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Berichte
Das wissenschaftliche Werk von Professor K. E. Schulte
Arzneimittelsynthetische Arbeiten
Innerhalb der Arbeitsgruppe Schulte nahmen die Arbeiten zur Synthese von potenziellen Wirkstoffen einen breiten Raum ein. Im Vordergrund standen Synthesen von Alkinen und insbesondere von Heterocyclen, meist ausgehend von Alkinen. Das Interesse für Acetylen-Verbindungen hatte Schulte schon in München entwickelt, wo er sich mit Alkinfettsäuren beschäftigt hatte.
In Münster wurden von der Arbeitsgruppe Schulte zahlreiche Acetylen-Verbindungen synthetisiert, auf ihre antimikrobielle Wirksamkeit untersucht und Struktur-Wirkungs-Beziehungen diskutiert. Breiten Raum nahm die Untersuchung zur Anlagerung von Verbindungen mit Sauerstoff-, Schwefel- und Stickstoff-Atomen an die Dreifachbindung ein. So wurden aus alfa-Alkinyl-beta-dicarbonyl-Verbindungen durch Cyclisierung mit der SauerstoffFunktion im gleichen Molekül Furan- und Pyran-Derivate synthetisiert, sowie Tetrahydrobenzofurane und Tetrahydrobenzopyrane. Furanopyrone als Analoga des spasmolytischen und koronardilatatorischen Khellins erhielt man nach einer analogen Methode, ebenso Furanouracile. Andererseits führte die Reaktion von Brommalonsäurediethylester mit monosubstituierten Acetylenen unter Bedingungen der Reformatsky-Reaktion letztlich zu beta-verzweigten alfa-beta-ungesättigten Carbonsäuren.
Durch Addition von Schwefelwasserstoff bei Temperaturen von 20 bis 80 Grad Celsius an Di-, Tri- und Tetraine gelang die Herstellung von zahlreichen Thiophen-Derivaten. Darunter befinden sich auch pflanzliche Thiophene wie Junipal und 5-Phenyl-2-[propin-(1')-yl-(1')]-thiophen aus Coreopsis-Arten. Vom Standpunkt der Biosynthese in Pflanzen war die Bildung von 2,5-disubstituierten Thiophenen unter milden Bedingungen aus Diacetylenen und Glutathion oder Cystein interessant. Später wurden auch Selenophene aus Propinylcarbonyl-Verbindungen synthetisiert. Interessant war die Umsetzung von 1,4-Diarylbutadiinen mit SCl2, die in guten Ausbeuten zu 3,4-Dichlorthiophenen führte.
1-Amino-2-propargylcyclohexenon konnte zu einem Indol-Derivat cyclisiert werden. Dies führte zur Ausarbeitung einer neuen Pyrrol-Synthese aus Butadiinen und Ammoniak bzw. primären aliphatischen und aromatischen Aminen durch Katalyse mit Kupfer(I)-chlorid. Diese Ergebnisse wurden 1965 patentiert. Derivate des Antipyrins mit Alkinyl- und Oxoalkinyl-Substituenten zeigten analgetische und antiphlogistische Eigenschaften. Für N-alkylierte Acetylendicarbonsäureamide konnte keine zytostatische Aktivität gefunden werden. Der Ringschluss von Pentinsäure führte zum alfa-Angelicalacton. Kondensierte Pyrane entstanden aus 4-Hydroxycumarin oder Barbitursäuren, Paraformaldehyd und Phenylacetylen.
Später wurden auch Heterocyclen-Synthesen ohne Einsatz von Alkinen durchgeführt. Hergestellt wurden z.B. Piperidintrione. Durch Reaktion von Barbitursäuren mit Aldehyden oder Olefinen entstanden Pyranopyrimidine und Pyranopyrazolone. Synthetisiert wurden auch potenziell entzündungshemmende Hydantoin-Derivate, Naphthoxychinone und Oxazolidindione sowie Antipyrine mit teilweise analgetischer Aktivität und auch bicyclische Heterocyclen wie Pyrano- und Pyridouracile.
Polvacetylene als Inhaltsstoffe von Arzneipflanzen
Dieses Arbeitsgebiet wurde nach der Berufung von K.E. Schulte nach Münster, ausgehend von seinen früheren Arbeiten über Alkinfettsäuren, neu in die pharmazeutische Forschung eingeführt. Arbeitshypothese war zunächst, dass die insbesondere fungistatisch und bakteriostatisch wirksamen Alkine Bedeutung für die Wirkung von Arzneipflanzen haben könnten. Dies konnte z.B. an dem sehr instabilen Tridecenpentain und dem Tridecentetrainen gezeigt werden, die z.B. in vielen Asteraceen vorkommen und deren Hemmkonzentration gegen Pilze, Bakterien und Hefen in der Größenordnung gebräuchlicher Antibiotika liegt.
Die Arbeiten begannen an Arzneipflanzen, die vornehmlich gegen Hautaffektionen eingesetzt werden. Untersucht wurden zunächst unterirdische Teile von Arnica montana und Pulicaria dysenterica und später auch deren Blüten sowie Arnica foliosa, A.longifolia und A.chamissonis. Alle enthalten eine Reihe von Polyinen, A.chamissonis ist mit 44 mg/100 g Droge besonders reich an dem Tridecenpentain. In mehreren weiteren Arbeiten wurde diese Verbindung neben anderen Polyinen auch in Ricinus communis, Valeriana officinalis und sogar im Winterweizen aufgefunden, ebenso in Calendula officinalis, Grindelia robusta, Arctium-Arten und Silybum marianum. Interessant war die erstmalige Isolierung von 13 Polyinen aus Echinacea-Arten, die für die Wirkung dieser Arzneipflanzen von Bedeutung sind.
Neben den Asteraceen wurden auch aus mehreren Apiaceen Polyacetylene isoliert: Pimpinella-Arten, Hydrocotyle asiatica, Aegopodium podagraria, Pituranthus tortuosus. Beim Lärchenschwamm (Fungus Laricis) wurden erstmalig aus dem Fruchtkörper eines höheren Pilzes Alkine isoliert, die in Konzentrationen von 15 bis 20 mg/100 g vorliegen.
Im Zusammenhang mit dem Vorkommen von Thiophen-Derivaten in Tagetes-Arten wurden in dieser Gattung Polyacetylen-Alkohole als potenzielle Vorstufen aufgefunden. In Zellkulturen konnte der Übergang in Thiophene anhand von radioaktiv markierten Polyacetylenen geklärt werden. In Tanacetum vulgare (syn. Chrysanthemum vulgare), dem Rainfarn, wird trans-Dehydromatricariaester innerhalb von 4 bis 5 Tagen zu Propinylthienylacrylat umgesetzt. Für diese Pflanze wurde gezeigt, dass Polyine schon nach Beginn der Samenkeimung gebildet werden und ineinander übergehen können.
Neben Polyinen wurden auch andere aus Arzneipflanzen isolierte Naturstoffe aufgeklärt wie z.B. Triterpensäuren aus dem Lärchenschwamm oder Phenole und Phenolether aus Arnica montana Untersucht wurde auch eine Reihe von außereuropäischen Arzneipflanzen wie Cinnamosma fragrans und Cedrelopsis grevei aus Madagaskar, Herpestis moniera, Melia azedarach, Commiphora mukul und Nardostachys-Arten aus Indien und Thinouia coriacea aus Brasilien.
Pharmazeutisch-technologische Arbeiten
Durch den Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe in Berlin und insbesondere in Münster hat K.E. Schulte die Etablierung des Faches Pharmazeutische Technologie erheblich gefördert. Durchgeführt wurden zunächst rheologische Studien an verschiedenen Gel-Systemen wie Polyethylen/flüssiges Paraffin oder Vaseline. Untersucht wurden auch die Beeinflussung der Stabilität kutan applizierter Suspensionen und Fragen der Aggregation in Suspensionen.
Galenische bzw. pharmazeutisch-technologische Themen ziehen sich auch nach der Einrichtung der Pharmazeutischen Technologie in Münster durch die wissenschaftliche Forschung von K.E. Schulte. Interesse fanden z.B. Arbeiten über die Beeinflussung der Arzneistoffabgabe aus Salben, über die perkutane Resorption von Dexamethason und über die Beeinflussung der Wasserlöslichkeit dieser Substanz oder des Amidopyrins und Coffeins.
Die Arbeiten wurden teilweise mit synthetischen Fragestellungen gekoppelt wie z.B. der Einführung eines Sulfopropylrestes in schwer lösliche Arzneistoffe. Arbeiten zur Pharmakokinetik von Arzneistoffen und ihrer Biotransformation wurden durch Einsatz radioaktiver Methoden durchgeführt (z.B. Mofebutazon, 2-Diethylaminoethanol, Pargylin, Tremorin). Dies gilt auch für mehrere Untersuchungen zur Dosierungsgenauigkeit.
Radioaktive Isotopen in der Pharmazie
Ein besonderes Interesse von K.E. Schulte galt schon in Berlin dem Einsatz von radioaktiv markierten Substanzen in der pharmazeutischen Forschung. Dies wird durch den Bau von drei Isotopen-Laboratorien, nämlich 1957 in Berlin, 1960 nach der Berufung in Münster und 1966 mit dem Neubau des dortigen Pharmazeutischen Instituts, deutlich. Zu den Fragestellungen, die mit der Tracer-Technik bearbeitet wurden, gehörten die Biogenese von Pflanzeninhaltsstoffen, Pharmakokinetik und Metabolismus von Arzneistoffen sowie die Homogenität von einzeldosierten Arzneistoffen bei niedriger Konzentration.
In einer anderen Reihe von Arbeiten wurde die Bestimmung von Schwermetallen durch die Neutronenaktivierungsanalyse eingesetzt, eine sehr empfindliche und spezifische Methode zur Erfassung von Spurenelementen, die eine Bestrahlung der Substanzen mit Neutronen im Kernreaktor (hier: KFA Jülich), die radiochemische Trennung und die Messung der aktivierten Elemente erfordert. Mit diesem Verfahren wurden z.B. menschliche Organe und Körperflüssigkeiten, forensisches Material, Antibiotika und Suchtstoffe unter verschiedenen Aspekten untersucht. An der Erarbeitung der dargelegten Ergebnisse waren ca. 80 Doktoranden und viele weitere Mitarbeiter beteiligt. Wir gratulieren unserem akademischen Lehrer herzlich zum 90. Geburtstag und wünschen ihm ein gutes Befinden.
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