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Gedanken zur Gefahrenabwehr: Kaliumchlorat statt Kaliumchlorid - der Alptraum ei
Kaliumchlorid (KCl) ist eine völlig harmlose Substanz; Kaliumchlorat (KClO3) dagegen ist nicht nur explosionsgefährlich bei Mischung mit brennbaren Stoffen (Schwefel, Kohle), was schon bei experimentierfreudigen Kindern und Jugendlichen zu schweren Unfällen geführt hat. Es kann, eingenommen in Mengen von ca. 5-15g als Methämoglobinbildner zu tödlichen Chloratvergiftungen führen, weshalb die Chemikalie früher auch zu Selbstmorden, Giftmord und zur Abtreibung mit Todesfolge Verwendung fand. Zum Glück bleibt das Gefäß auf dem Rezepturtisch stehen. Der Irrtum wird rasch bemerkt. Der Kunde ist aber leider auch auf der Straße nicht mehr zu finden. Es folgt eine groß angelegte Suchaktion, Aufrufe im Radio, Lautsprecherdurchsagen aus Polizeiautos in der ganzen Stadt, Fernsehsendungen. Der Mann wird endlich gefunden. Er hatte sein Vorhaben, sich preisgünstig ein Elektrolytgetränk herzustellen, noch nicht in die Tat umgesetzt. Die verhängnisvolle Verwechslung führte zu einem glücklichen Ende. Es hätte aber auch anders kommen können mit entsprechenden Ermittlungen gegen die PTA und den letztverantwortlichen Apotheker und mit möglichen haftungsrechtlichen Konsequenzen.
Selten, aber kein Einzelfall Ein solches Mißgeschick ist zwar selten, aber kein Einzelfall. So wurde vor etwa zwei Jahren im westfälischen Raum anstelle von Glaubersalz (Natriumsulfat) Natriumsulfit abgegeben, das in Grammdosen Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle auslöst. Die Verwechslung beruhte auf einer Fehlbestellung. Die richtig gelieferte Originaltüte wurde ungeöffnet und ungeprüft so, wie sie gekommen war, abgegeben. Schon bei einer organoleptischen Prüfung wäre der Fehler aufgefallen. Bei Durchsicht meiner Unterlagen fand ich eine DAZ-Meldung: "Aus der Tagespresse: In einer Mainzer Apotheke erhielt eine Frau anstelle von Citronensäure giftige Borsäure. Solche Nachrichten geben Anlaß, sich erneut die große Verantwortung des Apothekers bei der Abgabe von Drogen und Chemikalien, aber auch bei der Prüfung im Labor ins Gedächtnis zu rufen." Seinerzeit warnte das Gesundheitsministerium vor einer Falschabfüllung Wasserstoffsuperoxid-Lösung 30% DAB 9 mit konzentrierter technischer Salzsäure.
Chemikalien unbedingt prüfen! Vor einer Verwechslung ist niemand gefeit, weder Apotheker noch Großhändler oder Hersteller, wie die Beispiele zeigen. Wichtig ist aber, wie mit solchen Vorfällen umgegangen wird. Sie zeigen, daß Chemikalien und Ausgangsstoffen mindestens die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden muß wie dem Warenlager mit Fertigarzneimitteln. Sonst wird der Apotheker seinem Versorgungsauftrag nicht gerecht und muß sich gefallen lassen, in der Öffentlichkeit Vertrauen einzubüßen. Anläßlich von Besichtigungen werden Mängel bei Prüfungen, Lagerung und Kennzeichnung von Ausgangsstoffen immer wieder mit dem Hinweis entschuldigt, das Warenlager mit Fertigarzneimitteln sei aber bestens in Ordnung.
Brauchen wir diese Substanzen noch? Die Verwechslung wird für jeden Apotheker Anlaß sein, darüber nachzudenken, wie potentielle Gefahrenquellen weitgehend auszuschließen und vorhandene schnellstmöglich zu beseitigen sind. Auch ich habe mir hierzu aus Sicht der Überwachung Gedanken gemacht, um die Kollegen in ihren Bemühungen zu unterstützen und einen kleinen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten: Während der Suchaktion stellten mir alle Journalisten immer die gleiche Frage ,,Wozu wird eine so gefährliche Substanz in der Apotheke aufbewahrt? Was macht der Apotheker damit?" Eine Verwendung als Arzneimittel kann heute nicht mehr angenommen werden. Zuletzt ist es im DAB 6 aus dem Jahr 1926 (Neudruck 1951) unter der Bezeichnung ,,Kalium chloricum" als Monographie zu finden und wurde als Gurgelmittel bei Erkrankungen der Mundhöhle eingesetzt. Als Reagenz wird Kaliumchlorat in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) nicht aufgeführt, dagegen aber im Europäischen Arzneibuch 1997 und im DAB 10 u.a. zur Identitätsprüfung von Dimenhydrinat. Ich frage mich nun: ,,Kann ich nicht auf diese Substanz, die Anlaß zu Verwechslungen geben kann, ganz verzichten und sie entsorgen?" Dies halte ich für die einfachste und wirksamste Art, Gefahrenquellen zu beseitigen. Es sollte jedes Gefäß in der Apotheke einer kritischen Überprüfung unterzogen werden mit der Fragestellung, ob ausgerechnet diese Substanz in der Apotheke vorhanden sein muß. Dabei sollte weder vor dem ,,Omnibus" noch dem ,,Museum zu Anschauungszwecken" halt gemacht werden. Auch der Reagenziensatz gehört dazu, wobei Anlage1 ApBetrO verbindlich ist. Selbst der hinterste Winkel des Kellers sollte durchforstet werden, denn wenn der Zufall es will, lauert auch hier eine Gefahr.
Korrekte Kennzeichnung überprüfen! Wahrscheinlich hat die rigorose und konsequente Entsorgungsaktion das Chemikalienlager schon erheblich dezimiert. Die verbliebenen Gefäße müssen nun auf ordnungsgemäßen Zustand und korrekte Kennzeichnung überprüft werden. Aus Gründen der Sicherheit sollten einheitliche Behältnisse und ein einheitliches Namenssystem zum Einsatz kommen. Zum einen entspricht die Beschriftung von Transportbehältnissen nicht immer den Vorschriften der ApBetrO (z.B. in bezug auf Farbe der Schrift und des Untergrunds - rot auf weiß, weiß auf schwarz). Zum anderen sind unterschiedliche Gefäße der verschiedenen Lieferanten, evtl. sogar noch Tüten, sehr unübersichtlich. Wenn keine Standgefäße mit Glasstopfen vorhanden sind, leisten braune Weithalsgläser mit Schraubdekkel vergleichbar gute Dienste. In die Weithalsgefäße können gegebenenfalls kleine Kunststoffliefergefäße hineingestellt werden, so daß ein verlustreiches Umfüllen erspart bleibt, aber eine ordnungsgemäße und einheitliche Beschriftung möglich ist. Um Verwechslungen auszuschließen, ist eine gute Kennzeichnung der Lagergefäße von großer Bedeutung. Sie muß sowohl nach ApBetrO als auch nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) erfolgen. Die ApBetrO verlangt eine eindeutige Bezeichnung, gut lesbare Schrift, die dauerhaft aufgebracht ist. Soweit es zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlich ist, soll eine zusätzliche Kennzeichnung angebracht werden. Warum soll nicht auch einmal ein rotes Ausrufungszeichen auf eine Gefahr hinweisen ! Nach neuerem Gefahrstoffrecht sind Arzneirohstoffe (Ausgangsstoffe) von der Kennzeichnungspflicht nicht mehr ausgenommen. So müßte Kaliumchlorat, falls es noch als Monographie aufgeführt wäre, zusätzlich zu rot auf weiß das Gefahrensymbol ,,Andreaskreuz" mit der Bezeichnung ,,gesundheitsschädlich" sowie einen Flammenring mit der Bezeichnung ,,brandfördernd" tragen. Bei noch nicht eingestuften Gefahrstoffen können die Liefergefäßkennzeichnung hilfreich sein, Rückfragen beim fachkundigen Lieferanten oder Rückgriff auf ein Sicherheitsdatenblatt.
Richtige Aufbewahrung beachten Auch die Art der Lagerung dient Sicherheitsaspekten. So sollten Arzneistoffe, die zur Herstellung und Abgabe an Kunden bestimmt sind, streng getrennt von Chemikalien, die ausschließlich zum Prüfen bestimmt sind, aufbewahrt werden. Dies gestaltet sich schwieriger in den Fällen, in denen die Rezeptur aus hygienischen Gründen im Labor untergebracht ist. Grundsätzlich haben zwar im Labor Arzneistoffe nichts zu suchen. Aus Praktikabilitätsgründen läßt sich dies aber kaum vermeiden (Cyran, Rotta, ApBetrO, Kommentar, Rdnr. 58). Die Ausgangsstoffe müssen sich dann aber in einem dicht schließenden Schrank befinden, der möglichst nicht in unmittelbarer Nähe zum Reagenzienschrank aufgehängt werden sollte. Eine Verwechslungsgefahr wird zudem verringert, wenn der Reagenzienschrank zusätzlich wegen der giftigen Gefahrstoffe ordnungsgemäß mit Steckschloß versehen ist, um die Gifte dem Zugriff Fachunkundiger zu entziehen. Eine Beauftragung gibt es im Einzelhandel nicht mehr. Zu den weiteren Maßnahmen wie Anlegen eines aktuellen Gefahrstoffverzeichnisses, Unterweisung der Mitarbeiter und Erstellung von Betriebsanweisungen für den Umgang mit Gefahrstoffen verweise ich auf die einschlägige Literatur (Dr. Ute Stapel, Betriebsanweisung gemäß §20 Gefahrstoffverordnung, Govi-Verlag; Dieter Kaufmann, Gefahrstoffrecht für die Apothekenpraxis, Deutscher Apotheker Verlag). Last not least: Ausgangsstoffe müssen auf Identität geprüft werden, tatsächlich und nicht nur auf dem Papier. Umfüll- und Etikettierfehler z.B. beim Großhandel vermelden immer wieder die Wichtigen Mitteilungen in der Fachpresse. Überall arbeiten ,,nur" Menschen mit ihren Schwächen. Ein solches Ereignis stimmt jedesmal erneut nachdenklich: Was kann ich persönlich an meinem Arbeitsplatz tun, um einen kleinen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten! So sollen meine Ausführungen verstanden werden.
Dr. Siegrun auf dem Keller, Amtsapothekerin für die Städte Mülheim an der Ruhr und Oberhausen
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