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Medikamentenhilfstransporte nach Rumänien: Arzneimittel - kostenlos auf Rezept
Langsam werden die Augenlider schwer, und im Mund stellt sich der schale Geschmack der durchwachten Nacht ein. Der Motor des Lastwagens dröhnt nun schon seit 20 Stunden monoton vor sich hin, und das Asphaltband, das sich schnurgerade durch die ungarische Puszta Richtung Osten zieht, will auch kein Ende nehmen. Kein Arbeitstag wie jeder andere für den jungen Apotheker Hubert Kaps: Den weißen Kittel hat er gegen die orangefarbene Dienstjacke der Johanniter-Unfall-Hilfe getauscht, die Apothekenkasse gegen das Lenkrad eines Lastwagens. Der 27jährige Erlanger ist ehrenamtlicher Mitarbeiter der Johanniter aus Lauf bei Nürnberg und bringt mit Hilfstransporten regelmäßig Medikamentenspenden nach Rumänien. Einige hundert Kilometer schaglochübersäter Straßen und vor allem die kritischen Augen der rumänischen Zöllner sind noch zu überwinden, bis nach 24 Stunden Fahrt endlich die Apotheke der rumänischen Hilfsorganisation Asklepyos im siebenbürgischen Cluj-Napoca (Klausenburg) erreicht ist. Auch acht Jahre nach der blutigen Revolution gegen den stalinistischen Schreckensherrscher Nicolae Ceausescu befindet sich das Land am Fuß der Karpaten alles andere als auf dem aufsteigenden Ast. Bei durchschnittlichen Monatslöhnen von 100 bis 200 Mark und ständig steigenden Lebensmittelpreisen ist die Finanzierung des täglichen Lebens für die meisten Menschen schon ein Kunststück. Kommen Krankheiten hinzu, die mit teuren westlichen Arzneimitteln behandelt werden müssen, ist der Weg in die Verarmung oft nicht mehr weit.
Asklepyos-Apotheke - Retter in der Not Ein Teufelskreis, den Asklepyos mit seiner Apotheke, die kostenlos Medikamente auf Rezept abgibt, wenigstens ein bißchen zu lindern versucht. Montag für Montag drängen sich über 150 Klausenburger am Eingang zum historischen Museum der Stadt, in dem die Apotheke 1990 mit Hilfe der Johanniter eingerichtet wurde. Mehr als zehn Millionen Schachteln Medikamente, 40 Tonnen medizinischer Hilfsmittel, 28000 Brillen und zehn Tonnen Milchpulver wurden in dieser Zeit an Patienten und Kliniken verteilt. Angesichts der Not, die in Rumänien herrscht ein Tropfen auf den heißen Stein, das weiß auch Dr. Luana Risca, Vizepräsidentin von Asklepyos, die mit 25 ehrenamtlich tätigen Ärzten, Pharmazeuten und Studenten die Apotheke betreut. Die Rumänen haben zwar Anspruch auf kostenlose Behandlung in den staatlichen Polikliniken, doch nur Schwangere, Kinder und Bergarbeiter bekommen auch die Medikamente umsonst. Die übrigen Patienten können nur hoffen, daß ihr Arzneimittel, falls es überhaupt in einer der staatlichen oder privaten Apotheken vorhanden ist, auf der Reduzierungsliste des Gesundheitsministeriums steht, so Dr. Risca.
Kaum eigene Arzneimittelproduktion in Rumänien "Auch mit einer Reduzierung von 50 bis 75 Prozent sind die Medikamente für die Menschen viel zu teuer: Eine Schachtel Augmentan verschlingt ungefähr ein Viertel einer Durchschnittsrente", rechnet Dr. Risca das Dilemma vor. Hinzu komme, daß die Arzneimittelproduktion in Rumänien bis auf wenige Ausnahmen zusammengebrochen sei, die meisten verschriebenen Wirkstoffe daher teure Importe aus dem Westen seien. Schnell hat sich daher die Apotheke von Asklepyos zur größten im Land gemausert, auch wenn die kostenlose Abgabe der Medikamente nur mit Spenden aus dem Westen aufrechterhalten werden kann. Gefragt ist vor allem das gängige deutsche Generikasortiment für Herz- und Kreislauferkrankungen, Antirheumatika und Antibiotika, das den Mitarbeitern von Asklepyos bestens bekannt ist.
Arzneimittelspenden sinnvoll Immer wieder verblüffen sie Hubert Kaps mit Medikamentenwünschen, in denen nicht der Wirkstoff, sondern der deutsche Produktname genannt wird. Spenden für seine rumänischen Kollegen erhielt Kaps bislang von den Firmen Aliud, Hexal, Eurim, Schwarz, Isis, Asta, Gothaplast, Bene, Boehringer Ingelheim, Gruenenthal, Wolff Arzneimittel, Glaxo Wellcome, Beiersdorf und Stada. Auch der Arzt an der rumänischen Grenze, der die Einfuhr von Arzneimitteln kontrolliert, kennt sich hervorragend mit der deutschen Produktpalette aus. "Das ist sehr gut", radebrecht er mit rollendem "R", als er bei der langwierigen Kontrolle auf einer Palette Bisolvon das Verfallsdatum 2001 entdeckt. Der Arzt wacht mit Argusaugen darüber, daß in seinem Land keine abgelaufenen Medikamente billig entsorgt werden. Dennoch sei es durchaus sinnvoll, so Kaps, Arzneimittel mit kurzer Verfallszeit nach Rumänien zu bringen, da der Bedarf der Apotheke von Asklepyos enorm sei. Das Verfallsdatum ist daher auch, neben dem Anwendungsgebiet, das wichtigste Kriterium, nach dem die Kartons einige Stunden später von Kaps und den Mitarbeitern von Asklepyos in der Apotheke sortiert werden. Die Augenlider zieht es zwar noch immer mit Macht in die Schlafstellung, und der abgestandene Geschmack im Mund wird nur vom stärkeren rumänischen Kaffee übertüncht, aber das spielt nach 24 Stunden Fahrt auch keine Rolle mehr. Kontakt: Hubert Kaps, c/o Regnitz-Apotheke Erlangen, Eltersdorfer Straße 15, 91058 Erlangen, Telefon und Fax (09131) 60 33 22.
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