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Arzneimittel und Therapie
HIV-Therapie: Abacavir kann Proteaseinhibitoren ersetzen
Eine vereinfachte HAART (Highly Active Antiretroviral Treatment), die ein Proteaseinhibitor-haltiges Therapieregime durch ein einfacheres Proteaseinhibitor-freies Regime ablöst, wird seit längerer Zeit angestrebt: Daten deuten darauf hin, dass sich dadurch die häufig mit Proteaseinhibitoren verbundenen Langzeitnebenwirkungen, die hohe Tablettenzahl, komplizierte Einnahmevorschriften und Medikamenteninteraktionen vermeiden lassen. Bisher konnte mit Proteaseinhibitor-freien Therapieregimen (in der Regel Kombinationen von zwei Substanzen) die Viruslast allerdings nicht effektiver unter der Nachweisgrenze gehalten werden als mit einer fortgesetzten Proteaseinhibitor-haltigen Dreifachkombinationstherapie.
Neues Therapieregime
Dies könnte sich bald ändern. Mit dem von Glaxo Wellcome entwickelten und kürzlich in der EU zugelassenen Abacavir (Ziagen®) steht ein nukleosidaler Reverse-Transkriptase-Inhibitor zur Verfügung, der in Kombination mit Zidovudin/Lamivudin bei therapienaiven Patienten der Wirksamkeit eines Proteaseinhibitor-haltigen Therapieregimes äquivalent ist.
Weitere Studien wurden daher initiiert, um auch die Wirksamkeit und Sicherheit von Abacavir im Rahmen einer vereinfachten Therapie zu untersuchen. Insgesamt 211 Patienten mit einer Viruslast unter 50 Kopien/ml und einer von Beginn an erfolgreich durchgeführten antiretroviralen Therapie wurden in eine von Dr. Nathan Clumeck vorgestellte Studie eingeschlossen. Nach der Randomisierung wurde die Therapie entweder mit dem bestehenden Proteaseinhibitor-haltigen Regime fortgesetzt oder die Proteaseinhibitor-Komponente durch Abacavir ersetzt.
Einfachere Abacavir-Therapie gut wirksam
Vorläufige Auswertungen der 16-Wochen-Daten von 78 Patienten sprechen dafür, dass Abacavir den Proteaseinhibitor wirksam ersetzen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt kam es nur zu sechs Fällen von Therapieversagen im Abacavir-Arm gegenüber acht Fällen im Proteaseinhibitor-Arm (Therapieversagen wurde definiert als Viruslast über 400 Kopien/ml bei zwei aufeinander folgenden Untersuchungen oder Abbruch der Therapie). Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass die Triglycerid- und Cholesterinspiegel der Patienten im Abacavir-Arm gesenkt werden. "Die bisher ausgewerteten Daten deuten an, dass der Austausch des Proteaseinhibitors auch Abacavir die Wirksamkeit der Therapie nicht beeinträchtigt", kommentierte Clumeck die vorgestellten Ergebnisse.
Die Resultate einer ähnlich angelegten Studie stellte kürzlich Dr. Milos Opravil, Zürich, auf der 39th Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) vor. Es wurden ebenfalls Patienten eingeschlossen, die bisher erfolgreich mit einem Proteaseinhibitor-haltigen Regime therapiert wurden und deren Viruslast unter 50 Kopien/ml lag. Entweder wurde das Proteaseinhibitor-Regime fortgesetzt oder durch eine einfachere Kombinationstherapie mit Ziagen® und Combivir® (Zidovudin/Lamivudin) ersetzt.
Besserung des Fettstoffwechsels
Nach den vorläufigen Daten (16 und 24 Wochen) kann mit dem einfacheren Ziagen®/Combivir®-Regime eine ähnlich effektive Virussuppression erzielt werden wie mit dem Proteaseinhibitor-haltigen Regime. Therapieversager traten in beiden Behandlungsarmen selten auf (drei Fälle im Proteaseinhibitor-Arm, fünf Fälle im Ziagen®-Arm). Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass sich der Cholesterinspiegel und einige Störungen des Fettstoffwechsels bessern, wenn die Patienten auf ein Therapieregime mit drei nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren umgestellt werden.
Bisher ist es allerdings noch zu früh, um auf der Basis der vorgestellten vorläufigen Studiendaten konkrete Behandlungsstrategien zu empfehlen. Beide Studien sprechen jedoch für die Annahme, dass ein einfacheres, Ziagen® enthaltendes Therapieregime ebenso wirksam ist wie die bisher durchgeführte Proteaseinhibitoren-haltige Therapie und darüber hinaus noch die häufig beobachteten Störungen des Lipidstoffwechsels bessert.
Gute Kombinationsfähigkeit und Verträglichkeit
Abacavir ist allgemein gut verträglich und interagiert nicht mit dem Cytochrom-P450-System, so dass es praktisch wechselwirkungsfrei mit anderen Medikamenten eingenommen werden kann. Die tägliche Dosierung beträgt zweimal 300 mg. Das Medikament kann unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Lethargie und Müdigkeit. Zirka drei Prozent der mit Abacavir behandelten Patienten entwickeln ein Hypersensitivitätssyndrom. Dabei können schwerwiegende Reaktionen auftreten, wenn die Therapie trotz sich verschlechternder Symptome fortgesetzt wird. Patienten, die wegen einer Hypersensitivitätsreaktion Abacavir abgesetzt haben, dürfen auf keinen Fall nach Besserung der Beschwerden das Medikament wieder einnehmen.
In Zukunft soll die Therapie mit den drei nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Abacavir, Zidovudin und Lamivudin noch einfacher werden: Glaxo Wellcome GmbH & Co. entwickelt zur Zeit eine Kombinationstablette, die alle drei Wirkstoffe enthält. Damit wird bald ein wirksames Therapieregime zur Verfügung stehen, das eine gute Compliance gewährleistet: eine Dreifachtherapie mit nur 2 x 1 Tablette täglich.
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