Berichte

"Bahia-Deklaration" zur Verbesserung der Chemikaliensicherheit

Vom 15. bis 20. Oktober 2000 fand unter Mitwirkung von 340 Delegierten aus 82 Ländern, von neun internationalen Regierungsorganisationen und zwölf Nicht-Regierungsorganisationen das Forum III des Intergovernmental Forum an Chemical Safety (IFCS) in Salvador da Bahia in Brasilien statt.

Das IFCS ist ein zwischenstaatliches Forum für Chemikaliensicherheit, dessen zentrale Aufgabe es ist, die internationale Zusammenarbeit auf den im Rahmen der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro (1992) verabschiedeten Arbeitsschwerpunkten des Kap. 19 der Agenda 21

  • Risikobewertung,
  • Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung,
  • Informationsaustausch,
  • Risikominimierung,
  • Risikomanagement,
  • Illegaler Verkehr

zu intensivieren und die laufenden internationalen und regionalen Aktivitäten zu koordinieren. Das IFCS soll Empfehlungen für Regierungen sowie für internationale und zwischenstaatliche Organisationen erarbeiten. Die Teilnehmer des ForumIII des IFCS verabschiedeten zum einen ein "Aktionsprogramm mit Empfehlungen für Maßnahmen nach dem Jahr 2000" sowie die "Bahia- Deklaration", die nachfolgend abgedruckt ist.

Folgende Schwerpunkte der Diskussion während der Verhandlungen im Rahmen des ForumIII des IFCS sind hervorzuheben:

  • Ausweitung und Beschleunigung der Risikobewertung von Stoffen,
  • Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Gefahrgütern,
  • Informationsaustausch über gefährliche Stoffe und die von diesen Stoffen ausgehenden Risiken,
  • Risikominderungsprogramme,
  • Stärkung der nationalen Einrichtungen und Programme für das Chemikalienmanagement,
  • Unterbindung des illegalen Verkehrs mit giftigen und gefährlichen chemischen Produkten.

Die Bundesrepublik Deutschland hat insbesondere auf dem Sektor des Aufbaus von nationalen Strukturen zur Chemikaliensicherheit (Capacity Building), die für Entwicklungsländer von großer Bedeutung sind, wichtige Arbeit geleistet. Weitere Informationen können über die Web-Seite www.ifcs.ch abgerufen werden.

Bahia-Deklaration über Chemikaliensicherheit

I. Wir, die beteiligten Partner am Zwischenstaatlichen Forum für Chemikaliensicherheit (IFCS), sind vom 15.-20. Oktober 2000 in Salvador da Bahia/Brasilien zu unserem Dritten Forum zusammengetroffen. Als Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen und nichtstaatlichen Organisationen aus der Wirtschaft, öffentlichen Interessengruppen sowie wissenschaftlichen und gewerkschaftlichen Interessengruppen unterstreichen wir nochmals unser Engagement für die Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung einschließlich der Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung, des Kapazitätenaufbaus, des Zugangs zu Informationen und des Vorsorgeprinzips; erkennen wir die Aufgaben an, die sich für uns aus Kapitel 19 der 1992 in Rio verabschiedeten Agenda 21 ergeben, das sich mit Chemikaliensicherheit befasst; nehmen wir die seit Gründung unseres Forums erzielten Fortschritte zur Kenntnis; betonen wir die wesentliche Bedeutung eines umweltverträglichen Umgangs mit Chemikalien für die nachhaltige Entwicklung sowie für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt; erkennen wir die Verantwortung aller beteiligten Bereiche für eine Zusammenarbeit an unserer gemeinsamen Zielvorstellung eines verantwortungsbewussten Umgangs mit Chemikalien an; erkennen wir an, dass alle Länder bei den Bemühungen zur Verwirklichung der Chemikaliensicherheit unterschiedliche Bedürfnisse haben; sind wir uns darüber im Klaren, dass unser Wissen über die Auswirkungen der Belastung durch Chemikalien nach wie vor unvollständig ist, dass weiterhin Forschungsanstrengungen und Wachsamkeit erforderlich sind, dass für neue Herausforderungen neue Antworten gefunden werden müssen, dass für die Entwicklung geeigneter politischer Maßnahmen und einer entsprechenden Infrastruktur für den Umgang mit Chemikalien in allen Ländern Zusammenarbeit und Partnerschaft von wesentlicher Bedeutung sind und dass eine aufgeklärte Öffentlichkeit einen entscheidenden Beitrag zu der erforderlichen Arbeit leisten kann.

II. Dementsprechend fordern wir die Regierungen, die Wirtschaft, die gemeinnützigen nichtstaatlichen Organisationen, die Gewerkschaften sowie wissenschaftliche Organisationen, internationale Organisationen und die Öffentlichkeit allgemein auf, sich unseren gemeinsamen Anstrengungen zur Verwirklichung der vorrangigen Ziele anzuschließen, die während des Forums IV bzw. V bzw. danach überprüft werden sollen: 1. Förderung der globalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit, des vorsorgenden Umweltschutzes, der nachhaltigen Landwirtschaft sowie umweltverträglicherer Prozesse, Werkstoffe und Produkte; 2. Verbesserung des Informationsflusses über den sicheren Umgang mit Chemikalien, die bei ihrer Herstellung möglichen Risiken, ihre Freisetzung in die Umwelt und ihre Entsorgung sowie über Möglichkeiten zur Vermeidung oder Minderung von Risiken; 3. Gewährleistung, dass alle Länder über entsprechende Möglichkeiten zum verantwortungsbewussten Umgang mit Chemikalien verfügen, insbesondere durch abgestimmte politische, gesetzliche und infrastrukturelle Maßnahmen auf nationaler Ebene; 4. Ratifizierung und Umsetzung der für den Bereich der Chemikaliensicherheit maßgeblichen Übereinkommen und Abkommen und Gewährleistung effizienter und effektiver Koordinationsarbeit zwischen allen im Zusammenhang mit dem Bereich der Chemikaliensicherheit stehenden Organisationen und Aktivitäten; 5. Überwachung von Ressourcen zur Behebung von Problemen der Chemikaliensicherheit, die konzertierte Antworten und Maßnahmen auf internationaler Ebene erforderlich machen, z.B. bei illegalem Handel mit toxischen und gefährlichen Produkten; und 6. Verbesserung des Zugangs zu Informationen, Sachwissen und zum Erwerb von Fähigkeiten auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit in der Erkenntnis, dass menschliche Gemeinschaften ein Anrecht darauf haben, über die Präsenz von Chemikalien in ihrer Umwelt informiert zu werden und in sinnvoller Weise an sie betreffenden Entscheidungen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit beteiligt zu werden.

III. Trotz unserer Zufriedenheit über die Tatsache, dass auf diesem Gebiet bereits viel geschehen ist, sind wir, die Teilnehmer, uns darüber einig, dass noch erheblicher Handlungsbedarf besteht, um der in Kapitel 19 erklärten Absicht gerecht zu werden, da 1. zahlreiche Länder immer noch Schwierigkeiten mit dem Aufbau der elementaren Infrastruktur für den Bereich der Chemikaliensicherheit haben; hierzu gehören die Schaffung nationaler Koordinierungsmechanismen, die Entwicklung nationaler Profile und die Umsetzung nationaler Aktionspläne; 2. in weiten Teilen der Welt das Niveau auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit nicht ausreichend ist, um einen angemessenen Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten; 3. auf internationaler Ebene nur unzureichende Mittel zur Verfügung gestellt wurden und es auch auf lokaler Ebene nur unzureichende Mittel gibt, um die zahlreichen Lagerbestände veralteter Pestizide und Gefahrstoffe überall auf der Welt zu entsorgen; und 4. in Bezug auf die internationalen Bewertungen von Chemikalien nicht die 1994 während des Forums1 festgelegten Ziele erreicht wurden.

IV. Um auf den bereits erzielten Fortschritten aufbauen und die in einer Reihe von Foren sowie während des Forums III in Salvador da Bahia festgelegten Ziele erfüllen zu können, verpflichten wir, die Teilnehmer, uns: 1. bei diesen gemeinsamen Bemühungen als Partner zusammenzuarbeiten und die wertvollen Beiträge anzuerkennen, die jeder zur Erreichung unserer Ziele leisten kann; 2. der Zusammenarbeit und Koordinierung auf allen Ebenen einen höheren Stellenwert einzuräumen und durch Meinungs- und Erfahrungsaustausch sowie durch gebündelten Einsatz von Ressourcen Synergieeffekte anzustreben; 3. innovative Lösungen für die Probleme auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit zu ermitteln und diese energisch umzusetzen; 4.nach Möglichkeiten zur Sicherstellung größerer und stabilerer Ressourcenströme zu suchen, um Arbeiten an den festgelegten dringenden Prioritäten sowie an den vom Forum III vereinbarten Zielen zu ermöglichen; und 5. für das frühestmögliche Inkrafttreten noch nicht ausgehandelter oder noch nicht in Kraft getretener internationaler Verträge und Abkommen auf dem Gebiet der Chemikaliensicherheit einzutreten.

V. Um unsere Energien und Mittel gezielt einsetzen und die dabei erzielten Fortschritte konkret messen zu können, verpflichten wir uns - gegebenenfalls mit der Unterstützung der Geberländer und internationaler Organisationen - zur Verwirklichung einer Reihe von Zielen während der Foren IV und V, wie in unserem Dokument Priorities for Action vom Forum III beschrieben. Um uns diese Schlüsselziele stets vor Augen zu halten, fassen wir sie kurz zusammen: Bis 2001:

  • Das Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe ist verabschiedet.

Bis 2002:

  • Die meisten Länder haben unter Beteiligung zahlreicher Interessengruppen ein nationales Profil für den Umgang mit Chemikalien entwickelt, eine nationale Koordinierung für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Chemikalien sichergestellt und einen nationalen Ansprechpartner für das IFCS bestimmt.
  • Mindestens 70 Staaten haben Systeme zur Verhinderung schwerer Industrieunfälle und Systeme zur Katastrophenvorsorge und Einleitung entsprechender Notfallmaßnahmen eingerichtet.
  • Einrichtung von Giftzentralen in mindestens 30 Ländern, die bis dahin nicht über solche verfügten, und Stärkung dieser Einrichtungen in mindestens 70 Ländern.

Bis zum Forum IV im Jahre 2003:

  • Das Rotterdamer Übereinkommen ist in Kraft getreten.
  • Das Global Harmonisierte System für die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) ist angenommen.
  • Ein effektives Informationsaustauschnetz über den Kapazitätenaufbau für den verantwortungsbewussten Umgang mit Chemikalien ist in Betrieb.
  • Das Forum prüft Empfehlungen zur Verhinderung des illegalen Handels mit toxischen und gefährlichen Produkten, und die Länder haben ihre nationalen Strategien ausgearbeitet.
  • Ein Bericht zur Problematik akut toxischer Pestizide und hochgefährlicher Pestizidverbindungen wird veröffentlicht, in dem Möglichkeiten für den verantwortungsbewussten Umgang empfohlen werden.
  • Alle Länder haben über von ihnen ergriffene Initiativen zu anderen Chemikalien, die erheblichen Anlass zur Besorgnis geben, Bericht erstattet.

Bis 2004:

  • Empfehlungen zur Verankerung gemeinsamer Grundsätze und harmonisierter Strategien zu Fragen der Immuntoxikologie, der endokrinen Störungen und der Ökotoxikologie liegen vor.
  • Für zusätzliche 1000 Chemikalien liegen Beurteilungen des Gefährdungspotenzials vor, die der Öffentlichkeit zeitig zur Verfügung gestellt werden.
  • Die meisten Länder verfügen über Verfahren, durch die gewährleistet wird, dass auf Gefahrstoffen geeignete und verlässliche Sicherheitsinformationen vermerkt sind.
  • Die meisten Länder verfügen über integrierte und umweltverträgliche Strategien zur Bekämpfung von Schädlingen und Überträgern.
  • Die meisten Länder haben Aktionspläne für den sicheren Umgang mit Lagerbeständen veralteter Pestizide und anderer gefährlicher Chemikalien festgelegt, und mindestens zwei Länder in jeder IFCS-Region haben mit der Umsetzung ihrer Aktionspläne bereits begonnen.
  • Nach seiner Annahme im Jahre 2001 ist das Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe in Kraft getreten.
  • Mindestens zwei zusätzliche Länder in jeder IFCS-Region haben ein Pollution Release and Transfer Register oder ein Emissionskataster erarbeitet.

Bis 2005:

  • Mindestens fünf Länder in jeder IFCS-Region haben vollständige Vorkehrungen für den Informationsaustausch über gefährliche Chemikalien getroffen.
  • Die meisten Länder haben politische Maßnahmen auf nationaler Ebene mit konkreten Zielen hinsichtlich der Verbesserung des Umgangs mit Chemikalien eingeführt.

Nach Forum V (voraussichtlich im Jahre 2005 oder 2006):

  • Das Global Harmonisierte System für die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien ist voll betriebsbereit. Die meisten Länder in jeder IFCS-Region verfügen über voll betriebsbereite Mechanismen für den Informationsaustausch über gefährliche Chemikalien.

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