DAZ aktuell

Rührend


Es war das erste Geheimnis, das ich lüften durfte, als Praktikant: Wie wird eigentlich die Salbe so, wie sie ist? Homogen, glatt, einfach schön anzuschauen und obendrein hilft sie auch noch! Salben rühren - ja, eine Kunst wie Pillendrehen. Genau so: Denn wie mit der Pillendreherei gehts nun auch mit der Salbenrührerei zu Ende. Die Ära von Pistill und Fantaschalen neigt sich, das Abkratzen mit Kartenblättern, das Auswischen mit Zellstoff - es ist kaum noch zu erkennen in der Abenddämmerung einer apothekerlichen Handwerkskunst, die so charakteristisch ist für unseren Beruf wie kaum eine andere. Zwar sind die Fantaschalen noch in der Mehrheit, doch die Ablösung drückt mit Macht in unsere Rezepturen: Rollieren statt rühren, mixen statt rühren - das sind die Zukunftszauberformeln. Sauber und schnell, mein alter Chef könnte mich nicht mehr nerven mit seinem "Cito!", das er mir in die Rezeptur bellte. Ich würde lässig meinen Mixer anwerfen und - ruckzuck - lächelnd das fertige Produkt präsentieren. "Unguator" oder "Tubag" (für den, der seine Salbe lieber gerollt statt gerührt mag) heißen die neuen Helferlein, ausgetüftelt von pfiffigen Franken bzw. Schwaben (von wem auch sonst?!) und nun auch von der profitorientierten Industrie entdeckt. Tausende dieser "Salbulatoren" sind schon aktiv, täglich werden es mehr. Besonders schöne Exemplare von Pistill und Schale werden bereits für die Aufnahme ins Apothekenmuseum präpariert (haben Sie vielleicht was besonders Ausgefallenes oder Exotisches in dieser Richtung? Schicken Sies nach Heidelberg!). Alte Pharmazeuten halten ihre Rührtechniken für die Nachwelt fest ("Was, wie die Hausfrau beim Teigrühren, so war das damals mit den Salben?") und die Volkshochschulen planen fürs kommende Jahr einen Nostalgiekurs für junge ApothekerInnen: "Salbenrühren wie zu Stürzbechers Zeiten". Wie wir hören, platzt die Anmeldeliste für diesen Event aus allen Nähten! Ja, so ist das, wenn eine Zeit zu Ende geht.
Doch wir wollen nicht vergessen, auf die Vorteile dieser pharmazeutischen Zeitenwende hinzuweisen: keine schmutzigen Finger mehr, keine "Rumbaatzen" (so sagt der Bayer, jawoll!) mit irgendwelchen Fetten und Ölen, keine Schweißperlen mehr auf unserer Stirn (verflucht, warum wird das Zeug nicht homogen?), keine Notlügen mehr für die Kundschaft ("Kommen Sie bitte morgen wieder - heute schaffen wir das mit Ihrer Salbe nimmer!"). Wenn Sie noch rühren statt rollieren bzw. mixen - genießen Sie trotzdem die letzten Umdrehungen, lehren Sies trotzdem Ihren Praktikanten - vielleicht verdienen wir mit diesem Kunststück aus längst erloschenen, glanzvollen Tagen irgendwann mal unser Geld: im Varieté, bei Gottschalk oder im Fernsehen. Als "rührende" Künstler...

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.