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- DAZ 33/2001
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Qualitätsmanagement
J. LandshuterAnalytisches Qualitätsmanagement - Lei
Zentrale Institute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Der Sanitätsdienst besitzt seine eigene Organisationsstruktur innerhalb der Bundeswehr (Abb. 1) und gewährleistet im Inland sowie im Auslandseinsatz die medizinische Versorgung der Soldaten und Zivilangestellten. Daneben steht der präventive Gesundheitsschutz. Alle Gefahren, die durch den Verzehr von Lebensmitteln und Trinkwasser, durch die Verabreichung von Arzneimitteln oder durch den Kontakt mit Bedarfsgegenständen auftreten können, sollen schon im Vorfeld ausgeschlossen werden.
Analog den Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer und Kommunen wird diese Aufgabe in der Bundeswehr durch insgesamt vier Zentrale Institute erfüllt. Apotheker, Lebensmittelchemiker, Veterinäre und Mediziner sind dort betraut mit der analytischen Qualitätskontrolle von Proben aus den Bereichen Arzneimittel, Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und biologisches Material.
Bestandsaufnahme und erste Schritte
Tragweite einer Anordnung
"... wird angeordnet: 1. Gemeinsames Ziel [ ] muss es sein, spätestens bis zum 31. Oktober 1998 in den Instituten ein Qualitätssicherungssystem einzurichten, zu betreiben und in Form eines Qualitätssicherungshandbuches zu dokumentieren, welches die Voraussetzungen liefert, um erfolgreich einem Akkreditierungsverfahren unterzogen werden zu können."
Mit diesen Worten wurden die mit der amtlichen Lebensmittelüberwachung betrauten vier Zentralen Institute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr aufgefordert, die EU-Richtlinie 93/99 umzusetzen - und sich analog den Laboreinrichtungen der Bundesländer ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem einzurichten (Tab. 1). Doch damit nicht genug: Die analytische Kompetenz des Institutes selbst sollte von unabhängiger Stelle, noch dazu von außerhalb der Bundeswehr, beurteilt werden.
Zielorientierung
Die Zielvorgabe bei der Einführung eines Qualitätsnormensystems ist einfach definiert (vgl. Abb. 2 und Abb. 3): Vertrauen des "Kunden" in absolut verlässliche und "justiziable" Analysenergebnisse als Entscheidungsgrundlage 1) für den Einkauf qualitativ hochwertiger Lebensmittel 2) für richtige medizinische Behandlung im Vergiftungsfalle und 3) für präventive Maßnahmen im Inland und im Einsatzgebiet. Diese Ziele werden im Qualitätsmanagementhandbuch definiert.
Kunden-Lieferanten-Verhältnis
Wenngleich im privatwirtschaftlichen Kunden-Lieferanten-Verhältnis, ausgehend von der ISO 9000-Norm, der "Kunde" als Auftraggeber und Abnehmer eines Produktes oder einer Dienstleistung im Mittelpunkt steht, ist der "Kunde" einer Apotheke oder eines Untersuchungsinstitutes - mit seinem öffentlichem Auftrag - nicht leicht zu definieren. Die Auftraggeber können vielfältig sein - Ärzte, Krankenkassen, Altersheime oder Privatkunden, im Falle der Bundeswehr militärische und zivile Verwaltungen, Truppenärzte oder auch das Bundesministerium der Verteidigung. Bei multinationalen Einsätzen im Ausland sind es zudem Verbände anderer Nationen, die bestimmte Untersuchungen (z. B. Trinkwasser) anfordern.
Etwas abseits steht der eigentlich Betroffene, nämlich der Verbraucher von Lebensmitteln und Arzneimitteln. Er muss jedoch zum "Kunden"-Kreis hinzugerechnet werden, weil er nicht nur auf das Ergebnis der Dienstleistung "Verbraucherschutz durch optimale Überwachung von Lebensmitteln" angewiesen ist, sondern dafür auch pauschal mit seinen steuerlichen Abzügen bezahlt. Gerade die aktuelle BSE-Krise zeigt, dass das Vertrauen des Konsumenten verspielt werden kann, wenn sinnvolle Untersuchungen nicht rechtzeitig durchgeführt werden.
Erste institutionelle Maßnahmen
Mit der Benennung eines "Qualitätsmanagementbeauftragten" begann im Frühjahr 1995 die erste personelle Maßnahme im Zentralen Institut des Sanitätsdienstes [d. Bw] in Kiel. Gemäß der Weisung des Amtschefs im Sanitätsamt - und ganz im Sinne der EN 45001 - war dieser "QMB" mit umfangreichen Befugnissen auszustatten. Dazu zählen der direkte Zugang zur Geschäftsleitung und die Abkoppelung des "Qualitätsmanagementbeauftragten" von jedweden Hierarchien (solange es sich zumindest um die Einführung von notwendigen Strukturen der Qualitätsmanagementanforderungen handelt).
Startschwierigkeiten
Tatsache war, dass noch im Jahre 1995 der Begriff "Qualitätsmanagement" mehr als Worthülse denn als internationales Instrument zur Schaffung transparenter Strukturen verstanden wurde. Entsprechend gering fiel zunächst die Bereitschaft aus, alte und z. T. bewährte Strukturen auf Grund von "Bürokratenentscheidungen" in Brüssel zu ändern. Dies war in gewisser Weise verständlich, weil einem leider unvermeidlichen und sofort für jeden erkenntlichen Mehraufwand an vor allem Dokumentationspflicht zuerst einmal kein erkennbarer Nutzen gegenüberstand.
Intensiver Kontakt des QMB mit den Mitarbeitern, Gespräche, z. T. zeitintensive Überzeugungsarbeit in den zur Akkreditierung anstehenden Bereichen war notwendig, um Personal und Führung von der Notwendigkeit der Implementierung eines QM-Systems zu überzeugen.
Elemente eines Qualitätsmanagementsystems für analytisch tätige Laboratorien
Das Qualitätsmanagementhandbuch (QMH)
Die Erstellung und Fortentwicklung des QMH ist Dreh- und Angelpunkt eines QM-Systems. Geregelt wird die Struktur und Verantwortlichkeit des Qualitätsmanagements sowie wesentliche Zielvorgaben für die Qualität der angebotenen Ware oder Dienstleistung. Ein QMH kann jedoch nur dann für einen Betrieb nützlich sein, wenn es mit einer Zielgruppe vor Augen verfasst wird.
Die Zielgruppe sind zum einen Mitarbeiter in einem Betrieb und zum anderen die Abnehmer einer Ware oder Dienstleistung, also der "Kunde" nach ISO 9001. Ein ansprechendes QMH - analog einer guten Homepage - erzeugt beim Leser ein positives "Aha"-Erlebnis. Es kann dann direkt für Werbezwecke verwendet werden. Voraussetzung ist, dass schon beim erstmaligen Durchlesen klar wird, welche Qualitätsvorgaben an das zu verkaufende Produkt oder die angebotene Dienstleistung gestellt werden, wie ein Unternehmen oder Institut strukturiert ist und mit welchen Mitteln die gewählten Normen umgesetzt werden sollen.
Für ein Untersuchungslabor der amtlichen Lebensmitteluntersuchung gelten die Forderungen der Europanorm 45001 (nunmehr ersetzt durch die internationale Norm ISO/DIS 17025) sowie die OECD-Grundsätze zur Guten Laborpraxis, Punkt 2 und 7. (Tab. 2; die Arzneimitteluntersuchungsstellen der Länder und der Zentralen Institute der Bundeswehr haben sich weitgehend an diesen Vorgaben orientiert.) Die eigentliche "redaktionelle" Leistung bei der Erstellung eines QMH besteht darin, die Interpretationsspielräume der normativen Vorgaben zu nutzen und für den eigenen Betrieb praxisgerecht zu übersetzen.
Definition einer Qualitätspolitik
Als zentrale Vorgabe der DIN EN 45001 (und auch des Nachfolgers, der DIN EN ISO 17025) wird die eigenständige Formulierung einer Qualitätspolitik durch die oberste Leitung gefordert. Die Leitung soll damit zum Ausdruck bringen, dass sie Qualitätsansprüche an ihre Dienstleistung stellt, dass sie - ohne Wenn und Aber - ein Qualitätsmanagementsystem will und dahintersteht (Abb. 4).
Auszug: Qualitätspolitik des Zentralen Institutes des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Kiel-Kronshagen, formuliert im Qualitätsmanagementhandbuch: Die Qualitätspolitik des Institutes [ ] Unser höchstes Ziel ist es, dem Verbraucher - im Falle dieses Institutes den Angehörigen der Bundeswehr - höchstmöglichen Schutz vor gesundheitlichen Schäden und Täuschung durch verminderte Qualität zu bieten. Die hier erarbeiteten Prüfdaten erfüllen eine sehr wichtige Funktion bei der Bereitstellung einer hygienisch einwandfreien und ernährungsphysiologisch ausgewogenen Verpflegung einschließlich des Trinkwassers.
[ ] Eine optimale Datenbasis für die Beschaffung neuer und gelagerter Verpflegungsmittel und Arzneimittel bedeutet letztendlich einen Schutz wirtschaftlicher Interessen des Bundes.
[ ] Die Auswahl des Prüfumfanges sowie die Zuverlässigkeit der Prüfergebnisse genießen aus diesem Grunde oberste Priorität. Die Ermittlung von Prüfdaten muss, basierend auf dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik, durch Personal erfolgen, welches seinen Aufgaben gewachsen ist.
Durch kritische Überprüfung der Untersuchungsergebnisse, auch mittels alternativer Maßnahmen, muss eine höchstmögliche Gewähr für die Präzision und die Richtigkeit der Ergebnisse und der daraus resultierenden Beurteilung angestrebt werden. Jeder Schritt bei der Erarbeitung von Analysendaten, der in den Laborabteilungen II und III vollzogen wird, muss dokumentiert werden und nachvollziehbar sein.
[ ]Dieser hohe Qualitätsanspruch des ZInstSanBw KIE bei der Erbringung von Dienstleistungen kann nur durch eine gute Zusammenarbeit aller Mitarbeiter auf der Grundlage von Vertrauen, Offenheit, gutem Willen und Leistungsbereitschaft zum gemeinsamen Erfolg führen.
[ ] Verständlichkeit und Plausibilität sind wichtige Forderungen an die schriftliche Ausformulierung der Qualitätspolitik. Dies gilt sinngemäß für alle Vorgaben an ein Institut im Allgemeinen und an das Personal im Besonderen (Anmerkung: in einer nicht gerade vorschriftenarmen Welt).
Standardarbeitsanweisungen
Was im QMH eher allgemein formuliert ist, wird in den so genannten "Standard Operation Procedures", kurz SOP's präzisiert. SOP's sind "Lenkungsdokumente" (engl. documents) und regeln - ausgehend vom QMH - detailliert und praxisbezogen, wie Betriebsabläufe zu gestalten sind. Sie werden von der Leitung genehmigt und vom QMB autorisiert (Tab. 3).
Als günstig erweist sich im Allgemeinen eine visuelle Darstellung der definierten Abläufe. "Ein Organigramm sagt mehr als tausend Worte". Der Ersteller wird veranlasst, zeitliche Abläufe zu erkennen und richtig darzustellen. "Unschärfen" oder besser Interpretationsspielräume sollten bei der Ausformulierung von SOP's bewusst eingebaut werden. Schon deshalb, um nicht durch übergenaue Regelung das Personal zu frustrieren. Denn wenn bereits bei kleinsten Veränderungen "der Umgebungsbedingungen" SOP-Vorgaben nicht mehr korrekt befolgt werden können, wird entweder das QM-System zur "Hülle" oder der eigene Betrieb faktisch "lahmgelegt".
Prüfanweisungen
Das Handwerkszeug eines analytischen Institutes sind gute, validierte Untersuchungsmethoden. Eine Forderung der EN 45001 bedingt unmissverständlich die Abfassung schriftlicher Anweisungen für alle durchgeführten Untersuchungen. Diese Forderung ist für ein Labor und das betroffene Fachpersonal nicht nur sinnvoll, sondern selbstverständlich. Prüfanweisungen sind ebenfalls "Lenkungsdokumente". Bei deren formaler Erstellung, Genehmigung und Überprüfung wird im Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Kiel ein hoher Aufwand betrieben.
Es soll dadurch jedem Mitarbeiter klar werden, welche wichtige Stellung die Leitung einer nachvollziehbaren methodischen Durchführung beimisst und wie wichtig für die Ergebnisqualität das Befolgen standardisierter Methoden ist. Vor allem die geforderte Einbindung und grafische Aufbereitung von Validierungsdaten bietet in der täglichen Arbeit große Vorteile, weil die Ergebnisqualität schnell mittels vorliegender Daten beurteilt werden kann.
Laboranweisungen und Verfahrensanweisungen
Laboranweisungen und Verfahrensanweisungen wurden vom Zentralen Institut in Kiel-Kronshagen "erfunden", um mit minimalem bürokratischen Aufwand schnelle Regelungen in Laborbereichen und der Verwaltung zu ermöglichen. Sie werden direkt vom verantwortlichen Laborleiter oder Verwaltungsvorgesetzten erstellt. Der QMB liest lediglich gegen, ob ein Widerspruch zum QMH oder einer SOP besteht. Sofern dies nicht der Fall ist, wird die Laboranweisung anschließend mittels Stempel und Unterschrift autorisiert und gilt sofort. Eine Genehmigung über den Leiter ist nicht notwendig. Erkanntem Regelungsbedarf kann dadurch schnell begegnet werden und dem beteiligten Personal, z. B. bei unklarer Kompetenzvergabe im Labor, eine sofortige Regelung und damit "Rechtssicherheit" gegeben werden. Als weitere Beispiele können Vertretungsregelung, die Arbeit mit Analysengeräten, Kalibrierungen oder die Einweisung neuer Mitarbeiter genannt werden.
Audit
Im so genannten "internen" Audit wird von Mitarbeitern des Qualitätsmanagements im Hause geprüft, ob die definierten QM-Regelungen auch eingehalten werden - und gleichzeitig, ob diese überhaupt sinnvoll und praxisgerecht sind. Die Ergebnisse von Audits sind somit Ansatzpunkt von Verbesserungen betrieblicher Abläufe. Als Mittel steht dem Auditor die Befragung von Mitarbeitern sowie die Sichtung von Aufzeichnungen (engl. "records") zur Verfügung. Die Auditergebnisse werden der betroffenen Abteilung mitgeteilt, bei eventuellen "Normabweichungen" Verbesserungsmaßnahmen vereinbart. Für die Institutsleitung wird darüber ein Bericht abgefasst. Üblicherweise wird das Audit unter Maßgabe des QMB entweder von ihm selbst oder von einer beauftragten und diesbezüglich fortgebildeten Person durchgeführt.
Um den Eindruck einer "kalten Mitarbeiterkontrolle" zu vermeiden, muss bei der Planung und Vorbereitung behutsam vorgegangen werden. Ziel ist es, den beteiligten Mitarbeitern klar werden zu lassen, dass es um die Sache und nicht um deren Kontrolle geht. Jedes Audit soll die Chance bieten, Betriebsabläufe unter Einbindung des Personals zu verbessern.
Bei geschickter Durchführung bieten Audits einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Allein die Tatsache, dass persönliches Engagement im Labor überhaupt einmal von "offizieller Seite" gesichtet und bewertet wird (also nicht nur der Laborleiter, sondern auch eine unabhängige Person Interesse an der täglichen Laborarbeit zeigt), kann schon ein hohes Maß an Motivation und Engagement im Vorfeld bewirken. Im Gegenzug wird ein Audit zur Farce, wenn immer mit der gleichen Liste lediglich Formalia "abgehakt" werden. Gerade bei den variablen Aufgabenstellungen in einem analytischen Betrieb verbietet sich ein solches Vorgehen.
Review
Das Review ist eine wichtige Pflicht der "technischen Leitung" und wird vom Institutsleiter einmal jährlich durchgeführt. An Hand von Auditberichten und der QM-Jahresmeldung (des QMB) bewertet er sein von ihm vorgegebenes QM-System und gestaltet dessen Fortentwicklung.
Besonderes Augenmerk auf Ringversuche
Untersuchungsergebnisse stehen oftmals allein im Raum. Sie mögen präzise sein - eine Beurteilung, wie nahe das Ergebnis am so genannten "wahren" Wert liegt, ist aber selten möglich. Nur wenn eine definierte Probe von verschiedenen Labors untersucht wird, ergibt sich durch die erhaltene Streuung der Analysenergebnisse eine Abschätzung des "Wahrheitsgehaltes" eines Analysenergebnisses.
An Hand des eigenen Analysenergebnisses erlauben Ringversuche eine Standortbestimmung der eigenen Laborleistungsfähigkeit und bieten dann die Möglichkeit, Analysenverfahren gezielt zu verbessern. Dem hohen Stellenwert, den die Institutsleitung der Durchführung von Ringversuchen beimisst, wurde im Zentralen Institut in Kiel mit der Ernennung einer "Ringversuchsbeauftragten" Rechnung getragen.
Auch die Beratungsqualität in Apotheken, die pharmazeutische Qualität von Rezepturen oder die Eingangskontrolle von Arzneistoffen kann in ein Ringversuchssystem integriert werden.
Installation einer hausinternen "Informationskultur"
Die besten Vorgaben nützen nichts, wenn das Personal ungenügend eingewiesen ist und den Wert der eigenen Arbeit nicht kennt. Schon weit im Vorfeld der eigentlichen Akkreditierung wurde der Wert von Personalschulungen erkannt. Ein Vortrag über hauseigene Untersuchungen zur Dioxin und PCB-Problematik gab Anlass zu breiter Diskussion und letztendlich zur Identifikation mit dem eigenen Betrieb. Wehrübende Apotheker werden ggf. schon einmal zu einem Vortrag über ihr Spezialgebiet "verdonnert". Solcherlei Angebot wird gerne genutzt, es schafft ein "Wir"-Gefühl und gibt die Möglichkeit, über den eigenen "Tellerrand" zu blicken. Dem hohen Stellenwert der internen und externen Fortbildung für das analytisch tätige Personal wird mit einem "Fortbildungsbeauftragten" Rechnung getragen.
Ausflug: Gab es Qualität vor Qualitätssicherung?
In der Anfangsphase einer Etablierung von QM-Systemen wird leicht verkannt, dass Qualitätsmanagement schon immer, nur unter anderer Benennung betrieben wurde. Allein die Beschäftigung eines gut ausgebildeten "Mittelbaus" in einem Untersuchungsinstitut, - BTA's, CTA's; PTA's und Laboranten - ist schon an sich eine hervorragende Qualitätsmanagementmaßnahme, eine Maßnahme der Ergebnisqualifizierung durch verständiges Handeln und Fehlervermeidung.
Im Gegensatz hierzu benötigen Länder, die eine andere Bildungsstruktur besitzen und komplexe Aufgaben mit ungelerntem Personal durchführen lassen, genaueste Verhaltensmaßregeln und Vorgaben an den Betriebsablauf - nämlich immer dann, wenn Arbeiten ohne inneren Bezug durchgeführt werden. Dies soll zwar kein Plädoyer gegen formales Qualitätsmanagement sein, jedoch dürfen aus der Sicht des Autors die Spielräume der EN 45001 und nunmehr DIN/ISO 17025 durchweg im mitteleuropäisch-deutschen Sinne interpretiert werden.
Unterschiedliche Denkungsweise im angelsächsischen und zentraleuropäischen Kulturkreis lässt sich am Sinninhalt des Begriffes "Qualität" ablesen. Im traditionellen deutschen Sprachgebrauch ist Qualität gleichbedeutend mit Güte und Wert, nach angelsächsischer Definition (und mittlerweile internationaler Verankerung) bedeutet Qualität jedoch nur die "Erfüllung vorher festgelegter Kundenforderungen" (Tab. 4).
Kritisch darf angemerkt werden, dass die Freiräume, die in den geforderten normativen Vorgaben lagen, nicht immer auf Anhieb erkannt wurden. Schuld daran mag eine gewisse deutsche "Detailverliebtheit" sein. Dies zeigt sich in den ersten Fassungen der Qualitätsmanagementhandbücher und der Standardarbeitsanweisungen. Die Vorgaben waren überfrachtet, die Darstellung überdetailliert und Prozesse überreguliert. Vorgaben, an die sich niemand im Tagesgeschäft halten kann, führen zu Recht zu innerer Ablehnung und Frustration der Mitarbeiter. Denn alle Arbeit ist umsonst, wenn das Personal die Sinnhaftigkeit der Forderungen nicht erkennt und z. B. beim Durchlesen über unleserliche Schachtelsätze stolpert. Sinnvollerweise sollte der betroffene Personenkreis immer eng in die schriftliche Fixierung von Vorgaben eingebunden werden.
Niemand verlangt, in einer SOP alles bis ins Detail zu regeln. Vielmehr bietet der Aufbau einer "hausinternen Gesetzgebung" die Möglichkeit, dort detailliert zu sein, wo Regelungsbedarf besteht, andernorts aber Freiräume zu lassen.
Akkreditierung
Wer akkreditiert?
Ende 1995 war noch nicht klar, unter welcher "Schirmherrschaft" eine öffentliche Anerkennung der Zentralen Institute erfolgen könnte. Zur Diskussion standen damals die SAL (Staatliche Akkreditierungsstelle der Lebensmittelüberwachung), eine Institution des Hessischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung, sowie die AKS, eine Institution der Bezirksregierung Hannover unter der Leitung des Lebensmittelchemikers Dr. Schulz. Das Bundesministerium der Verteidigung entschied sich im Jahre 1996 für die AKS Hannover.
Fachbegutachter
Die AKS Hannover bot den Zentralen Instituten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr die einmalige Möglichkeit, jeweils 2 Fachbegutachter pro Institut "heranzubilden" - einen Veterinär zur Beurteilung mikrobiologischer - und einen Lebensmittelchemiker/Apotheker zur Beurteilung analytisch-chemischer Fragestellungen. Diese Fachbegutachter werden jährlich etwa 1 Woche an die AKS "ausgeliehen", wodurch die Kosten des Akkreditierungsverfahrens verringert werden.
Dieses "give and take"-Prinzip bietet zudem den Vorteil, dass die hauseigenen Fachbegutachter in QM-Fragen ständig weitergebildet werden und ihre Erfahrungen gewinnbringend im Institut einsetzen können. Das Aufnahme- und Qualifizierungsverfahren für die Bestellung als Fachbegutachter bei der AKS ist jedoch streng: Mindestens vierjährige Berufspraxis und zweijährige Praxis auf dem zu beurteilenden Gebiet; Schulungen, schriftliche Prüfung, erfolgreiche Hospitation und letztlich ein positives Votum des Interdisziplinären Sachverständigenrates der AKS sind dafür notwendig. In den meisten Fällen üben die bestellten Fachbegutachter gleichzeitig die Funktion des QMB im betreffenden Untersuchungslabor aus.
Nur durch diese strikte Auswahl nach fachlichen Kriterien wird ermöglicht, dass der Fachbegutachter nicht nur das reine QM-System "nach Aktenlage" sondern zusätzlich die vom Antragsteller postulierte fachliche Kompetenz bewerten kann. Ein reiner QM-Fachmann kann nur QM-Vorgaben prüfen. Ein analytischer Fachmann wird auch fragen, weshalb an bestimmten Ringversuchen nicht teilgenommen wurde oder wie die aktuellen Tuning-Ergebnisse eines massenselektiven Detektors im Hinblick auf gerade untersuchte Proben zu bewerten sind.
Begehung und Akkreditierung
Im Januar 1998 erfolgte ein erster Besuch von Fachbegutachtern der Akkreditierungsstelle Hannover. Im Verlauf dieses ersten Besuches wurde vom leitenden Begutachter abgeklärt, ob das Zentrale Institut in Kiel-Kronshagen die Voraussetzungen bietet, sich einer Akkreditierung erfolgreich zu unterziehen.
Kurze Zeit später, Anfang März, traf ein Expertenteam von fünf Fachleuten ein, um innerhalb einer 2½-tägigen Fachbegutachtung die einzelnen Fachbereiche "auf Herz und Nieren" zu prüfen. Im Vordergrund stand hierbei sowohl die sinnvolle Umsetzung der Normen wie vor allem die analytisch-fachliche Kompetenz.
Reine QM-Elemente sind z. B. die Codierung und Verbuchung von Proben, die Verfügbarkeit von schriftlichen Arbeitsgrundlagen, die Rückverfolgbarkeit und Zuordnung von Rohdaten und Proben, die Vertretungsregelung oder die regelmäßige Durchführung von Audits, um nur einige zu nennen. Diese Elemente sind naturgemäß eng verwoben mit rein fachlichen Fragestellungen (die sich an der Laborerfahrung des Fachbegutachters orientieren): Ist das Personal für das beantragte Untersuchungsspektrum ausreichend gebildet und fortgebildet? Sind die Analysengeräte qualifiziert? Sind die Analysenergebnisse rückführbar? Wurden die Verfahren sinnvoll validiert? Ist die Lagerung der Proben fachgerecht?
Nur ein Experte in Sachen Qualitätsmanagement und moderner Analytik wird zwischen praxisgerechten und übertriebenen Forderungen der Normen unterscheiden können und auf gebotene Freiräume hinweisen. Denn QM schlägt fehl, wenn ein Betrieb durch den Aufwand dafür nicht mehr wettbewerbsfähig ist.
Wenn nach Abschluss der Fachbegutachtung keine Zweifel mehr bestehen, dass sowohl die QM- wie auch die fachliche Kompetenz den Anforderungen entspricht, wird eine formale Akkreditierung für einen Zeitraum von 5 Jahren beurkundet. Danach muss das gesamte Verfahren wiederholt werden. Innerhalb des 5-jährigen Akkreditierungsstatus ist mit mindestens einer Zwischenbegehung zu rechnen. Es wird dann festgestellt, inwieweit das QM-System "lebt" oder ob zur Hauptbegehung nur "potemkinsche Dörfer" aufgebaut wurden.
Akkreditierung als öffentlicher Kompetenzbeweis
Die Wahl der Akkreditierungsstelle bedeutet eine längerdauernde Bindung und Partnerschaft. Dies äußert sich in vielfältigen gegenseitigen Kontakten, auch nach der erfolgten Akkreditierung. In einem Kriterienkatalog hat die AKS definiert, wie sie sich die Zusammenarbeit mit einem Labor über den Zeitraum der Akkreditierung vorstellt. Dazu zählt eine aufwendige "Jahresmeldung" mit detaillierten Angaben zur gegenwärtigen Struktur des Institutes, Mitarbeiterstatus, den durchgeführten Audits und Ringversuchen. Im Gegenzug darf das akkreditierte Labor das von der AKS entworfene Logo auf seinen Schriftstücken verwenden, sofern gewisse Auflagen beachtet werden (Größe; Art; inhaltlicher Zusammenhang).
Der Beleg einer erfolgreichen und laufend nachkontrollierten Erfüllung von übernationalen Normen kommt in der Verwendung dieses Logos auf den Schriftstücken, Prüfberichten und Gutachten zum Ausdruck. Die Akkreditierungsurkunde ist kein bloßes Zertifikat einer schematischen Überprüfung, sondern fachlich bezogen und differenziert auf die wirkliche Kompetenz der analytischen Untersuchung. So ist im öffentlichen AKS-Registereintrag festgehalten und nachzulesen, für welche Arten von Untersuchungen welche Art von Kompetenz das jeweilige Labor aufzuweisen hat.
QM als modernes Management verstehen
Qualitätsmanagement darf nicht isoliert stehen. Es hat sich einzufügen in das Management eines gesamten Unternehmens und muss dazu benutzt werden, mit den ihr eigenen Möglichkeiten die Leistungsfähigkeit und Überlebensfähigkeit eines Betriebes zu erhalten und zu verbessern. Sie trifft sich ohne Zweifel mit der Philosophie eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP).
Qualitätsmanagement ist ein freiwilliges Instrument der Führung mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile durch klare betriebliche Strukturen und das damit gewonnene Vertrauen beim Kunden zu erzielen. Es muss sich aber vor allem am eigenen Personal orientieren, diesem Sinnhaftigkeit und damit auch Zufriedenheit für die zugewiesene Arbeit vermitteln.
Kastentext: Glossar
DIN/EN 45001: 1989 verabschiedete Norm. Definiert Anforderungen an ein Untersuchungslabor, wie z. B. Dokumentation; Personal; novelliert und 2000 ersetzt durch präzisere ISO 17025; beide ausgehend von der ISO 9000-Norm QMH: Qualitätsmanagementhandbuch SOP: Formal erheblich standardisierte Anweisung zu innerbetrieblichen Abläufen (Standard Operation Procedure) Prüfanweisung: Formal standardisierte Anweisung für das Personal zum Zwecke der analytischen Untersuchung Laboranweisung: Formal wenig standardisierte Anweisung für das Personal zum Zwecke der Regelung allgemeiner Tätigkeiten im Labor Audit: Feststellung des Status quo in bestimmten Bereichen eines Betriebes durch Befragung oder Sichtung (im Hinblick auf die Erfordernisse des Qualitätsmanagement) Rohdaten: Ursprünglich aufgezeichnete, noch nicht veränderte Daten
Literatur [1] Handordner für AKS-Begutachterinnen und -Begutachter und Mitglieder des Interdisziplinären Sachverständigenrates. [2] Unterlagen der TFH Berlin zum Studiengang Qualitätstechniker/Qualitätsmanager. [3] DIN/EN 45001 (1989), DIN EN ISO 17025; DIN EN ISO 9000. [4] Richtlinie 93/99/EWG des Rates über zusätzliche Maßnahmen im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung. [5] Unterlagen zum Seminar "Das interne Audit nach DIN EN ISO 17025/15189 im Laboratorium - Alibi oder Chance" (Christelson Consulting Euregio). [6] OECD-Grundsätze der Guten Laborpraxis (GLP).
Tue Gutes und rede darüber. Unter diesem Motto treffen sich die Qualitätsmanagementsysteme in Apotheken wie auch in chemischen Untersuchungslaboratorien. Ob die geleistete Arbeit bei der Errichtung eines QM-Systems den "üblichen" Standards entspricht, kann glaubwürdig aber nur von einer unabhängigen Stelle beurteilt werden. Bei der Beurteilung von chemisch-analytischen Laboratorien müssen die Fachleute der gewählten Akkreditierungsstelle nicht nur Erfahrung im Qualitätsmanagement, sondern auch im analytisch-chemischen Bereich mitbringen. Beschrieben und kommentiert wird in dieser Ausgabe der Weg zur erfolgreichen Akkreditierung aus der Sicht eines Apothekers und gleichzeitig QM-Beauftragten.
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