Prisma

Grippe: Impfpflicht ja oder nein?

Am Beispiel Japan entzündet sich derzeit die Diskussion, ob die Grippeimpfung Pflicht für alle werden sollte, oder ob die gezielte Impfung von Risikogruppen das bessere Modell ist.

Eine Studie, die in einer der letzten Ausgaben der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde, hat die in den vergangenen Jahren in Japan an Grippe und Lungenentzündung gestorbenen Personen erfasst und diese Daten mit den jährlich verkauften Mengen an Grippeimpfstoff in Relation gesetzt. Dabei ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Impfpflicht und der Erkrankungsrate. In Japan, so die Studie, war das Problem der Grippe in den 50er-Jahren weit verbreitet, was vor allem auf die beengten Wohnverhältnisse und die hohe Bevölkerungsdichte zurückgeführt wurde. Anfang der 60er-Jahre versuchte man diesem Problem mit Einführung einer obligatorischen Impfpflicht für alle Schulkinder zu begegnen.

Die Maßnahme zeigte Erfolg, ließ jedoch in der Folge das Bewusstsein für die Grippeproblematik sinken. 1987 wurde die Impfpflicht auf vielfachen Wunsch der Eltern gelockert, sprich die Eltern konnten ihre Kinder von der Grippeimpfung "befreien" lassen. Ab 1994 wurde sie mangels ausreichender Teilnehmerzahlen schließlich ganz abgeschafft. Seit dieser Zeit nahmen die Grippefälle von Jahr zu Jahr wieder zu. Mittlerweile hat die Anzahl der Grippetoten wieder den Stand von 1960 erreicht – doppelt so viele wie zu Zeiten der obligatorischen Impfung.

Die Studiendurchführenden hoffen, dass die von ihnen ermittelten Zahlen zum Anlass genommen werden, die abgeschafften Impfprogramme wieder aufzunehmen, wobei sowohl die allgemeine Impfpflicht als auch das europäische Modell für Japan denkbar wäre. In Europa wurde die Grippeimpfung nie als obligatorische Pflichtimpfung eingeführt. Dafür wird jedoch Risikogruppen wie alten, immungeschwächten oder im Gesundheitswesen tätigen Personen gezielt die Grippeimpfung empfohlen. Zumindest eine solche Empfehlung sollte es nach Ansicht der Studiendurchführenden auch für die Kinder in Japan geben.

Quelle: New England Journal of Medicine 2001, Vol. 344, Nr. 12, S. 889 – 89

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.