte. Über 3 bis 5 Tage sollten am Abend 1,25mg genommen werden, danach sind Dosiserhöhungen möglich. Ohne eine einschleichende Dosierung sind Übelkeit und Blutdruckabfall zu befürchten, was die Compliance stark gefährden würde. Prolactinhemmstoffe werden zum Abstillen, aber auch zur Behandlung bei Prolaktinomen eingesetzt. So kann ein Prolaktinom zur Vorbereitung einer Operation verkleinert oder auf Dauer konservativ behandelt werden. Im Gegensatz zum Einsatz des Bromocriptins bei der Parkinsonschen Erkrankung nimmt beim Prolaktinom die Wirksamkeit auch über längste Zeiträume nicht ab. Doch ist bei einer konservativen Therapie des Prolaktinoms das Risiko eines Hypophysen-Apoplexes mit einer Blutung in den Tumor zu beachten. Dieser macht sich schlagartig durch schwerste Kopfschmerzen und Sehstörungen bemerkbar und stellt einen neurochirurgischen Notfall dar.
Faszinierende Steuerung der Geburt Hinsichtlich der physiologischen Funktion besteht ein enger Zusammenhang des Hypophysenvorderlappenhormons Prolactin zum Hypophysenhinterlappenhormon Oxytocin. Während der Saugreiz an der Brust über die Prolactinwirkung die Bildung der Milch für die nächste Mahlzeit vermittelt, wird der Milcheinschuß für die jeweils aktuelle Mahlzeit durch Oxytocin gesteuert. Außerdem führt Oxytocin zur Kontraktion der Uterusmuskulatur während der Geburt. Hierbei erstaunt, daß der Oxytocinspiegel im Laufe der Schwangerschaft kontinuierlich ansteigt, die Uterusmuskulatur aber erst bei der Geburt auf diese hohen Oxytocinkonzentrationen reagiert und zuvor nicht kontrahiert. Dieser Effekt wird vermutlich durch das Protein Connexin hervorgerufen, das in der Schwangerschaft gebildet wird. Jeweils sechs Connexin-Moleküle bilden ein Connexon, wobei jeweils zwei Connexone aus benachbarten Zellen eine elektrische Verbindung zwischen den Zellen herstellen. Wenn am Ende der Schwangerschaft die Uterusmuskulatur nahezu vollständig durch solche Connexone verbunden ist, kann schon die Aktivierung einer Zelle durch Oxytocin den gesamten Uterus über die Connexone koordiniert kontrahieren lassen und so die Geburt auslösen. Aufgrund der Bedeutung des Oxytocins für die Geburtsauslösung erscheinen Oxytocin-Antagonisten als ideale Tokolytika. Damit ließen sich die Tachykardien umgehen, die durch die gebräuchlichen Tokolytika vom Typ der b2-Sympathomimetika ausgelöst werden können. Angesichts dieser Perspektiven mag erstaunen, daß der seit 1989 bekannte Oxytocin-Antagonist Atosiban noch nicht als Tokolytikum eingesetzt wird.
Vasopressin: ein Hormon - viele Wirkungen Das zweite Hypophysenhinterlappenhormon ist Vasopressin (synonym: Adiuretin, antidiuretisches Hormon, ADH). Die Abnahme des Blutvolumens und bereits ein sehr geringer Anstieg der Osmolalität des Blutes erhöhen die Sekretion. Zudem wird die Vasopressinausschüttung durch verschiedene Arzneistoffe beeinflußt (siehe Abb. 3). Vasopressin führt über V1a-Rezeptoren zur Kontraktion der glatten Muskulatur, zur Aggregation von Blutplättchen und zur Glykogenolyse; über V1b-Rezeptoren vermittelt es die ACTH-Freisetzung. Über die V2-Rezeptoren werden zwei therapeutisch besonders relevante Wirkungen gesteuert: die Wasserrückresorption an der Niere (siehe Abb. 3) und die Freisetzung der Blutgerinnungsfaktoren Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor am Gefäßendothel. Therapeutisch wird beispielsweise das Vasopressin-Analogon Desmopressin mit einer Halbwertszeit von 30 bis 120 Minuten eingesetzt, das im Vergleich zu Vasopressin deutlich stärker an V2- als an V1-Rezeptoren wirkt. Wegen seiner Wirkung auf die Blutgerinnung kommt Desmopressin nicht nur zum Einsatz, wenn die Bildung des Faktors VIII oder des von-Willebrand-Faktors gestört ist. Vielmehr gehört es zur Standard-Versorgung von Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko bei in dieser Hinsicht problematischen Operationen, z.B. in der Urologie. Eine weitere wichtige Indikation ist die Substitutionstherapie bei Diabetes insipidus. Aufgrund der Wirkung auf die V1-Rezeptoren kommen andere Vasopressin-Analoga, z.B. Ornipressin, außerdem bei Ösaphagusvarizenblutungen, Magen-Darm-Blutungen, zur Vasokonstriktion in der Lokalanästhesie und bei postoperativer Darmatonie zum Einsatz. Als Nebenwirkungen sind Bronchokonstriktion, Koronar- und Abdominalspasmen und aufgrund der Oxytocin-Restwirkung zudem Uterusspasmen möglich. Wegen der Empfindlichkeit des Mineralstoffhaushaltes ist die Senkung des Natriumspiegels besonders problematisch; sie kann zu Krämpfen und bis zum Koma führen. Bei einer solchen Hyponatriämie darf das fehlende Natrium nur langsam über mehrere Tage ersetzt werden, da das entstandene Hirnödem bei einer schnellen Auffüllung zu einer irreversiblen Myelinolyse der betroffenen Hirnareale führen kann. Daher stellt eine Therapie mit Vasopressin-Analoga strenge Anforderungen an die Dosierung, wobei insbesondere eine Überdosierung unbedingt vermieden werden muß, während eine Unterdosierung vergleichsweise leicht zu beherrschen ist. Aufgrund der engen therapeutischen Breite der Vasopressin-Analoga müssen Diabetes-insipidus-Patienten ihre Dosierung ständig der Flüssigkeitsausscheidung anpassen.
Die Epiphyse und ihr populäres Produkt: Melatonin Nicht von der Hypophyse, aber von der naheliegenden Epiphyse wird das Hormon Melatonin sezerniert. Da seine Freisetzung durch Lichteinwirkung inhibiert wird, wird sein Einsatz als Schlafmittel diskutiert. Doch hängt die Wirkung stark von der Dosis ab. In Untersuchungen mit hohen Dosierungen über 5mg wurde die Zeit bis zum Einschlafen verkürzt und die Schlafdauer verlängert, doch trat nach etwa 2 Wochen eine Toleranz auf, wie sie von etablierten Schlafmitteln bekannt ist. Bei geringen Dosierungen unter 1mg ist dagegen nicht von einer Wirkung als herkömmliches Schlafmittel auszugehen, vielmehr scheint die Synchronisation zwischen Schlafbedürfnis und Schlafbereitschaft verbessert zu werden. Dies würde Aussagen stützen, die Melatonin eine Wirksamkeit gegen die Desynchronisation beim Jet-lag zuschreiben, doch sind die hierzu vorliegenden Studien insgesamt bisher eher als enttäuschend anzusehen. Die zeitweilig diskutierte antioxidative Wirkung des Melatonins ist therapeutisch irrelevant, da sie unrealistisch hohe Dosierungen erfordern würde. tmb
Danksagung: Der Verfasser bedankt sich bei Dr. Christian Mignat, Höxter, vormals Kiel, für die freundliche Unterstützung, die sehr hilfreichen kritischen Anmerkungen und das zur Verfügung gestellte Illustrationsmaterial.
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