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- DAZ 48/2001
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Die Seite 3
Das tut weh: Im Rahmen des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) soll der "Rabatt", den die Apotheken nach § 130 SGB V den gesetzlichen Krankenkassen zu gewähren haben, von 5 % auf 6 % erhöht werden. Ebenso sehr schmerzt, mit welch abenteuerlichen Begründungen die rot-grüne Regierung dieses Sonderopfer der Apotheken zu begründen versucht.
Während die anderen Eingriffe des AABGs jeweils alle Handelsstufen gemäß ihren Wertschöpfungsanteilen treffen, tangiert die Erhöhung des Zwangsabschlages nach § 130 SGB V die Apotheken exklusiv - mit 409 Mio. DM insgesamt, also mit rund 20 000 DM je Durchschnittsapotheke; 20 000 DM, die nicht als Umsatz-, sondern vielmehr voll als Ertragsminderung wirken. Die anderen Maßnahmen, an denen proportional auch die vorgelagerten Handelsstufen beteiligt sind, werden die Ertragsminderungen je Durchschnittapotheke (mit 2,5 Mio. DM Umsatz) in etwa auf das Doppelte, also auf 40 000 DM hochziehen. Damit wird jede Apotheke, was ihr betriebswirtschaftliches Ergebnis angeht (0,9% des Brutto-Umsatzes), deutlich unter die Nulllinie gedrückt. Die ABDA, vielleicht narkotisiert von vagen Erwartungen mit Blick auf aut idem, reagierte bislang darauf merkwürdig verhalten.
Ebenso schlimm wie die Anhebung selbst ist, mit welchen Aussagen die Erhöhung des Zwangsabschlages von der Politik begründet wird. Der im Arzneimittelgesetz (§ 78) festgelegte einheitliche Apothekenabgabepreis verhindere, dass die erzielten Rationalisierungseffekte beim pharmazeutischen Großhandel an die Krankenkassen weitergegeben werden, so heißt es z. B. in der Presserklärung, die das Gesundheitsministerium zum AABG am 24. 9. 2001 herausgegeben hat. Diese Rationalisierungseffekte sollten durch die Erhöhung des Kassenrabattes abgeschöpft werden.
Was, mit Verlaub, gibt es da eigentlich ab- oder auszuschöpfen? Schon derzeit, beim 5-prozentigen Kassenrabatt, führen die Apotheken fast eine halbe Milliarde DM mehr Rabatt an die Krankenkassen ab, als sie vom Großhandel im Hinblick auf Arzneimittel für die Versorgung von GKV-Patienten erhalten. Dieser Minusbetrag wird sich verdoppeln, wenn der Zwangsabschlag von 5 % auf 6 % erhöht wird.
Wenn es um "Abschöpfung" ginge, wäre eine Rückerstattung, nicht eine Erhöhung des Kassenabschlages fällig. Dass Apotheken Rabatte erhalten können, wenn sie rationale Bestellwege nutzen und optimieren, ist ausdrücklich gewollt - und zwar vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber, der 1978 die degressiven Arzneimittelpreisverordnungen einführte. Die heutigen Minister und Staatssekretäre sollten einmal in die Akten schauen. Ministerialrat Bauer, damals der führende Kopf bei der Neufassung der AMpreisV, hat bewusst für den Großhandel Zuschläge eingeführt, die unter-, aber nicht überschritten werden dürfen.
Rabatte des Großhandels an die Apotheken waren und sind nicht nur nicht anrüchig; sie waren und sind das Instrument, Rationalisierung voranzutreiben und die unterschiedlichen Möglichkeiten, die dazu auf Großhandels- und Apothekenebene bestehen, auszugleichen. Dieser Ansatz war außerordentlich erfolgreich: die Politik sah sich - trotz harter Degression der Zuschläge - bis heute (also in 23 Jahren) nicht gezwungen, ihre damals gegebene Zusage einzulösen, die Arzneimittelpreisverordnung wenn nötig zugunsten der Apotheken zu ändern.
Schade, dass bei den Krankenkassenverwaltungskosten ein ähnliches Instrument, Rationalisierung voranzutreiben, nicht existierte. Auch deshalb "verfrühstücken" die Kassen heute für die Verwaltungskosten 274 % mehr als vor 20 Jahren; in dieser Zeit ist das Bruttoinlandsprodukt um 169 % gestiegen, die Wertschöpfung der Apotheken im GKV-Sektor aber nur um 116 %.
Klaus Brauer
Lektion für wen?
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