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Die Seite 3
Raten Sie mal: welcher dieser Begriffe ist im Zusammenhang mit Apotheken zutreffend? Wenn Sie jetzt an Big Diet gedacht haben, dann haben Sie entweder diese RTL II-Sendung noch nicht gesehen oder die Website dafür noch nicht besucht, denn dann würde Ihnen dazu nur noch Big Sh.. einfallen.
Nein, der richtige Begriff im Zusammenhang mit Apotheken lautet - vor allem in dieser und in der nächsten Woche: Big Job! Am 21. Juni ist Tag der Apotheke, und der steht in diesem Jahr unter dem Motto "Berufschance Gesundheit". Ziel dieser Aktion ist es, junge Menschen für Berufe in der Apotheke zu begeistern. Und das ist mehr denn je notwendig, denn den bundesdeutschen Apotheken fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Nachwuchs bei PKA und PTA, aber auch bei Approbierten lässt auf sich warten. So schreibt auch eine dpa-Meldung richtig: Die öffentlichen Apotheken in Deutschland suchen händeringend Mitarbeiter. Die DAZ hat bereits im Herbst des vergangenen Jahres mehrmals darauf hingewiesen, dass es Apotheken schwer haben, Mitarbeiter zu finden. Der Tag der Apotheke ist eine gute Plattform, in der Öffentlichkeit auf die Arbeitsmöglichkeiten, auf die verschiedenen Berufe in der Apotheke hinzuweisen - und junge Menschen dafür zu begeistern. Die ABDA und die Landesapothekerkammern haben zum Teil sehr schöne Faltblätter und gutes Informationsmaterial herausgegeben, um über die Apothekenberufe zu informieren. Die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit der Berufsorganisationen haben darüber hinaus die Medien über den Tag der Apotheke und sein Motto informiert. Jetzt liegt es auch an Ihnen, sich zu beteiligen und Ihre Kunden auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Händigen Sie jungen Leuten das Infomaterial aus, hängen Sie die Poster aus und beginnen Sie ein Gespräch mit Eltern über die Berufswünsche ihrer Kinder, um auf die Berufschancen in der Apotheke hinzuweisen. Machen Sie mit, es ist ein Muss!
Ganz und gar kein Muss ist das Mitmachen bei der Big Diet-Aktion. Als "Entscheidungshilfe" schauen Sie einfach die Sendung in RTL II an oder besuchen Sie die Website (www.rtl2.de), das sollte genügen. Denn dort werden Sie feststellen, dass das Geschäft RTL II alleine machen will - mit sündhaft teuren Diätprodukten. Über Apotheken sind die beworbenen Diätpulver und Energieriegel nicht erhältlich. Besonders pikant: das Big Diet Diätpulver bekommt sogar noch Schützenhilfe von einem pharmazeutischen Technologen aus Münster, der dem Sender die Unbedenklichkeit des Pulvers nach § 14 der Diätverordnung bescheinigt (nachzulesen unter www.big-diet.de/16217.html). Mag ja sein, dass das Pulver die vorgeschriebenen Nährstoffe enthält, aber wo bleibt das Fingerspitzengefühl? Genau das scheint auch dem Deutschen Apothekerverband zu fehlen, wenn er dem seichten Unterhaltungssender RTL II erlaubt, das sonst so wohl gehütete rote Apotheken-A für seine Aktion zu benutzen, nicht aber z. B. dem seriösen Internet-Apothekenportal des Netzwerks Deutscher Apotheker, wo mittlerweile schon 1700 Apotheken beteiligt sind. Abgesehen davon, die Absicht der ABDA, die Apotheker mit ihrer Beratungsleistung über die Big-Diet-Schiene in die Öffentlichkeit zu rücken, ist sicher gut gemeint. Aber: wenn sich der übergewichtige Kunde in der Apotheke umfassend beraten lässt, aber dann mit dem offiziellen pharmazeutischen Gutachten in der Hand sein Schlankheitspulver für knapp 100 Mark im Internet bestellt, dann ist gut gemeint eben auch nur voll daneben. Die Big-Diet-Moderatorin Margarete S. glaubt im übrigen selbst nicht mehr an den Erfolg dieser Sendung, sie kündigte an, auszusteigen...
Gut gemeint ist auch die Absicht der Europäischen Union, den Markt der Nahrungsergänzungsmittel mit einer Richtlinie zu regeln und ihn aus dem Graubereich, in dem sich neben ordentlichen Präparaten auch so manche dubiosen Wundermittel tummeln, heraus zu holen. Big Food - die Nahrungsergänzungsmittel sind in allen Ländern der Union ein gutes Geschäft, das in Zeiten von Fitness und Wellness Wachstum verspricht. Aber was eigentlich genau unter diesen Produkten zu verstehen ist, muss erst noch auf Europaebene definiert werden. Wie von einer mit der Richtlinie befassten Europaparlamentarierin auf der Jahresversammlung des Europäischen Fachverbandes der Arzneimittelhersteller zu hören war, will das Europäische Parlament unter Nahrungsergänzungsmittel "Nährstoffe und andere Stoffe mit nutritiver oder physiologischer Funktion" verstanden wissen - eine Definition, die der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller mit Recht als gefährlich betrachtet. Denn letztendlich haben nahezu alle Stoffe eine "physiologische" Funktion, so auch Wunder- und dubiose Schlankheitsmittel.
Auch wenn Befürworter anmerken, dass Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich natürlich bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen müssen: Mit einer solchen Definition käme man vom Regen in die Traufe, der Graubereich würde vergrößert. Eine saubere Definition, klare Abgrenzungen und ein Meldeverfahren für Nahrungsergänzungsmittel, bei denen die aufgestellten Kriterien überprüft werden, wäre die sauberste Lösung. Kann man das von Big Europe erwarten?
Peter Ditzel
Big Job - Big Diet - Big Food
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