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- DAZ 39/1999
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Die Seite 3
Andrea Fischer als Watschenfrau! So hätte sich die Gesundheitsministerin fühlen müssen, wenn sie (was auch bei ihren Vorgängern unüblich war) bei den Anhörungen zu ihrer "GKV-Gesundheitsreform 2000" dabei gewesen wäre (vgl. "Gut gemeint, schlecht gemacht", S. 69). Es hagelte Kritik - Kritik am Prinzipiellen, aber auch am Handwerklichen. Kritik nicht nur aus Ecken, wo sie auf wenig Gnade hoffen konnte; bittere Kritik auch von Verbänden und von Sachverständigen, die sie wahrscheinlich zuvor auf ihrer Seite wähnte.
Innehalten, noch einmal gründlich nachdenken - das wäre der Ministerin jetzt zu empfehlen. So, wie er jetzt vorliegt, bekommt sie ihren Entwurf ohnehin nicht mehr durch den Bundesrat. Kleine Korrekturen werden kaum reichen. Dazu ist sie bereit, so hat sie schon angedeutet.
Beim Datenschutz z.B. will sie einlenken. Die Daten sollen frühzeitig "pseudonymisiert" werden - so wie es die Datenschutzbeauftragten unisono gefordert hatten. Trotzdem: Eine Grüne, die bereit war, Orwells Visionen umzusetzen - das ist ein Makel, der schwer zu tilgen sein wird. "Monströs" sei das alles, hat selbst ein Vertreter der Krankenkassen bei den Anhörungen eingeräumt. Das stimmt, zumal die Ministerin an der unglaublichen Zentralisierung und Bürokratisierung der Datenströme offensichtlich weiter festhalten will, an den Datenannahmestellen und Arbeitsgemeinschaften der Spitzenverbände der Krankenkassen. Dagegen spricht nicht nur, dass wir im Gefolge der einseitigen Vermachtung zu Gunsten der Krankenkassenbürokratie einmal mehr mit drastisch steigenden Verwaltungskosten zu rechnen haben. Wie will die Koalition das den Versicherten erklären? Mindestens ebenso gewichtig ist: Frau Fischer scheint total vergessen zu haben, dass die Grünen einmal gewählt worden sind, weil sie hartnäckig für Subsidiarität, für dezentrale, ortsnahe Lösungen eintraten. Solche Lösungen existieren und funktionieren derzeit, jedenfalls im Arzneimittelbereich. Frau Fischer entzieht ihnen den Boden, wenn ihr Entwurf so bliebe, wie er ist.
Ob sich die Ministerin auch beim Thema Budgetierung bewegen will? Zarte Hinweise darauf gibt es. Zum Globalbudget, der "Obergrenze aller jährlichen Ausgaben" der Gesetzlichen Krankenversicherung: das Gesundheitsministerium sollte es festlegen, streng anpasst an die Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne. Bei mehr Arbeitslosigkeit oder mehr Schwarzarbeit hieße das: wir haben zwar nicht weniger Menschen, die krank werden können; aber wir werden für das Gesundheitswesen dennoch weniger Geld ausgeben. Macht Arbeitslosigkeit oder Schwarzarbeit etwa besonders gesund? Nein: Rationierung ist dann angesagt. Aber bei diesem Wort hört die Koalition angestrengt weg.
Dabei könnte klar sein: Nicht nur in der Rentenpolitik, auch in der Finanzierung des Gesundheitswesens brauchen wir so etwas wie eine kopernikanische Wende, einen gründlichen Paradigmenwechsel. Die Gründe sind die gleichen: die Gesellschaft vergreist, der Anteil und die Zahl der Leistungsempfänger steigt, der Anteil der aktiven Beitragszahler, die noch keine oder nur geringe Leistungen benötigen, sinkt. Die Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen erfordert etwa das Vierfache, die der über 80-Jährigen sogar das Sechsfache an Behandlungskosten wie diejenigen, die anfangen zu arbeiten.
Liegt da nicht nah, dass wir auch in der Krankenversicherung einen demographischen Faktor und einen arbeitsmarktpolitischen Faktor brauchen? Frau Fischers Globalbudget jedenfalls ist ein Rezept von gestern. Nicht einmal die Einnahmeprobleme, die die GKV schon heute hat, sind damit zu lösen. Auf ein Neues - Frau Ministerin.
Klaus G. Brauer
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