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Telematik
V. SendatzkiElektronisches Rezept - Startrampe für
Telematik, eine Wortschöpfung aus den Begriffen Telekommunikation und Informatik, beschreibt Daten- und Informationsübermittlung unter Anwendung moderner Technologien. Eine 1997 von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie "Telematik im Gesundheitswesen" [2] hat perspektivisch die Notwendigkeit eines integrativen Konzepts für das gesamte Gesundheitswesen herausgestellt. Dabei wurde das elektronische Rezept als Einstieg für den Aufbau einer umfassenden Telematikplattform gesehen. Zugleich wurde die Notwendigkeit betont, die Einführung neuer Technologien auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens abzustützen.
Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen
Dieses Ziel verfolgt das Ende 1998 ins Leben gerufene Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen (ATG) [3]. Es verbindet Spitzenorganisationen der Leistungserbringer und Kostenträger und bezieht Experten aus Ministerien, Wissenschaft und Industrie ein. Für Selbstverwaltung und Politik werden Managementpapiere erarbeitet, die zukunftsweisend den dringlichen Handlungsbedarf aufzeigen, ohne Entscheidungskompetenzen vorwegzunehmen oder infrage zu stellen. Aus der thematischen Breite konzentriert sich das Aktionsforum zunächst auf vier Geschäftsfelder:
- elektronischer Arztbrief als Kommunikation zwischen ambulanten und/oder stationären Ärzten,
- elektronisches Rezept zur Rationalisierung der administrativen Abläufe und zur Optimierung der Datenlage,
- Sicherheitsinfrastruktur zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Sicherheit bei elektronischer Kommunikation und Dokumentation,
- europäische und internationale Erfahrungen und Normierungen aus technischen oder politischen Vorgaben.
Im Dezember 2000 wurden die Diskussionsstände der zu den Themen eingerichteten Arbeitsgruppen (ATG-Teams) präsentiert.
Eine ökonomisch vertretbare Gestaltung der Informationstechnologie im Gesundheitswesen erfordert eine interessenübergreifende Wegweisung. Das mit dem Aktionsforum Telematik gewählte Selbstverwaltungsmodell erscheint zwar mühevoll, ist aber gegenüber politischer Zielsetzung oder marktwirtschaftlichem Ansatz die wohl erfolgreichere Option zur Konsensbildung. Über die Bestandsaufnahme und erste konzeptionelle Vorschläge hinaus wird dem Aktionsforum zugestanden, auch den gesetzgeberischen Handlungsbedarf aufzuzeigen, gruppenspezifische Bedürfnisse unter elektronischen Bedingungen neu zu justieren und den Einstieg in die Telemedizin vorzubereiten.
Mit Blick auf das elektronische Rezept wird die Zeit als technologisch und politisch reif für eine Verbesserung der administrativen Prozesse und der Datenlage über das Verordnungsgeschehen beurteilt. Das Vorhaben verspricht am ehesten eine kurzfristig erreichbare positive Kosten-Nutzen-Relation und zugleich den Einstieg in eine Telematikplattform für das gesamte Gesundheitswesen. Drei Datenkreisläufe gilt es zu integrieren: Verordnung, Abrechnung und Datenaufbereitung zur Wissensbasis.
Gegenwärtige Kommunikationsverfahren
Die heutige Form der Kommunikation zwischen Ärzten, Apotheken, Kostenträgern und Verbänden basiert auf dem Transparenzkonzept des Gesundheitsstrukturgesetzes von 1993 (siehe Abbildung 1). Krankenversichertenkarte und Rezeptblatt bilden die Informationsgrundlagen für die Abrechnungsdaten nach § 300 SGB V. Nach Abschluss entsprechender Rahmenverträge folgte ab 1995 die organisatorische Einrichtung bei den Rechenzentren der Apotheken und Krankenkassen. Die quantitativen Ausmaße der heutigen Rezeptverfahren sind beeindruckend und gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen einzigartig.
Etwa 110 000 Ärzte stellen Rezepte für 70 Mio. Versicherte aus, die von 22 000 Apotheken beliefert werden und die wiederum mit 350 Krankenkassen abrechnen. Dies macht jährlich 600 Mio. Rezepte mit 900 Mio. Verordnungen und einem Brutto-Apothekenumsatz von 40 Mrd. DM aus. Der Rezeptstapel erreicht die Schwindel erregende Höhe von rund 60 km! Die an die Krankenkassen übermittelten Rezeptdaten betragen zurzeit rund 100 Gigabyte jährlich. Auf CD-ROM gespeichert ergibt das einen Stapel von 1,70 m Höhe.
Das Verfahren ist technisch und organisatorisch weitgehend ausgereizt und steht mittlerweile in einem unzureichenden Kosten-Nutzen-Verhältnis zum Informationsbedarf. Der bislang primär abrechnungsorientierte Datenfluss bietet nur eingeschränkte Steuerungsinformationen und wirkt negativ auf Kosten, Qualität und Aktualität des Informationsprozesses sowie der medizinischen Versorgung. Die bei allen Beteiligten anfallenden Verfahrenskosten schätzen Fachleute auf mindestens 2 Mrd. DM jährlich.
Auf die Notwendigkeit der Weiterentwicklung wurde bereits 1998, drei Jahre nach Einführung der heutigen Verfahren, hingewiesen [4]. Nach allgemeiner Einschätzung können die Datenströme im Gesundheitswesen mit einer durchgängig elektronischen Kommunikation wesentlich effizienter gestaltet werden. Durch eine vernetzte Telematik-Infrastruktur lassen sich die Informationen über Leistungs- und Finanzströme für alle Akteure zeitnah, valide und bedarfsgerecht bereitstellen. Durch verbesserte Leistungs- und Kostentransparenz werden schließlich die Voraussetzungen für effiziente Versorgungsstrukturen geschaffen. Diese Infrastruktur kann durch Fachdatenbanken und Expertensysteme unterstützt werden. Qualitative und ökonomische Rationalisierungspotenziale können zur Optimierung des Gesundheitswesens erschlossen werden.
Grundlagen für eine telematische Konzeption
Das Rezept erfüllt - kaum wahrgenommen - vielfältige Funktionen, die bei einer elektronischen Abbildung der administrativen Prozesse zu berücksichtigen sind. Schon äußerlich handelt es sich um einen Vordruck mit formalen und inhaltlichen Vorgaben, der nur von Vertragsärzten über autorisierte Verlage bezogen werden darf. Durch die Unterschriften des Arztes und der Apotheke erhält es Dokumentenqualität und wird rechtlich zur Verfügung. Es berechtigt den Patienten zu Leistungen der Krankenkassen und dokumentiert zugleich die vom Patienten ausgeübte freie Arzt- und Apothekenwahl.
Mit der Bedruckung durch Arzt und Apotheke wird das Rezept maschinell lesbares Trägermedium für die Daten des Versicherten, des Versicherungsverhältnisses, des behandelnden Arztes sowie der verordneten und abgegebenen Arzneimittel. Schließlich dient es als Beleg der Arzneimittelabrechnung und wird als solches archiviert. Die Summe der Rezepte spiegelt als dezentraler, auswertbarer Datenbestand das Verordnungsgeschehen und die finanziellen Auswirkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung wider.
Diese Funktionen gilt es beim elektronischen Rezept mittels Informationstechnologie abzubilden. Das zu entwickelnde Konzept sollte folglich umfassen:
- Verfügungen und Testierungen, z. B. die Medikamentenverordnung mit elektronischer Unterschrift,
- nicht adressierte Kommunikation, z. B. zwischen Arzt und Apotheke,
- adressierte Nachrichten, z. B. bei der Rechnungslegung gegenüber der Krankenkasse,
- zweck- und nutzerbestimmte Auswertungen, z. B. in Form von Budgetdaten, Prüfdaten und Statistiken und
- Strukturinformationen, z. B. Arzneidatenbanken, Verzeichnisse autorisierter Leistungserbringer, Schlüsselverzeichnisse und Durchleitungsregeln.
Die Chance einer Neukonzeption weckt strategische Begehrlichkeiten nach Datenhoheit und Informationsvorsprung. Um Verteilungsdiskussionen zu überwinden, hat sich die Arbeitsgruppe des ATG-Forums der Neukonzeption über ein abstrahiertes Zielszenario genähert, das von vorhandenen Zuständigkeiten und herkömmlichen Datenflüssen ausgeht. Die Definition der Datenpflichten und Zugriffsrechte wurde ausdrücklich einer politischen Entscheidung vorbehalten.
Aus den dargestellten Defiziten und Erwartungen lassen sich allgemein gültige Forderungen ableiten, denen das technisch-organisatorische Konzept folgen soll:
- Qualitäts- und Rationalisierungsvorteile für alle Beteiligten aus durchgängig elektronischen Informationsflüssen,
- Optimierung der Abläufe und Qualitätssicherung durch begleitende und automatisierte Prüfprozesse,
- pharmakologische, medizinische und administrative Transparenzinformationen im Kommunikationsverbund (z. B. Arzneimitteldatenbanken, Therapierichtlinien, Positivlisten),
- zeitnahe und identische Datenlage für alle Berechtigten in zweckorientierter Aufbereitung,
- Rechtssicherheit durch Anpassung der gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen,
- Aufbau einer Sicherheitsinfrastruktur zur Gewährleistung geschützter Kommunikation, Datenhaltung, -auswertung und -zugriff,
- Verwendung (inter-)nationaler Standards für Informationsdarstellung und -übermittlung,
- technologische Ausrichtung auf eine industriemäßige Realisierung innerhalb von drei Jahren nach Beschlussfassung des Konzeptes,
- Nutzbarkeit der Infrastruktur für alle Verordnungen in Richtung Informationsverbund aller Leistungsbereiche als Telematikplattform.
Aspekte mit politischen Grundsatzfragen (z. B. Internet-Apotheke) oder begrenzter Machbarkeit (z. B. Handy-Kommunikation) wurden zwar diskutiert, erwiesen sich aber für die Entwicklung einer Zukunftslösung als unbeachtlich. Andere Ansätze (z. B. Barcode-Rezept) erfüllen nicht den Pflichtenkatalog.
Die notwendige Realisierung neuer Informationszugriffe (z. B. auf einen Statistik-Server) bedarf noch der politischen Konsensfindung. Auch sind technologische Details, Schutzmechanismen, manuelle Ersatzverfahren bei Technikausfall etc. noch zu konkretisieren. Die Arbeitsgruppe hat sich auf die Abbildung der bestehenden Funktionen beschränkt. Gleichwohl ergaben sich funktionale Überschneidungen mit anderen Telematikanwendungen. So ist es notwendig, neben der bereits vom Aktionsforum bearbeiteten Anwendung "Elektronischer Arztbrief" auch den Bereich "Elektronische Patientenakte" konzeptionell aufzubereiten.
Grobentwurf zum elektronischen Rezept
Unter den Gesichtspunkten der Machbarkeit und Praktikabilität kristallisiert sich ein Grundmodell mit zwei Varianten heraus. Beide Alternativen gehen prinzipiell von einer Vernetzung aller an der GKV beteiligten Ärzte, Apotheken und Krankenkassen aus. Automatisch arbeitende Daten-Server stehen untereinander im Verbund und erledigen Datenannahme, Nachrichtenkonfektionierung und Weiterleitung. Sie sind logisch in Verordnungs-, Abrechnungs- und Statistik-Server unterteilt. Der Verbund wird durch Versicherungsserver und Fachdatenbanken (z. B. Arzneimittel) ergänzt. Über die technische Konfiguration, Standorte oder Trägerschaften sollen Aussagen erst nach entsprechenden Grundsatzbeschlüssen getroffen werden. Die Verfahren werden durch Verschlüsselungs- und Autorisierungstechniken abgesichert und stehen unter behördlicher und datenschutzrechtlicher Aufsicht. Ärzte und Apotheken haben ihre Verfügungen mittels elektronischer Unterschrift zu authentifizieren. Dabei kann eine entsprechende Software oder eine Health-Professional-Card zum Einsatz kommen.
Die Varianten unterscheiden sich in der Datenverbindung zwischen Arzt und Apotheke. Diese stellt sich aufgrund der freien Apothekenwahl des Versicherten als ungerichtete Kommunikation dar.
Variante 1
Bei der ersten Variante wird eine Identifikationsnummer mittels Versichertenkarte, Ticket, Papier-Voucher, bisherigem Rezept o. ä. vom Versicherten in die Apotheke übermittelt. Angemerkt sei, dass man aus Akzeptanzgründen sowie für Systemausfälle vermutlich nicht ohne einen Papierbeleg auskommen wird. Der Datenfluss des elektronischen Rezepts gestaltet sich dann wie folgt:
- Die Identität des Patienten und damit seinen Behandlungsanspruch überprüft der behandelnde Arzt anhand der Versichertenkarte, weitere Versicherungsinformationen wie Beendigung der Mitgliedschaft oder Zuzahlungsbefreiungen werden ggf. über den Versicherungsserver aktualisiert.
- Die Verordnung des Arztes wird in einem Verordnungsdatensatz (Angaben zum Versicherten, Arzt, verordneten Mittel) zusammengestellt und vom Arztcomputer an einen Verordnungsserver übermittelt.
- Die vom Patienten aufgesuchte Apotheke wird per Identifikationsnummer auf der Versichertenkarte, dem Ticket o. ä. autorisiert, den Verordnungsdatensatz von dem Verordnungsserver auf den Apothekencomputer zu laden.
- Der geladene Datensatz wird um die Dispensierdaten (Arzneimittel, Zuzahlung etc.) ergänzt und über einen Abrechnungsserver automatisch der zuständigen Krankenkasse zugeleitet, erledigte Prüfung und Verarbeitung werden rückgekoppelt.
- Die übermittelten Datensätze werden auf einen Statistikserver gespiegelt, von dem sich alle Berechtigten die im Rahmen ihrer Zugriffsrechte aufbereiteten Ergebnisse auf ihre Rechner laden.
Diese funktionale Logik wurde von Krankenkassenseite bereits Anfang 1998 beschrieben [5], hat Eingang in konzeptionelle Überlegungen der Spitzenverbände der Krankenkassen gefunden [6] und wird auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mitgetragen (siehe Abbildung 2).
Variante 2
Bei der zweiten, von Apothekern vehement favorisierten Variante, soll die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheke mit einem elektronischen Trägermedium überbrückt werden. Dazu wird der Einsatz einer neu zu entwickelnden Krankenversichertenkarte oder einer Pendelkarte als Speicher- oder Prozessorkarte vorgeschlagen. Wie in der ersten Variante überprüft der Arzt die Identität des Versicherten und erstellt den Verordnungsdatensatz. Danach wird der Verordnungsdatensatz vom Arztcomputer nicht über das Netz, sondern auf die Karte übertragen. Der Patient legt diese Karte in der Apotheke seiner Wahl vor, die den Verordnungsdatensatz in den Apothekencomputer übernimmt und auf der Karte löscht. Der weitere Ablauf entspricht wieder der ersten Variante.
Die Vernetzung aller Ärzte wäre unter diesen Bedingungen zwar nicht für die Rezeptübermittlung erforderlich, wird aber für die Nutzung von Versicherungsservern und Fachdatenbanken ebenso benötigt. Zudem müssen Ärzte, Apotheken und ggf. weitere Verfahrensbeteiligte mit entsprechenden Kartenterminals ausgestattet werden. Die Apotheker verweisen hierzu auf ihre Modellanwendungen mit freiwilligen Patientenkarten. Interessierten Patienten soll die Speicherung ihrer gesamten Medikation auf der Karte für Beratungszwecke angeboten werden. Im Hinblick auf Therapiesicherheit, z. B. die Abklärung von Arzneimittelinteraktionen, verweisen die übrigen Beteiligten auf den Zusammenhang zu einer elektronischen Patientenakte.
Die Interessen des Berufsstandes treten klar zu Tage: Zeitpunkt der Datenbereitstellung, organisatorische Anbindung und Kundenkontakt sollen monopolisiert werden. Neben Wettbewerbsaspekten spricht gegen diese Variante, dass im Datenfluss weiterhin ein Medienwechsel stattfindet, der Transport über den Versicherten als Schwachstelle verbleibt und die Datenbereitstellung für alle Beteiligten erst nach der Bearbeitung durch die Apotheke erfolgt. Die Schnittstelle zwischen ärztlicher Verordnung und Arzneimittelabgabe würde einer statistischen Evaluation, z. B. zu Einlöseverhalten und Compliance der Versicherten vorenthalten. Auch unter finanziellen Gesichtspunkten wird die Vorteilhaftigkeit bezweifelt. Einerseits ist der Investitionsbedarf bei einer notwendigerweise neuen Krankenversichertenkarte immens. Andererseits erfordert der Einsatz einer Pendelkarte den Einsatz von Kartenterminals und zusätzliches Handling. Mit Rücksicht auf eine gleichberechtigte Darstellung der Vorschläge hat das Aktionsforum diese Variante mit aufgenommen.
Perspektiven
Weder vom Gesetzgeber noch von der Industrie ist die notwendige Integrationskraft zu erwarten, um die breite Einführung neuer Technologien zielgerichtet voranzutreiben. Allen Beteiligten wird inzwischen klar, dass es um einen technologischen Quantensprung geht, der vielerorts das institutionelle Selbstverständnis erschüttert. Dabei werden die neuen Gestaltungschancen leicht übersehen. Mittels Telematik lässt sich die gegliederte Versorgungsstruktur im Gesundheitssystem neu definieren und die Kooperation zwischen den Versorgungszweigen verbessern. Der Bedarf an "europäischer Kompatibilität" und die wachsende Nachfrage nach aussagekräftiger Wissensbasis werden den Innovationsdruck erhöhen. Dass außerhalb Deutschlands die Diskussion im nationalen Maßstab noch nicht so weit gediehen scheint [7], um erfolgreiche Modelle übernehmen zu können, sollte nicht Anlass zu Gelassenheit geben, sondern Ansporn sein.
Mit dem Aktionsforum als nationaler "Konsensschmiede" und dem zum elektronischen Rezept entwickelten Lösungsansatz sind erste Trendlinien gezeichnet. Erforderlich sind rechtliche und organisatorische Absprachen zwischen allen Trägerorganisationen sowie gesetzliche Anpassungen. Nach einer vertieften Exploration zur Technologie einschließlich der Erprobung von Alternativen zu Wirtschaftlichkeit, Finanzierung, Kompetenzen und Akzeptanz ist eine gemeinsame Umsetzungsstrategie zu entwickeln (siehe Abbildung 3). Danach muss die Einführung in einem überschaubaren Zeitrahmen über definierte Etappen angegangen werden. Es gilt nun, den Konsens gesellschaftlich zu verbreitern und die Konzepte stetig weiterzuentwickeln. Dazu sucht das Aktionsforum den Kontakt zur Politik und Verbänden.
Die Vorüberlegungen der Bundesregierung zu einem neuen Transparenzgesetz weisen indes in die falsche Richtung. Eine zergliederte Informationsstruktur auf der Landesebene und ein Übermaß an Verschlüsselung produzieren wiederum Datenfriedhöfe. Die Aussicht, profilierte Auswertungen im Einzelfall durch Rekonstruktion der Pseudonymisierungen zuzulassen, wird durch den damit verbundenen Aufwand und Aktualitätsverlust hinfällig. Nicht das "Vernebeln" von Informationsströmen, sondern klar definierte, gesetzlich abgesicherte Nutzungsrechte schaffen die Voraussetzungen für eine effiziente Telematikplattform in der GKV. Die durchgängige Transparenz und institutionelle Überwachung der Verfahren wird dabei vorausgesetzt.
Fachliche Vorarbeiten für eine Neukonzeption des Datenaustausches in der GKV liegen bereits vor. Die Diskussion hat nun auch die Selbstverwaltungsebene der Spitzenverbände der Krankenkassen erreicht. Bevor dort Grundsatzbeschlüsse getroffen werden können, sind nun die Entwürfe der Managementpapiere um Umsetzungsszenarien zu ergänzen. Dabei wäre das elektronische Rezept der Einstieg. Elektronischer Arztbrief und elektronische Patientenakte könnten unmittelbar auf die mit der Telematikplattform geschaffene IT-Struktur aufsetzen.
Ob Heilberufe oder Kostenträger - perspektivisch ist jede der Gruppen gefordert, eigenverantwortlich die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zunächst für einen internen Kommunikationsverbund mit allen Mitgliedsorganisationen zu schaffen. Wer diese Aufgabe bewältigt, gewinnt das Mandat, die telematische Infrastruktur in der GKV maßgeblich mitzugestalten.
Kastentext
Das Britische Gesundheitsministerium sucht zurzeit drei Organisationen für telematische Pilotprojekte zur Entwicklung anwendungsreifer Komponenten für ein Elektronisches Rezept. Projektstart soll Dezember 2001 sein, die Routineanwendung wird für 2004 angestrebt.
Literatur [1] Dietzel, Gottfried T.W.: e-Health und Gesundheitstelematik - Herausforderungen und Chancen, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 98, Heft 4, 26. Januar 2001, S. C 128 gibt einen Überblick über den internationalen Diskussionsstand. [2] www.rolandberger.com: Telematik im Gesundheitswesen - Perspektiven der Telemedizin in Deutschland. Studie für das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie das Bundesministerium für Gesundheit, München 1997. [3] www.gvg-koeln.de: Die Geschäftsführung des ATG ist der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V., Köln (GVG) übertragen. Die angegebene Adresse informiert über das ATG und die Arbeitsergebnisse der Teams. [4] Sendatzki, Volkhard: Elektronische Verordnung - Einstieg der GKV in die Telemedizin, in: Arbeit und Sozialpolitik 3 - 4/98, S. 34 und Schubert, Falk: Das Elektronische Rezept: Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten, Diplomarbeit im Studiengang Medizinische Informatik der Universität Heidelberg/Fachhochschule Heilbronn 1999. [5] Sendatzki, ebd.: Seinerzeit stand das Internet mit entsprechender Produktreife noch am Anfang. Der heute zugrunde gelegte Serververbund war vereinfacht als "Mailbox" dargestellt, die unterschiedlichen Server bzw. Funktionen waren logisch noch nicht getrennt. [6] Spitzenverbände der Krankenkassen: Neukonzeption des Datenaustausches in der GKV, Juni 2000. [7] SCRIP-magazin vom 13. Dezember 2000, S. 4: "Seven applicants shortlisted for UK e-Rx pilots".
Nachdruck aus der Zeitschrift "Die BKK", 3/2001, mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen
Das elektronische Rezept gilt weithin als Wegbereiter für einen effizienten Informationstransfer in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nicht zuletzt über Vorschläge aus der Politik, einen elektronischen Arzneipass einzuführen, ist auch die geplante Einführung des elektronischen Rezepts erneut in die Diskussion geraten. Jetzt gilt es, für dieses Mammutprojekt die Entwicklungslinie aufzuzeigen. Denn auch international betrachtet, erweist sich die Aufgabe als technisches, rechtliches und organisatorisches Neuland mit hohem Konsensbedarf.
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