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Abnehmen – leicht gemacht?

Auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft am 24. Februar 2000 im Katharinenhospital Stuttgart hielt Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz vom Pharmazeutischen Institut der Universität Frankfurt einen Vortrag mit dem Thema "Abnehmen - leicht gemacht?"

Übergewicht und Adipositas beruhen auf einer übernormalen Zunahme des Körperfettanteils. Trotz des gesteigerten Gesundheits- und Körperbewusstseins nimmt bei uns die Häufigkeit der Adipositas zu. Je nach Ausmaß ist damit auch ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden.

Klassifizierung

Zur Beurteilung des Körpergewichts gibt es die Broca-Formel (Sollgewicht in kg = Körpergröße in cm minus 100) und den Bodymass-Index (BMI, Quotient aus dem Körpergewicht in kg und dem Quadrat der Körpergröße in m). Beim BMI gilt folgende WHO-Klassifizierung:

  • Normalgewicht 18,5 bis 24,9;
  • Übergewicht 25,0 bis 29,9;
  • Adipositas Grad I 30,0 bis 34,9;
  • Adipositas Grad II 35,0 bis 39,9 und
  • Adipositas Grad III über 40.

Des weiteren hat sich zur Beurteilung des Risikofaktors abdominelles Fett die Waist-Hip-Ratio (WHR, Quotient aus Taillen- und Hüftumfang) bewährt. Die WHR sollte bei Frauen unter 0,85 und bei Männern unter 1,0 liegen. Schließlich ist eine Beurteilung des Risikos allein anhand des Taillenumfangs möglich. So liegt ein leicht bzw. stark erhöhtes Risiko vor, wenn der Taillenumfang bei Frauen über 80 bzw. 88 cm und bei Männern über 94 bzw. 102 cm liegt.

Folgen und Risiken von Übergewicht

Adipositas-bedingte Folgeerkrankungen sind: Diabetes mellitus Typ II, Herzinsuffizienz, Hyperlipidämie und Dyslipidämie, Hypertonie, Hyperurikämie und Gicht, KHK, Schlafapnö, Schlaganfall sowie orthopädische und psychische Komplikationen hinzu. Jedes Kilogramm weniger Körpergewicht verbessert beim Adipösen das Risikoprofil.

Therapie

Eine therapeutische Indikation zur Gewichtsreduktion besteht in jedem Fall, wenn der BMI über 30 liegt. Ferner bei einem BMI zwischen 25 und 30, wenn Begleit- bzw. Folgeerkrankungen (s.o.) auftreten. Die Therapieziele sollten realistisch festgelegt werden, sodass Therapieerfolge erzielbar sind. Da aus verschiedenen Studien bekannt ist, dass das Körpergewicht bei Adipösen ohne Intervention kontinuierlich über Jahre hinweg ansteigt, kann bereits das Halten des Gewichts ein erster Therapieerfolg sein. Idealerweise sollte eine nachhaltige Gewichtsreduktion von 5% angestrebt werden. Da beim Übergewicht ein Missverhältnis zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch besteht, erfolgt die Gewichtsreduktion durch Umstellung der Ernährungsgewohnheiten und durch zusätzliche körperliche Bewegung, sofern keine Kontraindikationen bestehen.

Für den Alltagsgebrauch hat sich eine kalorienreduzierte Mischkost in den meisten Fällen bewährt. Dabei ist insbesondere auf den Fettanteil der Nahrung zu achten. Dieser beträgt bei Adipösen gewöhnlich über 50% (BMI korreliert mit dem Fettkonsum!). Laut den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten nicht mehr als 30% der Kalorien in Form von Fett zugeführt werden!

Vom Gesamtenergieumsatz entfallen 60% auf den Grundumsatz, 10% auf die Nahrungs-induzierte Thermogenese und nur 30% auf die körperliche Aktivität, den sogenannten Arbeitsumsatz. Der Effekt eines körperlichen Trainings zur Gewichtsabnahme wird daher allgemein überschätzt. Im Rahmen einer Diät wird jedoch durch die körperliche Bewegung einem Abbau der Proteine (Skelettmuskulatur) entgegen gewirkt.

Pharmakotherapie

Zur Unterstützung der Bemühungen kann der Einsatz von verschiedenen Pharmaka notwendig oder hilfreich sein. Die FDA hat Leitlinien zur Entwicklung von Mitteln gegen Adipositas erlassen. Danach sollten geeignete Substanzen für die Langzeittherapie geeignet sein und keine Interaktionen mit anderen Stoffen haben. Ferner sollte durch ihren Einsatz ein größerer Nutzen als mit einer geeigneten Diät (5%ige Reduktion des KG) erreicht werden. Gegenwärtig werden folgende Therapeutika zur Unterstützung der Gewichtsreduktion eingesetzt:

  • Anorektika, Appetitzügler: Auf der Ebene der Neurotransmitter spielen Noradrenalin, Serotonin und Dopamin eine wichtige Rolle. Zu den Stoffen, die deren Freisetzung fördern, deren Wiederaufnahme oder deren Abbau hemmen, gehören z.B. Amfepramon, Amphetamin, Dexfenfluramin, D-Norpseudoephedrin, Fenfluramin, Mefenorex, Phentermin. Sie sind bzw. waren zum kurzfristigen Gebrauch zugelassen.
  • Sibutramin: Mit Reductil steht ein neuartiges Wirkprinzip der selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) zur Verfügung. 10 mg (ältere Patienten nur 5 mg) Sibutramin einmal täglich eingenommen führt zu einer signifikanten Gewichtsreduktion. Sibutramin ist indiziert bei Patienten mit einem BMI von >30, oder mit einem BMI > 27, wenn zusätzliche Risiken bestehen und zuvor mit diätetischen Maßnahmen kein entsprechender Erfolg erreicht werden konnte. Da der Blutdruck während der Therapie ansteigen kann, ist dieser regelmäßig zu überprüfen.
  • Orlistat: Xenical® enthält einen durch langkettige Fettsäuren stabilisierten β-Lactonring, der das aktive Zentrum der Pankreaslipase reversibel hemmt. Das Arzneimittel wird zu den Mahlzeiten eingenommen und verringert die intestinale Fettresorption um etwa 30%. Dies ist auch mit einem gewissen erzieherischen Effekt für den Patienten verbunden, da Diätfehler zu unangenehmen Fettstühlen führen. Langfristig kann bei bestimmungsgemäßer Einnahme ein Mangel an fettlöslichen Vitamine auftreten.
  • Quellstoffe: Neben den bereits bekannten Quell- und Ballaststoffen sind in den letzten Jahren zwei Medizinprodukte mit hochvernetzter Cellulose (CM-3®) und lyophilisiertem Collagen (Matricur®) auf den Markt gekommen. Sie wirken rein physikalisch, indem sie durch Flüssigkeitsaufnahme quellen und somit zu einem Sättigungsgefühl beitragen. Kontraindikationen bestehen u.a. bei bekannten Verengungen der Speiseröhre, Dysphagie und der Refluxkrankheit.
  • Fettersatzstoffe: In den USA ist Orlesta (Olean™) bereits als Fettersatzstoff zugelassen. Olestra ist hitzestabil und geschmacksneutral. Der Polyester der Saccharose wird nicht abgebaut und kann daher nicht resorbiert werden.
  • Grauzonenpräparate: Unter diesem Begriff fasste der Referent jene Zubereitungen zusammen, die in regelmäßigen Abständen neu auf dem Markt auftauchen, intensiv beworben und in den verschiedensten Absatzkanälen angeboten werden. Sie verfügen weder über eine Zulassung als Arzneimittel, noch liegen nachprüfbare Daten, geschweige denn wissenschaftliche Studien, vor. In der Apotheke sollten sie daher nicht angeboten werden.

Ausblick

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Proteine entdeckt, die bei der Regulation der Nahrungsaufnahme, beim Energieverbrauch und bei molekularen Mechanismen der Fettgewebedifferenzierung eine wichtige Rolle spielen. Potenzielle neue Anti-Obesitas-Wirkstoffe sind beispielsweise Bombesin-Agonisten, CCK-A-Antagonisten, Dopamin-, Noradrenalin-und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Leptin-Rezeptor-Agonisten, Neuropeptid-Y-Rezeptor-Antagonisten und Orexin/Hypocretin-Antagonisten.

Diverse Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auch auf die medikamentöse Steigerung des Energieverbrauchs durch die Aktivierung der Thermogenese. Targets sind β3-Adrenozeptoren und die Entkopplungs-(Uncoupling)-Proteine (UCP-1, UCP-2 und UCP-3). Zumindest im Tierversuch führt die pharmakologische Stimulation von β3-Adrenozeptoren zu einem signifikanten Gewichtsverlust. Ob dieser Effekt auch beim Menschen erwartet werden kann, ist aber fraglich, da dieser die β3-Adrenozeptoren nur zu einem geringen Umfang exprimiert.

Die Entkopplungsproteine UCP-2 und -3 spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Wärme aus gespeicherter Energie mittels Entkopplung von Protonengradienten. Inwieweit und ob durch gezielte pharmakologische Beeinflussung dieser mitochondrialen Enzyme der Energieverbrauch nach dem Motto "It's like jogging without jogging" gesteigert werden kann, ist zur Zeit noch unklar.

Fazit

Bei der Regulation des Körpergewichts und der Pathophysiologie der Adipositas sind zahlreiche unterschiedliche Gene, Faktoren und Umweltbedingungen beteiligt. Daher bleibt abzuwarten, ob mit einem selektiv eingreifendem Pharmakon der große Durchbruch bei der Langzeittherapie der Adipositas gelingt. Wünschenswert und notwendig erscheint er allemal, da die nachhaltige Gewichtsabnahme eine hochfrustrane Angelegenheit ist. Aus diesem Grund ist auch der Prävention mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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