Berichte

Sorgen und Hoffnungen Hamburger Apotheker

Höhepunkt der diesjährigen Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 16. November war die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an den Sprecher der ABDA-Geschäftsführung Dr. Johannes Pieck - für einen Nicht-Hanseaten und Nicht-Pharmazeuten in Hamburg sicher eine außergewöhnliche Würdigung. Zuvor berichteten Vereinsvorsitzender Dr. Jörn Graue und Geschäftsführer Dr. Peter Brinkmann über das ökonomische und politische Umfeld der Arbeit der Hamburger Apotheken. Pieck gab eine umfassende Darstellung der rechtlichen und politischen Lage der deutschen Apothekenlandschaft und zeigte einige besondere Risiken für die künftige Entwicklung auf.

Graue ging zunächst auf die jüngste Gerichtsentscheidung gegen die Internet-Apotheke DocMorris ein. Sieger der Entscheidung sind für ihn in erster Linie die Patienten. Die Ablehnung der Internet-Apotheke solle nicht als Ablehnung des Internets insgesamt missverstanden werden, das als Informationsmedium auch von vielen Apotheken genutzt wird und die bisherigen Medien ergänzt. Andererseits habe auch nach der Erfindung des Telefons niemand gefordert, nun müssten alle Waren verschickt werden.

Die Stimmung in Krankenhäusern und Arztpraxen sei derzeit wegen des Sparzwanges so schlecht wie nie zuvor. Davon unbeeindruckt beziffere der erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Arzneiverordnungs-Report 2000 das Einsparvolumen im Arzneimittelmarkt auf 8,2 Mrd. DM. Doch sei nach den Daten der Apotheker der Anteil der "umstrittenen" Arzneimittel zwischen 1991 und 1999 von 30% auf 13% zurückgegangen. Der Generikaanteil betrage inzwischen etwa 70%. Seit 1999 sinke die Zahl der Verordnungen bei steigendem Wert. Offenbar substituierten die Ärzte billige "umstrittene" Arzneimittel durch hochpreisige Innovationen.

Politische Perspektiven

Wie zuvor Ex-Gesundheitsminister Seehofer erlebe nun die Ministerin Fischer, dass die Ausgabendeckelung kein probates Mittel gegen den Kostendruck ist. So hätten die Kassen Beitragserhöhungen angekündigt, und dass die Ablösung der Ministerin bevorsteht, gelte in Berlin als "offenes Geheimnis".

Doch sei die Gesundheitspolitik keineswegs ein hoffnungsloser Fall. Sie müsse sich vom "Gängelband rot-grüner Vorstellung" lösen. "Das inhärente Dogma, Gesundheit sei ein Gut, für das allein der Staat aufzukommen habe, gehört entrümpelt," fasste Graue die mögliche Perspektive zusammen. Bei der Altersversorgung habe die Regierung "die Notbremse gezogen", nicht jedoch bei der Gesundheitspolitik.

Situation der Hamburger Apotheken

Angesichts dieser ungünstigen Rahmenbedingungen dürften die Hamburger Apotheken mit einem Umsatzverlust von 1,8% im GKV-Bereich in den ersten zehn Monaten des Jahres nicht unzufrieden sein. Für den Rest des Jahres rechnet Graue nicht mit einer stärkeren Abschwächung der Umsätze. Die Bar-Umsätze durch Selbstmedikation und Privatrezepte sind in den ersten neun Monaten um 8,5% gestiegen. So ergibt sich ein ausgeglichenes Gesamtergebnis. Das GKV-Budget für 1999 wurde um etwa 10% überschritten, auch für 2000 zeichne sich eine Überschreitung ab. Als Besonderheit auf Landesebene wies Graue auf den Liefervertrag mit den Primärkassen hin, der in Hamburg im Gegensatz zu allen anderen Ländern nicht gekündigt wurde. Probleme ergeben sich dagegen aus dem Liefervertrag mit den Ersatzkassen. Hier seien auch Preise unter den Einstandspreisen vereinbart. Wegen des neuen Kontrahierungszwanges müssten auch solche Verordnungen beliefert werden, wobei nicht einmal die Mehrkosten von den Versicherten erhoben werden dürften.

Neues vom Importarzneimittelmarkt

Aktuell berichtete Graue von den am Vortag gescheiterten Verhandlungen zur Neufassung des Vertrages nach §129 SGB V über die Abgabe von Importarzneimitteln. Daraufhin komme es zu einer Schiedsstellenlösung. Als möglicher Kompromiss biete sich eine Importquote an. Für das erste Quartal 2000 weist Hamburg den bundesweiten Höchstwert von 24,5% Reimporten im reimportfähigen Markt aus, während die Quote im Bundesdurchschnitt nur 10,1% und in Bayern nur 4,4% beträgt. Auswirkungen auf den Importarzneimittelmarkt könnten sich aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes ergeben. Demnach müsse die Firma Bayer kein Bußgeld wegen Maßnahmen zur Verhinderung von Adalat-Importen aus Spanien und Frankreich nach Großbritannien bezahlen. Dies könnte den Herstellern Möglichkeiten geben, die Großhändler in den einzelnen Ländern nur mit dem nationalen Bedarf zu beliefern und so den Importarzneimittelmarkt auszutrocknen. Als Ziel für die künftige Arbeit des Vereinsvorstandes verwies Graue auf die Abschaffung des Aut-idem-Verbotes: "Damit würde die Substitution, die das Tageslicht scheut, aber im Dunkeln erlaubt ist, auch im Hellen legalisiert werden."

Vorsicht vor Wundermitteln

Brinkmann berichtete über Bemühungen im Zusammenhang mit dem nicht zugelassenen Arzneimittel "Navol", das als "turboartig wirkender Fettlöser" beworben worden war. Durch die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seien Verfahren gegen Apotheker abgewendet worden. Doch sei Graue persönlichen Beschimpfungen und Bedrohungen des österreichischen Herstellers ausgesetzt gewesen. So sei immer wieder vor "Wundermitteln" zu warnen, bei deren Vermarktung auf die Seriosität der Apotheken gesetzt wird. Im Anschluss an die Berichte wurde der Vorstand einstimmig entlastet.

Ehrenmitgliedschaft für Pieck

Nach seinem umfassenden Vortrag wurde dem sichtlich überraschten und gerührten ABDA-Hauptgeschäftsführer Pieck in Würdigung seines Lebenswerkes die Ehrenmitgliedschaft des Hamburger Apothekervereins angetragen. Graue würdigte seine "scharfe Zunge" und "seine glänzende Rhetorik" und erinnerte an die acht Jahre, in denen Pieck Gast auf den Mitgliederversammlungen des Vereins war.

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