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DAZ aktuell
Bundesverband Homecare e.V.: Pflege zu Hause muß umfassender werden
Verbandsvorstand Volker Wagner (G. Braun Melsungen AG) rechnet dem Bereich Homecare eine immer größer werdende Bedeutung zu. Zur Kostenersparnis wird einerseits vom Gesetzgeber und den Kostenträgern eine zunehmend kürzere Verweildauer im Krankenhaus gewünscht. Immerhin könnte jeder fünfte Krankenhausaufenthalt durch gute Betreuung zu Hause verhindert werden. Andererseits nehmen chronische Erkrankungen zu und die Anzahl alter multimorbider Menschen steigt. Diese Situation erfordert eine Intensivierung und den Ausbau eines flächendeckenden Konzepts in der Homecare-Versorgung mit der Möglichkeit eines raschen Managements bei der Überleitung von der Klinik in den Privathaushalt.
Was eigentlich ist Homecare? Anders als in den USA ist "Homecare" bei uns kein Begriff mit definierten Inhalten. Er reicht von der reinen Arzneimittelbelieferung bis zur Sterbehilfe. Hier setzt zunächst eines der Verbandsziele an, nämlich den Homecare-Begriff einer klaren Definition zuzuführen: Homecare ist die Belieferung, Pflege und Therapie von Patienten in ihrem häuslichen Umfeld, aber nach Krankenhausstandards.
Die besonderen Probleme In Deutschland wird die Betreuung von Patienten zu Hause durch den Arzt nicht honoriert. Das bedeutet, daß es trotz der großen Ersparnisse gegenüber der Klinikbehandlung keine Verschiebung von finanziellen Mitteln und damit einen Anreiz für den Homecare-Bereich gibt. Auch die Schulung und Einweisung von Angehörigen und Betroffenen in die Handhabung von Kathetern, Sondennahrung, Infusionsbestecken oder Stomahilfsmitteln wird heute noch unentgeltlich von den Herstellern dieser Produkte geleistet. Durch den ständigen Preisverfall der Artikel aber wird der Deckungsbeitrag für diese Leistungen bald nicht mehr zu erwirtschaften sein. Es muß also dringend mehr Geld dafür bereitgestellt werden. Ein weiteres großes Problem ist die unterschiedliche Qualifikation der Pflegekräfte. Nicht selten erscheint an einem Tag eine Krankenschwester und an anderen lediglich ein Zivildienstleistender. Fachpersonal ist teuer und wird daher bei den kommerziellen Pflegedienst-Anbietern nur selten eingesetzt. Auch juristisch kann die häusliche Pflege zum Stein des Anstoßes werden, da es keine klaren haftungsrechtlichen Regelungen zwischen Ärzten und Pflegepersonal gibt. Um diese Mißstände zu beseitigen, arbeitet der Homecare-Verband an mehreren Zielen. Eines davon ist der Dialog mit der Gesundheitspolitik, die finanziellen Rahmenrichtlinien für die häusliche Pflege zu verbessern. Dazu gehört auch, die heute noch abgegrenzten Praxis- und Krankenhausbudgets für Geldverschiebungen vom einen in den anderen Bereich zu öffnen. Das zweite Ziel ist eine umfassende Qualitätskontrolle und -sicherung im pflegerischen Bereich, das dritte Ziel eine juristische Lösung für die drängenden Haftungsfragen zu finden. Über allen diesen Bemühungen steht das Bestreben, die zu einer wirklich effektiven häuslichen Pflege nötige dichte Vernetzung aller Beteiligten - Kliniken, Krankenkassen, Ärzte, Apotheken/Sanitätshäuser, Pflegedienste und Angehörige sowie letztlich den Patienten selbst - zu erreichen.
Praxisbeispiele: Infusionstherapie... Früher war eine Infusionstherapie nur im Krankenhaus möglich gewesen. Neue Infusionssysteme und Materialien machen es aber möglich, daß der Patient selbst oder seine Angehörigen die Therapie weiterführen. Wie Maria E. Wiedemann (Baxter Deutschland GmbH) ausführte, ist dies zum Teil so unauffällig, daß der Betroffene ggf. sogar damit wieder arbeiten kann. Der Gewinn an Selbstbestimmung und Selbständigkeit ist enorm. Bei weniger Nebenwirkungen und besserer Verträglichkeit ergeben sich meist auch ein positiverer Krankheitsverlauf und letztlich auch geringere Kosten. Zur Zeit werden etwa 5000 Patienten im Jahr damit behandelt. Allerdings könnten nach Schätzungen des International Institute for Management Development in Lausanne ungefähr 100000 Krebs-Patienten ihre Chemotherapie schon heute mit verträglicheren Langzeit-Infusionen zu Hause erhalten. Dazu kämen noch 300000 Schmerzpatienten, die sich solchermaßen ihr Schmerzmittel im heimischen Umfeld verabreichen könnten. Das Marktpotential im Infusionsbereich wird dementsprechend auf über 350 Mio. DM geschätzt, mit einer Wachstumsrate von 15%.
...ambulante künstliche Ernährung... Noch bis Mitte der 80er Jahre verblieben künstlich zu ernährende Patienten weitgehend im Krankenhaus, berichtete Dr.Michael Kliem (Pfrimmer-Nutricia GmbH). Ähnlich wie bei der Infusionstherapie ist auch hier eine Verlagerung nach Hause durch neue Materialien und Produkte prinzipiell möglich geworden. Da es sich bei den Patienten jedoch meist um multimorbide Menschen handelt, ist ihre Pflege sehr schwierig. Es fehlt bei den Betreuenden meist an den notwendigen Kenntnissen, und auch die Ärzte sind meist überfordert. Denn durch einen einzelnen niedergelassenen Arzt wird statistisch nur etwa alle zwei Jahre einmal ein solcher Patient versorgt. Bisher übernehmen allein die Hersteller von Sondennahrungen die Knüpfung des "Netzes", das die lückenlose Ernährung der Patienten an allen 365 Tagen des Jahres sicherstellt. Damit aber werden die Firmen angesichts schwindender Gewinnmargen bald überfordert sein, denn allein von 1995 bis 1996 stieg die Zahl der enteral zu Hause ernährten Patienten um 35%!
...Wundversorgung und Stomata Dekubital- und Unterschenkelgeschwüre sind wie alle schlecht heilenden Wunden ein großes Problem in der Pflege. Obwohl es effektive Präventions- und Therapiemöglichkeiten gibt, werden diese oft vernachlässigt oder als unvermeidliche Begleiterscheinungen von Erkrankung und Bettlägerigkeit hingenommen. Dadurch entstehen für die zu Pflegenden zusätzliche Leiden, von den zusätzlichen Kosten ganz zu schweigen. Der Verband Homecare, so Thomas Peter Ollinger von der Fa. Assist GmbH, hat sich zum Ziel gesetzt, darüber aufzuklären, daß dem finanziellen Aufwand für eine moderne Versorgung dieser chronischen Wunden ein großes Einsparpotential an Folgekosten gegenübersteht. Auch ambulante Stomapatienten sind eine zunehmend anwachsende Gruppe; in Deutschland gibt es aktuell etwa 120000 Stomapatienten. Hier ist das Dilemma, daß der Patient durch die Operation vielleicht geheilt wurde, nun aber behindert ist. In der Pflege seiner Stomaanlage wurde der Patient zwar im Krankenhaus unterrichtet, doch bei Komplikationen zu Hause steht er weitgehend allein. Auch hier steht ihm heute nur das Fachpersonal (Entero-Stomatherapeuten) der Hersteller und des Fachhandels zur Seite - unentgeltlich, versteht sich. Das jedoch kann so nicht bleiben, da auch hier aus den sinkenden Festbeträgen für die Stomaprodukte ein solch aufwendiger Service auf Dauer nicht wird finanziert werden kann.
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