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BKK-Bundesverband: Versandhandelsverbot sollte aufgehoben werden
Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen stiegen trotz Budgetierung im Jahr 1999 in ganz Deutschland um 7,4 Prozent. Für den bundesweiten Ausgabenanstieg im Jahr 1999 gibt es nach Ansicht der BKK mehrere Gründe: Die Ärzte haben im Jahr 1999 wieder vermehrt neue und teurere Arzneimittel verordnet. 1998 hatten die Arzneimittelausgaben um 5 Prozent zugenommen. Die gesetzlichen Krankenkassen haben im Jahr 1999 rund 36,1 Milliarden DM für Arzneimittel ausgeben (1998; 33,6 Milliarden DM).
Budgetüberschreitungen belasten die Kassen
Nach Schätzungen des BKK Bundesverbandes wurden für 1999 die Budgets in 8 von 23 Kassenärztlichen Vereinigungen überschritten. Voraussichtlich werden in drei Kassenärztlichen Vereinigungen (Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) die Budgets um mehr als fünf Prozent überzogen und liegen damit über der Haftungsgrenze. Diese Mehrausgaben werden die gesetzlichen Krankenkassen zusätzlich belasten. Die Betriebskrankenkassen fordern die Politik auf, die Budgeteinhaltung Ernst zu nehmen und nicht in den gesetzlich vorgegebenen Mechanismus zur Sanktionierung von Budgetüberschreitungen einzugreifen. Die bundesweiten Budgetdaten für das Jahr 1999 liegen erst Mitte des Jahres 2000 vor.
Weniger Zuzahlungen
Nach Berechnungen des BKK Bundesverbandes haben die Patienten 1999 auf Grund der im GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (in Kraft seit 1.1.1999) herabgesetzten Zuzahlungen rund 4 Milliarden DM der Arzneimittelausgaben selbst finanziert (1998: 5,5 Milliarden DM). Das Volumen der Zuzahlungen für Medikamente war nach Berechnungen des BKK Bundesverbandes im Jahr 1999 um 1,5 Milliarden DM niedriger als 1998. Die Zuzahlungen waren am 1.1.1999 auf 8 DM, 9 DM und 10 DM herabgesetzt worden (bisher: 9 DM, 11 DM und 13 DM). Damit haben die Patienten 1999 rund zehn Prozent der Ausgaben für Medikamente aus eigener Tasche gezahlt. 1998 waren es noch rund 14 Prozent gewesen.
Festbeträge per Rechtsverordnung?
Zu einer wirtschaftlichen Versorgung mit Medikamenten haben nach Ansicht der BKK die 1989 eingeführten Festbeträge für Arzneimittel in großem Umfang beigetragen. Nach Berechnungen des BKK Bundesverbandes werden durch Festbeträge jährlich rund drei Milliarden DM eingespart.
Damit die Einsparungen durch Festbeträge nicht gefährdet werden, muss der Gesetzgeber nach Ansicht der Betriebskrankenkassen rasch und dauerhaft für Rechtssicherheit sorgen. Das Bundesgesundheitsministerium will kartell- und verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung tragen und künftig die Festbeträge durch Rechtsverordnung festsetzen.
Dieser Absicht widersprechen die Krankenkassen. Nach Auffassung der Kassen kann und soll die Festbetragsregelung weiterhin Aufgabe einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Selbstverwaltung bleiben. Das auch international anerkannte selbstverwaltete deutsche Gesundheitswesen darf nicht zu einem staatlichen gesteuerten Gesundheitswesen umgestaltet werden. Dies werde zu einer Reduzierung von Qualität und Wirtschaftlichkeit und damit zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung führen.
BKK sieht "noch große Einsparmöglichkeiten
Am 1. Januar 2000 betrug das Umsatzvolumen der Festbetragsarzneimittel insgesamt 16,8 Milliarden DM. Das entspricht einem Anteil von rund 50 Prozent der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Bezogen auf die Arzneimittelverordnungen ergibt sich ein Anteil von rund 64 Prozent. Von der Festbetragsregelung sind derzeit rund 24.500 Fertigarzneimittel erfasst. Davon sind 96,4 Prozent ohne eine über die gesetzliche Zuzahlung hinausgehende finanzielle Belastung erhältlich.
Auf dem Arzneimittelmarkt gibt es nach Angaben der Betriebskrankenkassen noch große Einsparmöglichkeiten. Immer noch werden Arzneimittel in Milliardenhöhe verordnet, deren therapeutische Zweckmäßigkeit nicht nachgewiesen ist. Überdies könnten durch die konsequentere Verordnung von Generika (preiswerte Nachahmerprodukte) die Ausgaben für Arzneimittel um mehr als zwei Milliarden DM gesenkt werden. Durch die Verschreibung von Generika werden bislang jährlich bereits rund 2,5 Milliarden DM eingespart. Mit einer Negativliste plant das Bundesministerium für Gesundheit, noch in diesem Jahr unwirksame und damit unwirtschaftliche Verschreibungen auf Kosten der Krankenkassen auszuschließen,
Für Qualität und Wirksamkeit: Positivliste
Mit einer Liste verordnungsfähiger Arzneimittel (Positivliste) will die Bundesregierung eine an Qualität und Wirtschaftlichkeit orientierte Arzneimittelversorgung unterstützen. In zwei Dritteln aller Länder der Europäischen Union (EU) gibt es seit Jahren entsprechende Listen für die Erstattung von Arzneimitteln (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien), außerdem in der Schweiz.
Eine Vorschlagsliste über die Wirkstoffe der verordnungsfähigen Arzneimittel ist nach dem Gesetz zur Gesundheitsreform erstmalig bis zum 30. Juni 2001 zu beschließen. Das Bundesgesundheitsministerium wird ermächtigt, die Vorschlagsliste als Rechtsverordnung zu erlassen, die unter dem Zustimmungsvorbehalt des Bundesrates steht. Danach soll das Bundesgesundheitsministerium eine für die ärztliche Verordnungspraxis praktikable Fertigarzneimittelliste bekannt geben. Mit der Veröffentlichung kann demnach frühestens Ende 2001 gerechnet worden.
Arzneimittelvertrieb muss moderner werden
Bei einem sehr hohen Vertriebskostenanteil von rund 30 Prozent an den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen muss nach Ansicht der Betriebskrankenkassen der Vertrieb von Arzneimitteln moderner und wirtschaftlicher organisiert worden. Deshalb sollte das 1998 mit der achten Novelle zum Arzneimittelgesetz eingeführte Versandhandelsverbot aufgehoben werden. Das brächte nach Ansicht des BKK auch Rechtssicherheit für viele Apotheken, die seitdem mit ihren Zustelldiensten wirkungsvoll, aber am Rande der Legalität arbeiten.
Versandapotheken eignen sich insbesondere für chronisch Kranke und für immobile Patienten. Über reduzierte Handelsmargen für Versandapotheken oder Einkaufsrabatte, die jeweils an die Krankenkassen weitergegeben worden, lassen sich weitere Einsparungen in der Arzneimittelversorgung erzielen.
In Deutschland schließt das Versandhandelsverbot auch das Internat ein. Der Gesetzgeber kann aber nicht verhindern, dass Endverbraucher selbst verschreibungspflichtige oder sogar auf dem deutschen Markt nicht zugelassene Arzneimittel über diesen Weg aus dem Ausland beziehen. Die Betriebskrankenkassen fordern deshalb auf europäischer Ebene einen Regelungsrahmen zur Zulässigkeit des online-Arzneimittelhandels, der zugleich Qualität und Sicherheit dieser modernen Vertriebsform gewährleistet. Die Bestimmungen des Empfängerlandes für die Abgabe von Arzneimitteln sollten dabei verbindlich sein.
Die 333 Betriebskrankenkassen in Deutschland versichern rund 10,3 Millionen Menschen. Damit sind die Betriebskrankenkassen die drittgrößte Kassenart der gesetzlichen Krankenversicherung nach den Ortskrankenkassen und den Ersatzkassen.
Bei den Arzneimitteln gibt es nach Ansicht der Betriebskrankenkassen Wirtschaftlichkeitsreserven in Milliardenhöhe. Gespart werden kann vor allem durch den Verzicht auf die Verordnung therapeutisch unzweckmäßiger Medikamente und durch die konsequentere Verordnung von Generika sowie durch neue Vertriebswege und eine bessere Vertriebslogistik bei Arzneimitteln. Darauf wies der für den Arzneimittelbereich federführende Bundesverband der Betriebskrankenkassen hin. Konkret: Das mit der 8. Novelle zum Arzneimittelgesetz eingeführte Versandhandelsverbot sollte aufgehoben werden.
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