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Feststellung des Bundesverfassungsgerichts: Preisabschlag nur für GKV-Markt zul
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden dennoch nicht zur Entscheidung angenommen, weil eine Rückabwicklung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden gewesen wäre.
Durch Artikel 30 Abs. 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG), das am 1. Januar 1993 in Kraft trat, wurde für Arzneimittel, für die am 1. Januar 1993 kein Festbetrag festgesetzt war, ein Preisabschlag von 5% für verschreibungspflichtige Arzneimittel und von 2% für nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel vorgeschrieben. Die so festgesetzten Preise wurden für die Jahre 1993 und 1994 gesetzlich festgeschrieben (Preismoratorium). Von dieser Regelung betroffen waren auch apothekenpflichtige Arzneimittel, die nicht oder nur in Einzelfällen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet wurden.
Mehrere Arzneimittelhersteller, deren nicht oder nur in Einzelfällen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnete Arzneimittel von der Regelung betroffen waren, hatten gegen diese Bestimmung Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Beschwerde bezog sich sowohl auf apothekenpflichtige Produkte mit einem 2%igen Abschlag als auch auf verschreibungspflichtige Präparate mit 5%igem Abschlag.
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit
Die Zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellt ausdrücklich fest, dass die beanstandete Regelung einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Unternehmen darstellt. Gesetzliche Vorgaben für die Bildung der Preise, zu dem in der Berufsausübung hergestellte Erzeugnisse veräußert werden, seien geeignet, sich auf die Ausübung des Berufs auszuwirken. Die beanstandete Regelung habe zu einem solchen Eingriff geführt, weil aufgrund dieser Vorschrift die Herstellerabgabepreise der betroffenen Fertigarzneimittel abgesenkt und diese abgesenkten Preise für zwei Jahre festgeschrieben wurden. Der Einordnung als Einschränkung der Berufsfreiheit stehe nicht entgegen, dass die Vorschrift die gesetzlichen Krankenkassen von Ausgaben für Arzneimittel entlasten sollte.
Andererseits billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zu, sich zur Begründung des vorgenommenen Eingriffs in die Berufsfreiheit auf gewichtige Gründe des Gemeinwohls zu berufen. Die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV sei eine solche Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, der sich der Gesetzgeber nicht entziehen dürfe. Die beanstandete Vorschrift habe dem Zweck gedient, eine sofortige finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen. Allerdings hätten die angegriffenen Regelungen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt. Sie seien zwar geeignet und erforderlich gewesen, bewirkten jedoch einen unverhältnismäßigen grundrechtlichen Eingriff.
Die Regelungen hatten, so das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung, eine wirksame Entlastung der GKV von Arzneimittelkosten zur Folge. Sie ließen den Arzneimittelherstellern keine Möglichkeit, Preisabschlag und Preismoratorium anderweitig zu Lasten der GKV auszugleichen. Der Gesetzgeber habe auch seinen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er eine Kostendämpfung bei den Arzneimittelausgaben der GKV für notwendig hielt, nachdem diese zuvor binnen zwei Jahren um mehrere Milliarden Mark gestiegen waren.
Regelungen waren nicht zuzumuten
Die angegriffenen Regelungen waren nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts den Arzneimittelherstellern nicht zuzumuten, soweit die Preise solcher Arzneimittel schematisch einem Abschlag unterworfen wurden, die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht, nur ausnahmsweise oder nur mit einem verhältnismäßig geringen Prozentsatz zu Lasten der GKV verordnet werden konnten. Zu dieser Gruppe gehören die Arzneimittel, deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich der beanstandeten Regelung im GSG die Arzneimittelhersteller verfassungsrechtlich angegriffen haben.
Da die Abgabe dieser Produkte durch die Apotheken die GKV nicht oder nur zu einem geringen Teil belastete, stehe ihre generelle Einbeziehung in den Preisabschlag und das daran angeknüpfte Preismoratorium außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Entlastung der GKV bei den Arzneimittelkosten. Dies gelte insbesondere für die Gruppe der oralen Kontrazeptiva. Auch deren Preise seien durch die Regelung insgesamt abgesenkt worden, obgleich sich Einsparungen für die GKV nur in dem von ihr finanzierten Marktanteil erzielen ließen. Soweit die Regelung über diesen mit etwa 10% anzunehmenden Anteil am Umsatz der Beschwerdeführer hinausging, bewirkte sie eine Kostenentlastung der Verbraucherinnen und keine Entlastung der GKV.
Eingriffe können gerechtfertigt sein, aber...
Das Bundesverfassungsgericht stellt ausdrücklich fest, dass die Einbindung der Arzneimittelhersteller in das System der gesetzlichen Krankenversicherung, in dem ein freier und transparenter Wettbewerb nur als eingeschränkt vorhanden gelte, Eingriffe des Gesetzgebers auch in die Preisbildung rechtfertigen kann. Diese müssen aber den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung genügen.
Das Bundesverfassungsgericht lässt auch das Argument des Gesetzgebers nicht gelten, aus praktischen Gründen sei eine Begrenzung des Preisabschlags auf solche Arzneimittel nicht möglich gewesen, die überwiegend oder im Einzelfall zu Lasten der GKV verordnet wurden. Dies gelte insbesondere für den Verzicht auf ein sogenanntes Rabattmodell, das auf ein gespaltenes Preissystem hinausgelaufen wäre. Das Bundesverfassungsgericht räumt ein, dass die Verrechnung unterschiedlicher Abgabepreise an den Großhandel und die Arzneimittelhersteller mit einem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre und 1993/94 mit der damals verfügbaren elektronischen Datenverarbeitung noch nicht in einer Weise bewältigt werden konnte, wie dies offenbar heute der Fall sei.
Rückabwicklung nur mit hohem Aufwand möglich
Wenn aber ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung seiner Ziele nicht zur Verfügung stehe, so müsse der Gesetzgeber von dem entsprechenden Eingriff Abstand nehmen. Im übrigen geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass entsprechende Datenverarbeitungsprogramme für die Verrechnung differenzierter Preise kurzfristig entwickelt worden wären, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung geschaffen hätte.
Von einer Annahme der Beschwerde zur Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch abgesehen, weil eine Rückabwicklung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden gewesen wäre und eine Beanstandung nur Wirkung für die Zukunft hätte.
Bedeutung für zukünftige gesetzgeberische Maßnahmen
Nach Einschätzung von Beobachtern könnte diese Entscheidung Bedeutung für zukünftige gesetzgeberische Maßnahmen erlangen. Zum einen bestätigt der Senat einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Realisierung von Kostendämpfungsmaßnahmen. Auf der anderen Seite müssen differenzierte Regelungen getroffen werden, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eingriffe in die Preisbildung müssen den allgemeinen rechtsstaatlichen Anforderungen an Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung genügen.
Angesichts dieser Beschränkung der Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers in die Preisbildung warten Beobachter mit Interesse auf die nach wie vor ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Festbetragsregelung. Von besonderem Interesse dürfte dabei sein, ob die mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz eingeführte Regelung, wonach Festbeträge auf den obersten Preis innerhalb des unteren Preisdrittels innerhalb einer Festbetragsgruppe abgesenkt werden sollen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält.
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